Der Groomer
Groomer bezeichnet in der Internetsprache einen erwachsenen Mann, der Kontakt zu Minderjährigen sucht, mit sexuellen Absichten. Und um genau so einen (oder gleich mehrerer solcher) geht es in Jon Athans beinhartem Racheroman Der Groomer. Der ist wahrlich nichts für schwache Nerven – die Reihe Festa Extrem legt dies allerdings bereits nahe. Die Bücher dieser Sparte erscheinen nicht im Buchhandel und können mit einer Altersempfehlung ab 18 Jahren auf der Verlagsseite direkt bestellt werden.
Darum geht’s in Der Groomer: Andrew McCarthy, ein Durchschnittsmann mit einer Durchschnittsfamilie in einer Durchschnittsstadt in den USA, erwischt einen jungen Mann der Fotos am Spielplatz u.a. von seiner Tochter macht. Er stellt den Mann zur Rede, doch der windet sich raus. Danach begegnet er dem Mann immer wieder, es scheint er stalkt Andrews Familie. Und plötzlich verschwindet seine Tochter Grace. Die Polizei tappt im Dunkeln. Andrew McCarthy besorgt sich eine Liste aller registrierten pädophilen Straftäter aus der Umgebung und geht auf gnadenlosen Rachefeldzug.
Sein Schrei prallte von den Wänden ab und wanderte die Treppe am anderen Ende des Raumes hinauf. An einer schweren Tür am oberen Ende der Treppe verhallte er. Leise klassische Musik und ein lautes, unerträgliches Summen waren von der anderen Seite der Tür zu hören. Aber niemand kam zu seiner Rettung.
Extrem-Horror. Diese Gattung der Literatur ist schon eine besonders finstere Nische, bei der man besser weiß, worauf man sich einlässt. Ich persönlich war nach Erstkontakt vorläufig mal positiv interessiert. Passiert einem ja nicht so oft beim lesen „normaler“ Literatur, dass sich mal eben der Magen aushebt. Kurz gesagt: Extrem-Horror ist Literatur, deren Auswirkungen man unmittelbar am eigenen Körper spürt – Ekel, Abscheu, Fassungslosigkeit. Doch nach zwei, drei Büchern erkennt man schnell wie hohl und limitiert das Genre in seinen Möglichkeiten dann schließlich doch ist. Alle zwei Jahre mal juckts mich dann aber doch und ich lese wieder in einen solchen Roman rein. Nur um sehr bald festzustellen – nope, meine Sache ist das immer noch nicht.
Jon Athan ist dabei durchaus einer der begabteren Extrem-Autoren. Er ist ein guter Stilist und seine große Stärke liegt definitiv im Spannungsaufbau. Quasi von Seite 1 etabliert er ein Setting, dessen unheilschwangerer Atmosphäre man sich kaum entziehen kann. Und wäre da nicht der ganze Pfui Bäh – Der Groomer wäre wirklich ein außerordentlich fesselnder Spannungsroman. Aber nein, Der Groomer ergeht sich nach kurzem bereits wieder in seitenlanger Beschreibung unmenschlicher Folterungen. Dass diese auch noch (im ersten Drittel des Romans) an Kindern (en Detail geschildert) vollzogen werden, macht die ganze Sache umso zwiespältiger. Und bei all den Scheußlichkeiten bleiben dann leider tiefere Charakterisierungen und psychologische Raffinesse vollkommen auf der Strecke.
Klar, Kindesmissbrauch ist ein Thema, das hoch emotionalisiert. Daher sollte man es aber vielleicht auch einfach empathischeren Autoren überlassen. Wenn ich so ein derangiertes Zeug zu Papier bringen würde, wie Jon Athan, würde ich mich wahrscheinlich auch hinter so einem dämlichen Pseudonym verstecken. Eine echte Empfehlung fällt daher wirklich schwer. Wem das Genre jedoch gefällt – zumindest literarisch gesehen gehört Jon Athan sicher zu den anspruchsvolleren Extrem-Autoren. Different strokes for different folks. Lesen und lesen lassen. Ich bin dann vielleicht in zwei Jahren mal wieder dabei.
Der Groomer von Jon Athan, 384 Seiten, erschienen im Festa Verlag.