Buntspecht-(c)-Mona-Steinmetzer

Buntspecht – Draußen im Kopf

9
Pop

Das zweite Album ist immer das Schwerste. Alle Augen sind erwartungsvoll auf einen gerichtet, man muss in die eigenen Fußstapfen treten und sich im besten Fall selbst übertreffen. Es wird ein ebenso hohes Maß an Weiterentwicklung, wie Widererkennungswert erwartet. Lange wurde schon gemunkelt, dass sie das nächste „Big Thing“ der österreichischen Musikszene werden. Jetzt ist es endlich da: Das zweite Album der Wiener Band Buntspecht, ihre alles entscheidende Bewährungsprobe.

Schrille Klänge leiten den zweiten Tonträger ein. Ein gewagtes Intro für eine Band, die gerade auf dem Prüfstand steht. Mit Parallel beweisen die sechs Jungs Risikobereitschaft, die um im harten Musikbusiness zu bestehen unabdinglich geworden ist. Ähnlich risky wie der Opener war, ist auch die erste Single Trümmerträumer, deren Markenzeichen die schiefen, unmelodischen Klänge sind, die bei weitem nicht so leicht ins Ohr gehen, wie die Songs die man bereits kennt. Dass da Einiges drinnen steckt, wird von Anfang an klar. Buntspecht müssen keinem Mainstream entsprechen, um bei der breiten Masse anzukommen. Ihre Musik, die sich in kein vorhandenes Genre einordnen lässt, berührt unglaublich. Die Durchdachtheit des Albums, die durchaus kopflastig wirkt, wird durch viel Gefühl wunderbar ausgeglichen. Ob jugendliche Konzertbesucher, Mitte Vierziger oder Rentner – die Band hat Fans in allen Generationen und Sparten. Sie sind der lebende Beweis dafür, dass man keinen konventionellen Vorstellungen von moderner Musik entsprechen muss, um Erfolg zu haben.

Bei Wir oder Kind erkennt man sofort den typischen, tanzbar-schnellen Buntspecht Sound, diesmal jedoch gepaart mit einer neuen Innovation: Wer die Band schon mal live erlebt hat weiß, dass Lukas Klein mit seiner rauchig-heiseren Stimme nicht ihr einziges Gesangstalent ist. Erstmals übernimmt auch „der mit dem verrückten Kinder-Instrument“-Florentin Scheicher (Melodica) einige Gesangs-, Sprech- und Schreiparts, die sich unglaublich gut machen und eine spannende, konversationsartige Atmosphäre schaffen. Dies fällt vor allem bei Tracks, die den Buntspecht-Fans der ersten Stunde nicht unbekannt sind, massiv ins Gewicht: Der Wachmaschinentango beispielsweise, der vor allem im Instrumentalpart durch Roman Geßlers Saxophon-Künste beeindruckt. Ein weiterer all-time Favorit, den es nun endlich auf Platte gibt, ist Guter Tag, ein wunderschönes Liebeslied, das sich vor allem zum Mitsingen wunderbar eignet. Es war noch nie so schön, Emotionen einfach rauszutanzen, wie zur Musik von den Buntspechts. Dass die sechs jungen Musiker absolute Meister ihres Handwerks sind, beweisen sie Track um Track aufs Neue. Ob durch schnelle Chello-Melodien, eine treffsichere Bass-Line, flotte Schlagzeug-Rhythmen oder melodiöse Bläserklänge – die Jungs beeindrucken kontinuierlich mit abwechslungsreich-innovativer Instrumentierung.

Eines der absoluten Highlights und der wahrscheinlich größte Ausreißer ist die zweite Single des Albums. Vor allem textlich überzeugt die Ballade Unter den Masken enorm. Mit der Kombination aus Zeilen wie „Denn du bist verrückt genug, um dich in dieser Welt zu verlieben. Aber die Welt ist viel verrückter als du und fast wär etwas von uns geblieben“ und aufblühenden Bläsern, die in herzzerreißendem Schwermut explodieren, hat die Band das Gefühl der Melancholie musikalisch revolutioniert. Auch wenn es nach dem Debütalbum Großteils Kleinigkeiten schwierig schien, haben die Texte einiges an Tiefe und Metaphernreichtum dazugewonnen. Manchmal erzählt Sänger Lukas sehr detailgenaue Geschichten in bildhafter Sprache: Der Mann von Nebenan oder auch Der Bua sind die Tracks auf Draußen im Kopf, die vor allem eines tun: Bilder im Kopf entstehen lassen. Manchmal ist die Bedeutung der Texte umso schwerer zu erahnen: Rotweinmund oder Schlaf lassen viel Interpretationsspielraum offen. Nabelschnur ist der Abschluss des Albums, der all die genannten Besonderheiten, Eigenarten, Stimmungen und Musikalitäten auf seltsam stimmige Weise miteinander vereint und einen perfekten Abschluss für ein mehr als gelungenes Album bildet.

Hört sich so eine Band an, die kurz vor dem großen Durchbruch steht? Wenn man sie auch nicht im geringsten als konventionell bezeichnen kann, so kommen Buntspecht nach und nach im alternativen Mainstream der österreichischen Musiklandschaft an. Frech und melancholisch, ebenso voll von Euphorie wie von Weltschmerz haben sie sich musikalisch nicht nur weiterentwickelt, sondern konnten ihre Sympathie und Bodenständigkeit trotz des zunehmenden Erfolgs beibehalten. Draußen im Kopf ist ein modernes Kunstwerk, das die Charts und Herzen der Fans im Sturm erobern wird.

Buntspecht – Draußen im Kopf, Phat Penguin Records, www.phatpenguin.at




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