Alice: Madness Returns
Arme Alice: Im Nachfolger von American McGees vielbeachteter Neuinterpretation von Lewis Carrolls berühmter Erzählung kehrt der Wahnsinn zurück, wortwörtlich. Was für die titelgebende Heldin der in jeder Hinsicht fantastischen Geschichte ein großes Dilemma darstellt, erweist sich jedoch für den Spieler schon nach wenigen Minuten als kreative Offenbarung: Mit bestaunenswürdigen Level- und Charakter-Kreationen verblüfft Alice: Madness Returns dank McGees Eingebungen sicher auch den abgebrühtesten Action-Adventure Liebhaber. „Is it mad to pray for better hallucinations?“ fragt sich die schwarzhaarige Protagonistin in einer Sequenz, die Antwort folgt in Form von sechs stimmungsvollen Episoden: Nachdem die deutlich erwachsenere Alice erneut aus der im viktorianischen London angelegten Gegenwart in ihr eigenes Wunderland abgetaucht ist, entpuppt sich das vermeintliche Farbenparadies als schaurig-schöne Horrorshow.
Von polaren Eiswüsten, verwinkelten Puppenhäusern bis hin zu Steam-Punk Teekesselschlössern wird ein bunter Mix unterschiedlicher Szenerien geboten, die durch eine bemerkenswerte Gegner-Menagerie zusätzliche Aufwertung erfährt. In Sachen Gameplay bewegt sich Alice auf dem schmalen Grad zwischen Hack’n’Slash-Kampfeinlagen à la Devil may Cry und Plattforming der Marke Super Mario 64 – beides keine schlechten Vorbilder natürlich, jedoch mussten einige Abstriche an beiden Enden gemacht werden.
Um sich wild gewordener Samurai-Wespen oder Scheren-schwingender Aggro-Puppen zu entledigen, darf Alice Liddell auf ein kleines, aber feines, aufwertbares Arsenal zurückgreifen, welches in seiner Funktionalität aber leider oftmals durch ein bockige Zielsystem beeinträchtigt wird. Auch die vielen Jump’n’Run-Einlagen lösen auf Dauer keine Begeisterungsstürme beim Spieler aus, zumindest kann der dreifach ausführbare Sprung- und Schwebezustand sowie die zahlreichen Rücksetzpunkte den Frustmomenten erfolgreich entgegenwirken.
Wirklich störend ist der gravierende Qualitätsunterschied im Leveldesign: Kann das kuriose Kabinett des Mad Hatters anfangs noch dank einiger guter Sprungpassagen bzw. mit interessanten Auseinandersetzungen über die verwaschenen Texturen und häufigen Pop-Ups hinweg trösten, so schockieren die darauf folgenden Level (Queensland mit seinem Kartenvolk sei hier ausgenommen) schlichtweg durch Fadesse und repetitives Gameplay. Der Spielverlauf pendelt sich recht bald auf die immer gleiche, eintönig und niemals endenwollende Abfolge vom Suchen nach versteckten Items, Kampfsequenz und Plattforming (großteils auch auf unsichtbaren Ebenen) ein, was sicher nicht im Sinne von Gamedesigner McGee gewesen sein konnte. Dessen brillante Einfälle und Ideen kommen immer wieder mal zum Vorschein, etwas bei einem Intermezzo in einer 2-D-Papierschnitt-Welt, einer gigantischen Alice, die Godzilla nachahmend wüst durch die Gegend stampft oder in den vielen animierten Zwischensequenzen.
Mit etwas mehr Sorgfalt in Sachen Abwechslung und Leveldesign hätte aus Alice: Madness Returns ohne Weiteres ein Klassiker im Stile von Psychonauts werden können, das Potenzial lässt sich vielerorts leicht erahnen. Leider vermag das Abtauchen in das wirre Wunderland von Frau Liddell trotz einiger sehr guter Grundgedanken nur die Grinsekatze zum schmunzeln zu verleiten – Spieler mit wenig Geduld und dem Wissen, das die Konkurrenz weit Besseres zu bieten hat, wird das Gebotene kaum zum Kauf anregen.
Plattform: PS3 (Version getestet), Xbox 360, PC, Altersfreigabe (PEGI): 16, Spieler: 1, Erscheinungsdatum: 16.06.2011