William
In William lernen wir das dysfunktionale Paar Henry und Lily kennen. Er ist ein genialer Ingenieur, der unter Agoraphobie leidet und nie das Haus verlässt. Sie hat sich inzwischen in die Arme ihres Kollegen Davis geflüchtet und erwartet ein Kind von ihm – was Henry noch nicht weiß. Als Davis zusammen mit einer weiteren Kollegin zu Besuch ins Haus kommt, wird es heikel. Henry zeigt den Gästen seine neueste Schaffung. William ist eine erstaunlich menschliche KI, die es geschafft hat sich selbst stetig weiterzuentwickeln. Und William geht recht bald auf die Gäste los.
Er würde sie gern fragen, was sie an ihm am attraktivsten fand, bevor sie verheiratet waren. Aber er hat Angst, dass ihre Antwort lautet, sie habe es vergessen.
William ist ein KI-Thriller von Mason Coile. Das wiederum ist das Pseudonym des kanadischen Schriftstellers Andrew Pyper. Eigentlich eine witzige Idee, diesen Roman unter Pseudonym zu veröffentlichen, ist William doch auch ein Verwirrspiel um Identitäten. Der Heyne Verlag lässt William am Cover gar zu einem W1ll1am zu werden, und generiert damit eine Nähe zum Ki-Puppenthriller-Film M3gan. Die dann aber letztlich gar nicht so sehr vorhanden ist. Überhaupt ist der Roman weit weniger unheimlich, als es die Aufmachung suggeriert.
Auch der Klappentext-Vergleich mit Frankenstein trifft nur bedingt zu. Anleihen davon finden sich zwar auf jeden Fall, doch der Großteil des Romans erinnert in seiner Kammerspielartigkeit fast mehr an das Home-Invasion-Genre – unterfüttert mit jeder Menge Beziehungsdramatik.
Ihr wird klar, dass es zu spät ist. Sie hat nicht schnell genug gedacht und jetzt ist es vorbei. Sie streckt sich aus und legt die Arme über ihren Bauch. Sie spürt ihr Baby, wie es warnend tritt.
William hinterlässt einen gemischten Eindruck. Stilistisch durchaus eigenständig, gelingt dem Autor ein spannender, auf Zug geschriebener Roman. Allerdings gibt es zu viele Lücken und Erklärungsbedarf zwischendurch, als dass man die Geschichte widerspruchslos genießen könnte. Und kurz bevor man dazu neigt zu glauben, dass das hier letztlich nur eine sehr dünne Suppe ist, die serviert wird, knallt eine völlig überraschende und gelungene Schlusspointe hinein. Die erklärt dann auch so einiges, was vorher unklar blieb.
Dadurch könnte man William wiederum vorwerfen ein One-Trick-Pony zu sein. Sehr effektiv, aber halt auch nicht viel mehr als ein Überraschungsgimmick – der aber zugegebenermaßen eben sehr gut funktioniert. Das Ende ist jedenfalls wirklich gelungen und lohnt eigentlich schon allein die Lektüre. Weder besonders gruselig, noch brutal, ist William ein softer aber spannender Thriller für die kalte Jahreszeit.
William von Mason Coile, 304 Seiten, erschienen im Heyne Verlag.