Übler-Abschaum-(c)-2006-Jack-Ketchum,-2020-Festa-Verlag(1)

Übler Abschaum

Der verstorbene amerikanische Horrorschriftsteller Jack Ketchum (1946-2018) beschäftigte sich gerne in seinen Werken mit realen Vorbildern der jüngeren (amerikanischen) Kriminalgeschichte. Der Festa Verlag veröffentlicht mit Übler Abschaum eine weitere deutsche Erstveröffentlichung. 2006 erschien diese Novelle unter dem Originaltitel Weed Species in den USA. Es handelt sich somit um ein „Alterswerk“ Jack Ketchums. Allerdings lässt es der Autor in dieser Geschichte keineswegs ruhig oder gar zahm angehen. Im Gegenteil – hier beginnt der Terror von der ersten Seite an.

„Was würdest du empfinden, wenn ich ein Mädchen vergewaltigen wollte?“, fragte er Sherry.
„Alles bestens“, sagte sie. „Lass dich nicht aufhalten.“

Der reale Hintergrund hinter Übler Abschaum geht auf das vergewaltigende und mordende Ehepaar Paul Bernardo und Karla Homolka zurück. Diese wurden in ihrer Heimat Kanada als „Ken-und-Barbie-Killer“ bekannt. Sie waren jung, sahen gut aus und vergewaltigten und ermordeten (zum Teil) ihre Opfer. Zudem nahmen sie ihre Taten auf Video auf. Das ganze geschah Anfang der 90er Jahre. Besonders verstörend ist obendrein die Tatsache, dass sich unter den Opfern auch Karla Homolkas 15 jährige Schwester befand.

Bei Jack Ketchum heißt das Killer-Paar nun Owen Delassandro und Sherry Jefferson. Auch sonst lässt er sich einige kreative Freiheiten offen. Doch gerade in der ersten Hälfte der Novelle hält er sich größtenteils sehr korrekt an den verstörenden Verbrechensverlauf. Erst in der zweiten Hälfte beginnt dann das vollkommene fabulieren, wenn der Autor Sherry Jeffersons weiteren Lebensweg beschreibt. Interessanterweise ist es auch diese zweite Hälfte, die weit weniger überzeugen kann, und am Schluss gar trashige Züge bekommt. Die nüchterne, erste Hälfte hingegen schafft es dem Leser stets den Atem zu rauben – oder anders beschrieben: die Lust aus dem Brustkorb zu drücken. Jack Ketchum schafft es mit seiner klaren präzisen Sprache unglaubliches Unbehagen auszulösen, aufgrund der schier sprachlos machenden Taten der Protagonisten. Kein Wort zu viel, kalt und auf den Punkt gebracht, hat die Geschichte in dieser ersten Hälfte fast schon dokumentarischen Charakter. Am Klappentext erfährt man auch, dass Jack Ketchum die meisten der Dialoge direkt aus den Polizeiprotokollen entnommen hat. Den Titel Übler Abschaum tragen seine Figuren jedenfalls zu Recht.

Es war keine einfache Woche gewesen, gleichzeitig die Hochzeit und die Vergewaltigung zu planen.

Übler Abschaum ist eine aufwühlende Novelle, die schnell verdrückt ist – aber schwer verdaut werden muss. Lange wirken die Protagonisten und ihre abscheulichen Handlungen nach. Ein Wort noch zur Veröffentlichung: Es handelt sich hier um ein kleines, gebundenes Buch mit etwas weniger als 100 Seiten. Die Schriftgröße ist großzügig gedruckt und die Geschichte ist zusätzlich mit einigen Illustrationen von Julia Gerlach versehen. Mit 17 € Kaufpreis handelt es sich bei dem kleinen Büchlein somit definitiv um ein Liebhaberprodukt. Fans von Jack Ketchum und True-Crime-Storys dürfen dennoch bedenkenlos zugreifen!

Übler Abschaum von Jack Ketchum, 96 Seiten, erschienen im Festa Verlag.




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