Unschuldig – True Crime Storys
John Grisham ist nicht nur einer der erfolgreichsten amerikanischen Autoren der Gegenwart, er ist auch ein unermüdlicher Kämpfer gegen juristische Ungerechtigkeiten und Windmühlen. So kreuzten sich seine Wege immer wieder mit der Non-profit Organisation Centurion. Diese wurde 1983 von Jim McCloskey gegründet. Ihre Mission ist es, zu Unrecht Verurteilten zu helfen – und sie im Idealfall aus der Haft herauszubekommen.
John Grisham schrieb auch schon fiktionalisiert immer wieder über diese Organisation (etwa in Die Wächter). Nun hat er sich mit McCloskey zusammengesetzt und aus der 40-jährigen Geschichte von Centurion zehn aufsehenerregende Fälle herausgesucht. Sowohl Grisham als auch McCloskey haben sich jeweils fünf repräsentative Akten hergenommen und beschreiben diese abwechselnd in dem Buch Unschuldig.
True Crime – ein Genre nur für feste Mägen
Unschuldig ist gemäß dem Genre True Crime ein harter Brocken zu schlucken. Die Autoren erzählen mit Nüchternheit von brutalen Gewalttaten und in weiterer Folge von Unschuldigen, die für diese Verbrechen büßen mussten. Das ist insbesondere zu Beginn äußerst mitreißend. Die Autoren beschränken sich bei ihren Tatsachenberichten pro Fall auf ungefähr 40 Seiten, plus Vorwort und Anhang zu ihren Quellen.
Literarisch gesehen merkt man tatsächlich klar, dass dies Grishams Hauptberuf ist, während McCloskey eher den Zugang des alten Haudegens wählt, der uns von seiner langjährigen Arbeit berichtet. Funktioniert beides tadellos, wobei man den „Grisham-Fällen“ ein wenig mehr erzählerischen Unterhaltungswert attestieren darf. Wobei Unterhaltung eben ein Begriff ist, der hier mit Vorsicht zu genießen ist.
Wie schon Abraham Lincoln sagte: Keines Menschen Gedächtnis ist so gut, dass er ständig erfolgreich Lügen könnte.
Wiederholung als Prinzip
Zwei kleine Einwände zu Unschuldig seien damit erwähnt. Durch die sachlichen Schilderungen teilweise sehr grausamer Verbrechen, braucht man als Leser durchaus gute Nerven. Das gepaart mit dem Umstand, dass dann in weiterer Folge immer Unschuldige angeklagt werden, macht das Buch in seiner gesamten Länge zu einer recht unerfreulichen Angelegenheit. Leichte Unterhaltung – this is not!
Plus dadurch, dass der Themenkomplex eben recht eng gefasst ist – Unschuldige im Gefängnis – ist der Ablauf der Storys dann aber auch oft der gleiche. Man erfährt von unterschiedlichen Verbrechen, dann folgt meistens das gleiche Rad aus falschen Zeugen, korrupten Polizisten, Richtern und Staatsanwälten und/oder eingeschüchterten Geschworenen.
Dennoch ist Unschuldig definitiv eine wuchtige Arbeit, deren Lektüre – vorausgesetzt man interessiert sich für True Crime – höchst lohnenswert ist. Wie so oft bei Story-Sammlungen empfiehlt es sich, nicht alles auf einmal zu lesen, sondern häppchenweise. Immer mal wieder ein Fall und dann dazwischen was anderes. Das schont die Nerven und erhöht das Interesse an den individuellen Storys.
Unschuldig – True Crime Storys von John Grisham und Jim McCloskey, 464 Seiten, erschienen im Heyne Verlag.