Fun
Bela B Felsenheimer, der Künstlername des Drummers und (einem der) Sänger bei Die Ärzte, veröffentlicht mit Fun seinen zweiten Roman nach Scharnow (2019, Heyne). Viel war im Vorfeld nicht über den Inhalt zu erfahren. Gut so. Dieser Spaß ist gelungen – auch wenn er nicht besonders lustig ist.
Is everybody still having fun?
Die fiktive Band nbl/nbl (ausgesprochen: Nabel, Nabel) ist eine eingeschworene Männergemeinde. Eine gut geölte Geldmaschinerie, an der eine Menge Leute mitarbeiten. Das Bad-Boy-Image der Sex, Drugs & Rock’n’Roll-Wüstlinge wird von den Mitgliedern gerne gepflegt. Dabei kommt es Backstage nach den Live-Shows auch immer wieder zu unschönen Zwischenfällen, mit neugierigen Groupies, deren Naivität eiskalt ausgenützt wird. Seit drei Jahrzehnten eine gut gelebte Praxis der Gruppe. Doch die Zeit hat sich geändert und die Missbrauchsvorwürfe häufen sich. Das innere Bandgefüge gerät ins Wanken.
Männer sind Schweine
Der Plot dieser Geschichte klingt etwas vertraut. Fast schon, wie aus dem Leben gegriffen. Hat aber laut Verlag und Bela B rein gar nichts mit Rammstein zu tun (Zwinker, Zwinker). Der Autor zeichnet ein erschütterndes und erschreckend reales (Un-)Sittenbild einer überholten Lebensweise impliziter toxischer Männlichkeit. Bela B spart nicht mit Schockmomenten und verstörend direkter Sprache. Fun ist das genaue Gegenteil seines Titelversprechens. Und das ist gut so.
Der Gitarrist kniet sich vor, rollt den Schein neu und zieht eine Linie. Dann sieht er sie herausfordernd an.
„Und jetzt du.“
Sie zögert. Es geht ihr alles ein bisschen schnell.
„Und jetzt du.“
Sie zögert. Es geht ihr alles ein bisschen schnell.
Es ist eine regelrechte Katharsis, dass sich Bela B literarisch an diesem Thema abarbeitet, während sein Bandkollege Farin Urlaub erst kürzlich Negativschlagzeilen kassierte, weil er eine Single-Kollaboration mit dem Rammstein-Keyboarder Flake einging. Eben jenem Flake, dem neben Sänger Till Lindemann die gröbsten Vergehen im Umgang mit Fans vorgeworfen werden. Felsenheimer zeigt wie man sich cool und würdevoll als älterer weißer Mann von dieser Vorgehensweise distanzieren kann. Dass er dabei den (fiktiven) Bandmitgliedern auch noch zugesteht, mehr als nur schwarzweiß Figuren mit Täterhintergrund zu sein, zeichnet Fun nochmal extra aus.
Fun liest sich flüssig und spannend. Man merkt die Einflüsse britischer Zeitgeist-Literatur von Irvine Welsh (Trainspotting) bis John Niven (Kill Your Friends). Auch ein Matias Faldbakken (The Cocka Hola Company) blinzelt immer wieder um die Ecke. Große Vorbilder also, mit denen Bela B Felsenheimer – und das ist durchaus die größte Überraschung des Romans – souverän mithalten kann.
Es hätte vielleicht Autoren gegeben, die das Thema mit einer feineren Klinge oder einer gewählteren Sprache hätten bearbeiten können. Aber dann wäre es vermutlich niemals so authentisch rübergekommen. Fun ist ein überraschend gelungenes kleines Meisterwerk, das hoffentlich seinen Zweck nicht verfehlt.
Fun von Bela B Felsenheimer, 368 Seiten, erschienen im Heyne Verlag.