Pokémon Karmesin und Purpur
Alle Jahre wieder steht ein neuer Pokemon-Titel im Regal. Mittlerweile mit einer so perfiden Regelmäßigkeit, dass man sich oft fragt, wann der Zeitpunkt für den richtigen Einstieg gekommen ist. Die neunte Generation, die mit dem aktuellen Release von Pokemon Karmesin und Purpur angebrochen ist, lässt da viele Spieler näher hinblicken. Was hat sich also aktuell getan?
Das Grundgerüst bleibt wie eh und je dasselbe: Pokemon ist ein seichtes RPG, in dem man mittlerweile bis zu 1000 verschiedene Kreaturen fängt und gegeneinander in Kämpfe schickt. Wenn das Spiel auch hier und da mit neuen Ideen liebäugelt, wie dem Versuch Echtzeitkämpfe in das Spielgeschehen einzuknüpfen, so bleibt das Hauptaugenmerk auf dem Bewährten.
Die Story von Pokemon Karmesin und Purpur hält sich zudem im Hintergrund, was auch ganz passend erscheint. Sind Schul-Internat-Settings ohnehin schon ziemlich abgegrast, steht es dem Spieler frei, diese Komponente praktisch komplett zu ignorieren. Charaktere sind mit liebevollen Details ausgestattet und die breit gestreuten Cutscenes sind nicht allzu aufdringlich, sodass eine liebevolle Kulisse entsteht, die dem Hauptgeschehen nicht im Weg steht.
Die wirklich große Neuerung ist da die offene Welt, die man nun endlich völlig frei und ohne Zwänge abgrasen kann. Viel Wirbel entstand um die visuellen Probleme, welche die Spiele-Engine dabei aufweist. Tatsache ist aber: Das Spiel ist auf jeden Fall auf ein Handheld-Erlebnis optimiert. Auf dem Switch-Handheld-Screen funktioniert das Meiste eigentlich ausgezeichnet.
Auf dem großen Fernseher dagegen gibt es schon mal merklich störende Framerate-Probleme, Pop-Ins und Bugs zu bemängeln. Aber Schlamperei kann man den Entwicklern nicht unbedingt vorwerfen, wenn man das Ganze damit aufwiegt, dass sich teilweise dutzende Pokemon unterschiedlichster Gattungen zugleich über den Bildschirm tummeln. Das Sammeln von Pokemon ist den Entwicklern sichtlich wichtiger gewesen als das Darstellen von Postkarten-Landschaften – ein fairer Zug.
Gemütlich ist auch der Umstand dass man, je nach Version unterschiedlich gestylt, auf einem Motorrad-Pokemon durch die Umgebungen streift. Fortschritt misst sich an den Fähigkeiten, die beim Erkunden zur Verfügung stehen und so entwickelt sich auch recht organisch ein Muster, dem zufolge man die Welt erkunden kann.
Ist das RPG-System weiterhin stur unangetastet und bietet eigentlich wenig Herausforderung, liegt der Fokus eines modernen Pokemon-Spiels ganz klar am Sammeln. Die natürliche Weise, mit der das Auge durch die Wiesen streift, um ein unbekanntes Wesen auszumachen und in einen kleinen Ball zu stopfen, wird nicht so schnell langweilig und es sind die unzähligen Besonderheiten, die es zum vervollständigen des Pokedex zu beachten gilt, die der Serie auch heute noch ihren Charme verleihen.
Eine wichtige Neuerung gibt es allerdings noch, die eigentlich viel zu wenig Beachtung erhält: Das Spiel bietet nämlich einen nahtlosen Multiplayer-Modus, der es Spielern erlaubt, das gesamte Geschehen problemlos gemeinsam zu erleben. Jeder Spieler verfolgt dabei alleine seinen Fortschritt, aber die Welt wird geteilt. So finden sich die alle Versions-spezifischen Pokemon auf der gemeinsamen Karte, wenn ein Spieler mal eine Cutscene hat springt der andere weiterhin unbehelligt durch die Umgebung. Der Multiplayer-Modus hat dadurch eine gehörige Portion Respekt verdient und macht aus dem Titel eine ganz große Empfehlung für Runden von Freunden oder Familien, die mal gerne was zusammen spielen.
In vielen Aspekten gelingt es Pokemon Karmesin und Purpur also sich trotz aller Kritik zu behaupten. Hätte der Titel noch ein wenig mehr Zeit in der Entwicklung verbracht, wären sicher auch die meisten Makel auszubügeln gewesen. Aber auch so bietet der Titel eine gute Gelegenheit, mal wieder in die Pokemon-Welt reinzuschauen und Neues zu entdecken.
Plattform: Switch (Version getestet), Altersfreigabe (PEGI): 7, Spieler: 1, 2-4 (lokal) 1-4 (online), Release: 18.11.2022, Link zur Homepage