Bliss
Liebe Freunde des unbekannten Films, willkommen zurück bei Wonne aus der Tonne. Es gibt sie ja wirklich: Filme die handwerklich, formal wie inhaltlich, derart überzeugend sind, dass man wirklich nur verwundert den Kopf schütteln kann, warum die Welt so wenig Notiz bisher von ihnen genommen hat. Doch das ist schließlich eine der Hauptaufgaben dieser Kolumne – eine Plattform dafür zu schaffen, dass sich eben das (zumindest ein klein wenig) ändert. In diesem Sinne: Willkommen zu Bliss …
Dezzy (Dora Madison) ist eine latent kaputte Malerin, die in Los Angeles lebt und arbeitet. Am liebsten vertreibt sie sich ihre Zeit mit Drogen- und Sexexzessen. Als sie in Berührung mit der neuen Droge Bliss kommt, verliert sie zunehmend die Bodenhaftung in Richtung Realität. Immer mehr Aussetzer und Erinnerungslücken prägen ihre Tage und Nächte. Und dann erwacht auch noch ein ungeahnter Hunger in ihr.
Bliss von Autor und Regisseur Joe Begos ist mehr Trip als Film. Am besten lässt sich der Streifen irgendwo zwischen The Addiction von Abel Ferrara und Requiem for a Dream von Darren Aronofsky einordnen. Hauptdarstellerin Dora Madison sieht aus wie die Zwillingsschwester von Florence Pugh und gibt hier eine äußerst mutige Performance ab. Mit vollem Körpereinsatz wirft sie sich in das blutige Geschehen, und kriegt dabei oft nur haarknapp die Kurve zum Overacting. Joe Begos liefert mit seiner Regie dazu hypnotisierende Bilder und Soundtrack, die einem lange im Gedächtnis bleiben. Bliss ist ein brutaler Rohdiamant, der sich immer mehr wie ein Fiebertraum anfühlt.
Zunächst ein mysteriöser Kunstthriller, wird der Regler ab der Mitte auf derbsten Splatter gedreht. Flackerndes Licht, Hysterie in Ton und Bild, wackelige Kamera – all das ist mitunter auch recht anstrengend anzusehen. Dennoch ist Bliss vor allem ein formal höchst perfekter Ausnahmefilm. Aufgrund seiner Extreme – in alle Richtungen – ist der Streifen nicht unbedingt das, was man als Feel-Good-Programm bezeichnen würde. Und sicher auch nicht für Jeden geeignet. Für magenfeste Personen bietet Bliss allerdings ein höchst einzigartiges Seherlebnis, dass sowohl das hartgesottene Arthouse-, als auch das Horrorpublikum abholen dürfte.
Auf verschiedenen Sportveranstaltungen in und um Wien, kann man schon mal aus dem Publikum den leidenschaftlich hinaus gebrüllten Vorschlag, dem Gegner „das Auge auszusaufen“, vernehmen. Die Umsetzung dieser Phrase kann man zudem in Bliss mehrfach eindrucksvoll bestaunen. Wenn das mal kein Kaufargument ist. Die deutsche Synchronisation ist hingegen leider mal wieder besonders missglückt. Daher bitte unbedingt im Original anschauen.
In diesem Sinne: Zieht euch keinen Dreck in die Nase, bleibt aber trotzdem seltsam!
Bliss
OT: Bliss, USA, 2019, Regie und Drehbuch: Joe Begos, Mit: Dora Madison, Tru Collins, Jeremy Gardner, u.a.
… noch mehr Wonne aus der Tonne