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Babamin Sesi – Die Stimme meines Vaters

7
Drama

Babamin Sesi eröffnet am 7. Dezember 2012 die VII. Kurdischen Filmtage in Wien im Urania Kino, ein Film über eine kurdische Familie in der Türkei, die ihre Vergangenheit aufarbeitet um die Gegenwart zu verstehen…

Im Zentrum der Geschichte steht Base, eine alte Frau und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, die langsam und einsam ihren Alltag beschreitet. Ihr wichtigster Ansprechpartner ist das Telefon, das täglich läutet, aber niemand meldet sich am Ende der Leitung. „Hasan“, ruft Base aufgeregt und erklärt kurz ein kurdisches Wort bevor das Freizeichen in der Leitung ertönt. Hasan ist Bases Sohn, der als kurdischer Kämpfer im Untergrund verschwunden ist. Voll bitterer Sehnsucht wartet sie Tag für Tag, dass er nach Hause kommt, bei jedem Geräusch ruft sie seinen Namen. Mehmet ist Bases zweiter Sohn, den Fragen über die familiäre Vergangenheit quälen und er beschließt seine Mutter mit diesen Fragen zu konfrontieren. Anfangs möchte sie nicht darüber sprechen, doch nach und nach erzählt sie die Geschichte. Mehmet findet Tonbänder, die seine Mutter, eine Analphabetin, für ihren Mann besprochen hatte um Kontakt zu halten, da er, wie später auch sein Sohn, das Land verlassen hatte müssen und untertauchte.

Nach und nach versteht man Bases Verbitterung anhand der Dinge, die sie jahrelang verdrängt hatte und von denen sie nun spricht beziehungsweise was die Tonbänder verraten. Babamin Sesi verweigert sich der konventionellen Erzählform: Es sind keine Bilder, die den Film erzählen, sondern Tonbänder, die die Figuren als Kommunikationsmittel verwendeten, da sie weder Lesen noch Schreiben konnten. Anhand dieser aufgenommenen Gesprächen erzählt der Film langsam und behutsam die Geschichte einer kurdischen Familie. Base, die Frau, die die Familie jahrelang zusammen- und aufrecht erhalten hatte – sie zog ihre Kinder alleine auf, versorgte die Schwiegereltern und kümmerte sich um das Haus – steht für eine Reihe von Frauen, deren Männer im Krieg, um die Freiheit einer unterdrückten Minderheit, im Untergrund verschwunden sind.

Relativ schnell wird klar, dass Babamin Sesi nicht bloß eine Familiengeschichte erzählt, sondern ein Politikum darstellt. „Ich will nicht Kurdisch sprechen. Bring den Kindern Türkisch bei.“, hört man die Stimme des verstorbenen Familienvaters vom Tonband sprechen. Der Film siedelt sich an der Grenze von Dokumentation und Fiktion an: Die Charaktere spielen sich selbst, Base und Mehmet sind auch in Wirklichkeit Mutter und Sohn, und in der Geschichte sind ebenso persönliche Schicksale verarbeitet – am Ende jedoch ist diese bestimmte Familiengeschichte Fiktion. Durch die Tonbandaufnahmen bekommt der Zuschauer, wenn auch nur sehr fragmentarisch, die Situation der Kurden in der Türkei erzählt. Kurdisch war bis vor einigen Jahren eine verbotene Sprache, es gab keine Schulen, keine Zeitungen oder Radiosender in dieser Sprache. Da Base Analphabetin ist, kann sie mit dieser Situation naturgemäß noch schlechter umgehen.

 

Babamin Sesi ist ein schwieriger, bedrückender Film, der auf jeden Fall neugierig macht und dazu anregt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Er hat durch die Übersetzung der Untertitel sicherlich viel verloren, da der unkundige Zuschauer zwischen kurdisch und türkisch schwer unterscheiden kann, trotzdem wird das Dilemma der „sprachlosen“ Base, deren Muttersprache verboten war, die weder lesen noch schreiben konnte und trotzdem ihre Kinder alleine aufzog, klar. Ihrem Sohn Mehmet geht es in der Aufarbeitung der Vergangenheit darum, seine Identität zu klären, seine Herkunft und seine Eltern kennen zu lernen, um sich selbst zu finden. Babamin Sesi ist der Eröffnungsfilm der Kurdischen Filmtage in Wien, die an vier Tagen im Urania und im Artis Kino Filme einer neuen, selbstbewussten Generation von kurdischen FilmemacherInnen zeigen werden. Themen wie Flucht, Identität, Religion oder (überholte) Traditionen werden kontrovers beleuchtet. Nach den Screenings werden RegisseurInnen oder SchaupielerInnen anwesend sein und sich den Fragen des Publikums in Podiumsdiskussionen zu stellen.

Regie: Orhan Eskiköy, Zeynel Dogan, Drehbuch: Orhan Eskiköy, Darsteller: Base Dogan, Zeynel Dogan, Gülizar Dogan, Laufzeit: 88 Minuten, gezeigt im Rahmen der kurdischen Filmtage




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