Star Wars: The Old Republic
Etwas weniger als 2 Monate ist BioWares MMO jetzt alt – nachdem die ersten Kinderkrankheiten bereits überstanden sind und ein Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde geschafft wurde, bietet sich jetzt endlich die Gelegenheit, einen entspannten Blick auf das wahrscheinlich teuerste Computerspiel aller Zeiten zu werfen.
„Star Wars: The Old Republic“ (TOR) wurde schon vor seiner Veröffentlichung mit allerlei zweifelhaften Kosenamen versehen, der am meisten in Erinnerung gebliebene ist neben „KoTOR 3“ wohl „WoW in Space“. Natürlich muss sich BioWares erstes MMO an dem schier unverdrängbar wirkenden Marktführer der letzten Jahre messen lassen, aber für einen direkten Vergleich ist „World of Warcraft“ einfach ungeeignet.
Das beginnt schon beim grundlegendsten Element: der Story. TOR setzt sich in angenehmer Weise von anderen MMOs ab, indem es die eigene Geschichte in den Mittelpunkt stellt und damit erstmals wirklich das Gefühl vermittelt, den eigenen Charakter weiterentwicklen zu können und nicht nur wahllos Aufträge für NPCs zu erledigen. Einen sehr wesentlichen Beitrag dazu leistet das BioWare-typische Dialogsystem: Mehrere Auswahlmöglichkeiten entscheiden über den Verlauf der Story, aber auch über Zugehörigkeit zur Dark- oder Light Side. Unabhängig davon, ob man sich anfangs für Sith oder die Republic entscheidet, hat man also die Möglichkeit, sein Alter Ego „gut“ oder „böse“ sein zu lassen.
Apropos Dialoge: Der eingangs erwähnte Weltrekord wurde für das größte Voice-Over-Projekt in der Entertainmentbranche erzielt – und das merkt man. Über 200.000 Zeilen wurden aufgenommen – damit entfällt das oft erlebte einfache Wegklicken des Quest-Texts, der nichts anderes sagt als wieder einmal wahllos 10 Monster umzubringen um eine kleine Belohnung zu bekommen. Ja, diese Aufgaben gibt es natürlich auch in TOR, aber man ist so in die Geschichte verwickelt, dass man vor allem anfangs die Monotonie von Quests in MMOs (und „The Old Republic“ ist da keine Ausnahme) vergisst.
Natürlich ist man in einem MMO nie alleine, in TOR hat man aber neben menschlicher Unterstützung stets einen computer-gesteuerten Companion zur Seite, der vor allem anfangs eine Alternative zum Spiel in der Gruppe darstellt. Doch im Gegensatz zur Hoffnung Vieler ist BioWares Titel ganz und gar kein Single-Player-Spiel mit quasi-optionalem Multiplayermodus: Bald hat man es mit Gruppen-Quests zu tun, die mit dem eigenen Companion alleine nicht zu lösen sind, und – optionale, aber dank kurzweiliger Story durchaus lohnenswerte – Flashpoints (das Äquivalent zu Dungeons) sind bereits nach wenigen Stunden Spielzeit zugänglich. Früher oder später sollte man sich also überlegen, mit jemand anderem gemeinsam zu spielen – nicht zuletzt bekommt man dafür sogenannte „Social“-Punkte, die man gegen nützliche und weniger nützliche Gegenstände eintauschen kann – und das gemeinsame Leveln geht natürlich gleich viel schneller voran.
Um zwischen den verschiedenen Planeten hin- und herreisen zu können, bekommt man im Laufe der Zeit ein eigenes Raumschiff. Dort verbirgt sich auch das unterhaltsamste Minispiel derzeitiger MMOs: Weltraumkämpfe! Ähnlich einem Railshooter ist der Weg des eigenen Raumschiffs vorgegeben, man muss allerdings entgegenkommenden Objekten ausweichen – und natürlich andere Schiffe abschießen. Das macht so viel Spaß und dauert pro Mission auch nur wenige Minuten, sodass es sich auch lohnt, nur für ein paar Minuten pro Tag online zu gehen, um die Gerechtigkeit im Weltall wiederherzustellen.
Die weit verbreitete Kritik, dass man nichts mehr zu tun hat, wenn man erst einmal auf dem höchsten Level angelangt ist, stimmt übrigens nur sehr bedingt. Hat man nichts für „Operations“ (die den aus anderen MMOs bekannten Raids entsprechen) übrig, bleibt einem immer noch Player-versus-Player (das natürlich auch schon früher losgeht und sehr viel Spaß machen kann), jede Menge andere Quests und noch viel mehr, was die Langeweile gering halten sollte. Man darf auch nicht vergessen, dass TOR noch ein sehr junges Spiel ist und einige Features noch immer in der Planungsphase stecken. So gibt es zum Beispiel das Legacy-System, das die Spieler dazu anregen soll, neue Charaktere zu spielen – dieses System ist zwar bereits integriert, welche Belohnungen auf die fleißigen Spieler wartet, ist aber noch nicht klar, wurde jedoch für die nahe Zukunft angekündigt.
Nach etwas mehr als einem Monat Spielzeit bleibt ein durchaus positiver Eindruck von „Star Wars: The Old Republic“ zurück. BioWare hat das Genre nicht grundlegend neu definiert, aber gezielt an Stellen gearbeitet, die in anderen MMOs verbesserungswürdig wären. Allein die massive Story, die noch dazu bei allen acht spielbaren Klassen verschieden ist, sorgt für hunderte Stunden Unterhaltung. Viele der MMO-typischen repetitiven Elemente sind aber leider auch in TOR enthalten – wenn man jedoch die Geduld aufbringt und sich durch die etwas langatmigen Stellen durchbeißt, erwartet einen definitiv der rundeste Massively-Multiplayer-Titel seit „World of Warcraft“, das damit endlich ernsthafte Konkurrenz bekommen hat.
Plattform: PC (Version getestet), Altersfreigabe (PEGI): 16, Spieler: MMO, Erscheinungsdatum: 20.12.2011