Wildling
Herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Ausgabe Wonne aus der Tonne. Nachdem wir das letzte Mal tief in der Vergangenheit gegraben haben und mit Graf Zaroff einen Film aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Thema hatten, springen wir diesmal wieder in die filmische Gegenwart. Da entsprang nämlich kürzlich ein wilder Mischling der B-Filmwelt, den man durchaus mal näher betrachten sollte. Kommt heran und schaut ihn euch mit mir an – den Wildling.
Anna (Bel Powley) wird seit sie denken kann von ihrem Daddy (Brad Dourif) in einer Hütte im Wald, in einem Zimmer das sie nie verlassen darf, aufgezogen. Daddy erzählt ihr Geschichten vom bösen Wildling, der da draußen haust – mit schrecklichen Zähnen und Klauen, und dass Anna deshalb nie ihr Zimmer verlassen darf. Als sich bei Anna erstmalig die Menstruation einstellt, ändert Daddy plötzlich seine Strategie. Nun wird Anna an ihrem Bett festgeschnallt und bekommt jeden Tag eine Spritze, die ihre hormonelle Entwicklung bremst. Als Anna 16 Jahre alt ist, wird sie nach einem missglückten Suizidversuchs ihres Daddys gefunden. Anna erfährt, dass der wahnsinnige Mann gar nicht ihr Vater war. Während die Behörden nach ihren Eltern fahnden, kommt Anna bei der großherzigen Polizistin Ellen Cooper (Liv Tyler) und ihrem jüngeren Bruder Ray (Collin Kelly-Sordelet) unter. Und eine seltsame Wandlung in Anna nimmt ihren Lauf.
Wildling ist das Spielfilmdebüt des deutschen Regisseurs Fritz Böhm. Zusammen mit Florian Eder schrieb er auch das Drehbuch dieser amerikanischen Filmproduktion. Herausgekommen ist ein spannender Hybrid aus Fantasy-Märchen, Horrorfilm und Coming-of-age-Drama. Hervorragend getragen von der jungen Hauptdarstellerin Bel Powley (The Diary of a Teenage Girl). Die Grundstimmung des Films ist durchaus bedrückend. Vor allem der Anfang, als Anna noch in der Hütte von „Daddy“ gefangen gehalten wird, ist an beklemmender Atmosphäre kaum zu überbieten. Was natürlich auch am (wie immer) unangenehm-intensiven, eindringlichen Schauspiel von Brad Dourif liegt. Ein etwas leichterer Mittelteil mit teenage angst-Thematik leitet dann ins Fantasy-Finale über, wo dann mit tollen Kamerafahrten und schönen Bildern das Ganze einen durchaus runden Bogen schafft.
Weniger geglückt hingegen ist das Drehbuch. Hier gibt es unübersehbare Schwachpunkte in Sachen (innere) Logik und Storyentwicklung. Halb so schlimm, da Bel Powley, Kamera und Musik uns eine mitreißende Show abliefern, bei der man bis zum schönen Ende dran bleibt. Ein kleiner, aber durchaus sympathischer Film, der auf unaufdringliche Art (feminine) Pubertätsproblematik mit Fantasy-Horror anreichert – ohne dabei allzu gruselig oder brutal zu werden.
In diesem Sinne: Seid nett zu kleinen Kindern und wilden Tieren. Und bleibt seltsam!
Wildling
OT: Wildling, USA, 2018, Regie: Fritz Böhm, Drehbuch: Fritz Böhm, Florian Eder, Mit: Bel Powley, Brad Dourif, Liv Tyler, u.a.
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