Berserker (c) 2022 Marco Rauch, Savage Types(2)

Berserker

Eine nicht näher definierte Zukunft: Leo Haldemann, Ende Dreißig, sitzt in einem alpinen Hochsicherheitsgefängnis fest, wo er zum Dienst niedrigster Tätigkeiten verdonnert wird. Um sich seine kümmerliche Existenz aufzuwerten, wird ihm von der Gefängnisleitung ein unmoralisches Angebot unterbreitet: Wenn er unliebsame Menschen beseitigt, wird sich sein Leben im Strafvollzug um einiges verbessern. Eine eigene kleine Wohnung, ein Fernseher, ein Bett … Doch Leo ist kein Killer. Zumindest will er sich das selbst die längste Zeit einreden. Doch der geneigte Leser ahnt bereits – da schlummert so mancher Abgrund in Leo Haldemann.

Meine Hände zittern. Unter meinen Fingernägeln ist geronnenes Blut und Haut. Im Bad läuft Wasser. Jemand kotzt. Die Klospülung geht. Wieder Wasser. Und dann weinen. Eine Frau.

Mütter, sperrt eure Töchter weg – Marco Rauch ist wieder unterwegs! Der Schmutzfink der heimischen Pulp-Literaturszene präsentiert mit Berserker seinen dritten Roman, erschienen bei Savage Types. Und wie von ihm nicht anders gewohnt, geht auch dieser Roman – was ungezügelten Sex und rohe Gewalt betrifft – in die Vollen. Für Zartbesaitete oder Freunde der leiseren Töne wird hiermit eine klare Nicht-Empfehlung ausgesprochen.

Dabei besagt ja eine alte Faustregel, dass gerade jene Autoren, die die deftigste Prosa schreiben, in ihrem Privatleben die nettesten Kerle sind. Was auch vollumfänglich auf Kollege Marco Rauch zutrifft. Und wenn er vielleicht gar nicht so gern möchte, dass das andere über ihn wissen – ich verrate es trotzdem: Marco Rauch ist ein lieber, netter und grundanständiger Mensch. Auch wenn man das seiner Prosa nicht unbedingt anliest. Im Gegenteil fürchtet man um die geistige Zurechnungsfähigkeit des Autors.

Denn bei Berserker geht’s wieder mal richtig rund. Was hier an Blut, Gedärm und Sperma verspritzt wird, das passt auf keine Kuhhaut mehr. Was sich für die einen vielleicht wie eine Trigger-Warnung anfühlt, ist für die anderen die beste Werbung. In Berserker finden Sie Schilderungen von: Mord, Totschlag, Folter, Vergewaltigung, gewollter und weniger gewolltem Geschlechtsverkehr, stilisierter Gewaltfantasien, over-the-top-Szenarien von Prügeleien inklusive breiiger, matschiger Gesichter, etc.

Es ist einfach Pech. Ich drücke ab und genau in dem Moment fährt ein Streifenwagen vorbei. Tankred sagt noch: „Nicht.“ Aber es ist zu spät. Mein Finger hat den Abzug gedrückt.

Unter dieser heftigen Gewitter-Wolke von Gewalt-Exzessen, liegt allerdings auch viel menschliche Düsternis. Die schwarze Weltsicht kennen wir schon von ihm. Doch selten ging es bei Marco Rauch derart existenzialistisch zu, wie bei Berserker. Dieser Roman ist ernsthafter, weniger schwarzhumorig als z.B. Hard Boiled. Die inneren Monologe von Leo Haldemann, werden öfter mal zu schmerzhaften Mediationen über Sinn und Unsinn von Gewalt und des Lebens im Allgemeinen.

Berserker ist, nach dem etwas gesettelten Fatality, wieder ein Frontalangriff auf den guten Geschmack der Leserschaft. Hier wird gemetzelt und gevögelt ohne Ende. Für dieses Mal hat es definitiv wieder für einen wilden Ritt gereicht. Man darf jedoch gespannt sein, ob Marco Rauch sich für das nächste Mal vielleicht auch ein paar neue Sachen überlegen wird. Wäre auch okay.

Berserker von Marco Rauch, 253 Seiten, erschienen bei Savage Types.

Berserker




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