Solo: A Star Wars Story
Die Vorgeschichte des wohl verwegensten Schmugglers der Galaxis stand aufgrund ihrer turbulenten Produktion unter keinem guten Stern und sorgt schlussendlich für die endgültige Entmystifizierung einer Ikone.
In Zeiten der repressiven Herrschaft durch das galaktische Imperium schlägt sich der junge Han (Alden Ehrenreich) auf dem Planeten Corellia als Teil eines Verbrechersyndikats durchs Leben. Allerdings träumt er insgeheim davon, der anhaltenden Perspektivlosigkeit zu entfliehen und zusammen mit seiner Freundin Qu’ira (Emilia Clarke) die fernen Welten als Pilot zu bereisen. Unglückliche Umstände machen die Pläne zunichte und so findet sich Han kurzerhand im dreckigen Infanteriekrieg auf der Seite des Imperiums wieder. Dort trifft er schließlich auf den raubeinigen Tobias Beckett (Woody Harrelson), der das versteckte Potenzial des Draufgängers erkennt und ihn für einen waghalsigen Coup rekrutiert.
Bereits die Ankündigung des Projekts sorgte aufgrund seiner Sinnhaftigkeit für eine gewisse Skepsis, welche nach der Entlassung der beiden ursprünglichen Regisseure Phil Lord und Chris Miller kurz vor Ende der Dreharbeiten in ein regelrechtes Chaos umschlug. Mit Ron Howard wurde im Anschluss ein wahrer Routinier seines Fachs installiert, der im Star Wars-Universum kein Unbekannter ist. So wurde ihm bereits der Regieposten für Episode I angeboten, den er damals aber noch ablehnte. Da Lucasfilm mit den angeblichen Drehbuchabweichungen von Lord und Miller nicht zufrieden war, ließ man im Zuge des Engagements von Howard ganze 80 Prozent des Materials neu drehen. Da grenzt es fast schon an ein Wunder, dass das Werk fristgerecht in den heimischen Kinos anlaufen konnte. Dem fertigen Film merkt man die Beteiligung mehrerer Köche nämlich überhaupt nicht an.
Laut Drehbuchautor Lawrence Kasdan konnte er sich mit Hilfe seines Sohnes Jonathan endlich einen Traum erfüllen und dem persönlichen Lieblingscharakter jene Geschichte spendieren, die seit vielen Jahren in ihm schlummerte. Beim Betrachten des Endprodukts scheint es hingegen unvorstellbar, dass dieser Mann einst Klassiker wie Das Imperium schlägt zurück niederschrieb. Das Werk hechelt zu Beginn von Actionsequenz zu Actionsequenz und betreibt eine Art von Fanservice, die nicht uninspirierter sein könnte. Dabei werden alle bekannten Markenzeichen der Figur Han Solo listenartig abgefrühstückt, wobei die Herkunft seines Namens an kreativer Faulheit nicht zu überbieten ist. Die erste Begegnung zwischen Han und seinem pelzigen Begleiter Chewbacca gehört jedoch zu den wenigen Höhepunkten der Handlung. Ist der Ballast der typischen Charakterzüge erst einmal abgelegt, kommt die Geschichte endlich in Fahrt und entwickelt sich zu solidem Popcornkino. Das bisher noch recht unverbrauchte Setting von dunklen Schmugglerspelunken und zwielichtigen Syndikaten versprüht wieder den Zauber der alten Trilogie und macht aus dem zweiten Anthologiefilm dank einer mitreißend inszenierten Zugsequenz und klassischen Mexican Standoff-Momenten einen echten Space-Western. Neben der gewohnt hochwertig produzierten Tricktechnik von Industrial Light & Magic hat John Powell in Zusammenarbeit mit Großmeister John Williams einen Score geschaffen, der sich passend in das bisherige Klangspektrum der Reihe einfügt.
Der Cast ist mit zahlreichen Hochkarätern Hollywoods bestückt, die fast allesamt zufriedenstellende Leistungen zeigen. Während Woody Harrelson ohnehin mit seiner einnehmenden Ausstrahlung überzeugt, lässt Donald Glover in der Rolle des jungen Lando Calrissian ebenfalls sein Charisma aufblitzen. Der Finne Joonas Soutamo schlüpft außerdem zum bereits zweiten Mal in die Rolle Chewbacca und verleiht dem Wookie eine jugendliche Wildheit, die stimmig ist. Paul Bettany scheint mit seinem Part als Gangsterboss zwar seinen Spaß zu haben, wird allerdings sehr sparsam eingesetzt. Emilia Clarke ist mit ihrem bezaubernden Lächeln wie immer ein süßer Anblick, verfügt aber leider nicht über ausreichend schauspielerisches Talent, um der Figur Qu‘ira mehrere Facetten zu entlocken. Thandie Newton, die in der Serie Westworld ihr Können schon mehrmals beweisen durfte, wird hier genauso verschwendet wie Jon Favreau, der in die Haut eines Weltraumaffen schlüpft.
Der Droide L3, welcher von Phoebe Waller-Bridge verkörpert wird, sorgt zusätzlich für die anstrengendsten Passagen des gesamten Films und auch die Rückkehr einer gewissen Figur gegen Ende ist zwar für Kenner des Expanded Universe eine nette Dreingabe, wertet die Handlung aber nicht weiter auf. Eine Erzählung steht und fällt natürlich letztendlich mit ihrer Titelfigur und der Antwort auf die Frage, ob Hauptdarsteller Alden Ehrenreich die immensen Fußstapfen eines Harrison Ford ausfüllen kann. Sein Schauspiel orientiert sich, wenig überraschend, an jenem von Ford und bietet in dieser Hinsicht keinerlei Überraschungen. Fords Charisma kann man eben nicht kopieren und so erinnert Ehrenreichs Grinsen nur entfernt an jenen Han, den man in der Original-Trilogie lieben gelernt hat.
Das zweite Spin-off der Sternensaga steht sinnbildlich für die kreative Bankrotterklärung der Marke „Star Wars“. Ein uninspiriertes Drehbuch oder die undankbare Aufgabe des Hauptdarstellers werden allerdings durch teils gut gespielte Nebencharaktere und die routinierte Regie von Ron Howard aufgewogen. Ob das gewagte Einbinden des Expanded Universe noch Früchte tragen wird, muss die Zeit zeigen.
Regie: Ron Howard, Drehbuch: Jonathan Kasdan, Lawrence Kasdan, Darsteller: Alden Ehrenreich, Joonas Suotamo, Woody Harrelson, Emilia Clarke, Donald Glover, Thandie Newton, Filmlänge: 135 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 27.09.2018