Chartwell Manor
Ende der 1960er Jahre: Der unangepasste Glenn wird mit 13 Jahren von seinen Eltern auf das vorgeblich elitäre Buben-Internat Chartwell Manor geschickt. Der Schulleiter Lynch, der sich von allen nur Sir nennen lässt, fährt hier ein brutales und rückschrittliches Regiment. Körperliche Züchtigungen stehen an der Tagesordnung. Und die Grenze zum sexuellen Missbrauch wird immer öfter übertreten. Zwei Jahre wird Glenn hier verbringen. Zwei Jahre, die ihn und alle anderen Knaben von Chartwell Manor für immer prägen werden.
Der Underground-Zeichner und Autor Glenn Head präsentiert mit Chartwell Manor ein höchst persönliches Comic-Memoir. Während die schrecklichen Erlebnisse im Internat nur circa ein Drittel der Graphic Novel ausmachen, geht es danach vor allem um die weitreichenden Folgen, die die Züchtigungen und der Missbrauch auf Glenns weiteres Leben haben werden. Nach Alkhol-, Drogen- und Sex-Exzessen ist Glenn nach zwei Jahrzehnten endlich bereit, sich seinen Dämonen zu stellen. Es soll noch weitere zwei Jahrzehnte dauern, bis er seinen autobiografischen Comic fertig stellt.
Chartwell Manor ist das Manifest eines Überlebenden, das trotz aller Härte und Tragik immer auf der Seite des Lebens bleibt. Die große Stärke dieser Erzählung liegt darin, wie sichtbar sie alles rund um das Thema macht: Nicht nur die Folgen auf das eigene Leben von Missbrauchsopfern. Sondern auch das Handeln bzw. Nicht-Handeln des Umfelds. Das Wegsehen und Augen verschließen, welches diese Art von systematischem Missbrauch überhaupt erst möglich macht. Glenn Heads starke Tusche-Zeichnungen sind eindeutig von Underground-Künstlern wie Robert Crumb oder Charles Burns inspiriert. Chartwell Manor ist eine spannende Lektüre, die trotz ihres schwer verdaulichen Themas stets den richtigen Ton bewahrt und einfach mitreißend ist.
Chartwell Manor von Glenn Head, 248 Seiten, erschienen im Carlsen Verlag.