Parallel

Karl Kling dient als Koch in der Wehrmacht. Nach dem Krieg heiratet er die Tochter eines Bürgermeisters. Bald wird ein Sohn geboren. Es könnte das perfekte Familienidyll sein. Nur – Karl flüchtet vor seinem Familienleben. Nach der Arbeit bleibt er lange fort. Er treibt sich in Bars, am See und anderen Orten herum. Und bald macht ein Gerücht die Runde. Karl würde sich auffällig oft in Männerbegleitung geben, er wäre ein „warmer Bruder“, ein „Hinterlader“. Und das geht ja bekanntlich gar nicht.

Matthias Lehmann erzählt die Geschichte eines Mannes, der im strengen Nachkriegsdeutschland mit seinen ambivalenten Gefühlen und der Ablehnung der Gesellschaft kämpft. Einerseits will er den „geraden“ Weg der Familie gehen. Anderseits kann er immer weniger (auch vor sich selbst) verstecken, dass es die Männer sind, die er begehrt. Parallel heißt die wuchtige Graphic Novel von Matthias Lehmann. Und ist unbedingt eure Aufmerksamkeit wert!

Mit 450 Seiten kriegt man ordentlich was für sein Geld geboten. Parallel ist eine ansprechende und bestens unterhaltende Lektüre, die uns den inneren Kampf und die Zerrissenheit seines Protagonisten intensiv nachvollziehbar macht. Die stimmungsvollen schwarz/weiß/grau Zeichnungen lassen uns tief in die Geschichte hinabtauchen, und es ist fast unmöglich das (inhaltlich wie physisch) schwere Buch zur Seite zu legen.

Sehr schön ist auch der rundum gestaltete Buchumschlag, der das Thema nochmal sehr deutlich wiederspiegelt. Man wünscht sich von tiefem Herzen, dass die Zeiten für die Karl Klings dieser Welt nicht mehr so viele Hürden aufstellen. Manches mag sich verbessert haben. Anderes bleibt wohl auch heute noch genauso schwierig – oder eben ungesagt. Parallel ist jedenfalls ein richtig tolles Buch geworden, dessen Anschaffung uneingeschränkt empfohlen werden darf.

Parallel von Matthias Lehmann, 456 Seiten, erschienen bei Reprodukt.