Der Abgrund des Vergessens
Der große spanische Comic-Künstler Paco Roca hat sich in seinem neuesten Werk mit dem Journalistin Rodrigo Terrasa zusammengetan, um Licht in ein weiteres dunkles Kapitel der Geschichte ihres Landes zu bringen. Es geht um die Erschießung und anschließende Verscharrung etlicher politisch unliebsamer Menschen unter der Franco-Diktatur, die in Massengräbern verweilen. Zum Teil bis heute.
Sechs Fuß unter der Erde
Im September 1940 wird José Celda zusammen mit etlichen weiteren Männern von franquistischen Sicherheitskräften erschossen und in ein Massengrab geworfen. Über siebzig Jahre später kämpft seine inzwischen achtzigjährige Tochter darum, dass die sterblichen Überreste ihres Vaters exhumiert werden, damit sie ihn ordentlich neben ihrer Mutter beerdigen kann.
Es ist auch die Geschichte des Totengräbers Leoncio, der dafür sorgte, dass etliche Witwen erfuhren, wo ihre Männer verscharrt wurden, und der Haarlocken (oder anderes) von jedem Toten aufbewahrte, um den Hinterbliebenen zumindest irgendeine Art Frieden zu schenken.
Don’t you forget about me
Der Abgrund des Vergessens nennen die Autoren zutreffend ihr Werk. Es geht um dunkle Kapitel und das fortweilende Schweigen darüber in der spanischen Politik und Gesellschaft. Um das Kämpfen für eine menschenwürdige Bestattung, den Wert davon, die Unmöglichkeit einen Abschluss zu finden. Das Buch ist im Querformat gedruckt. Wohl nicht zufällig, erinnert die Form nun an einen Sarg.
Ganz schön schwerer Stoff also. Paco Roca steuert mit seinem hellen freundlichen Stil dagegen und sorgt so dafür, dass Der Abgrund des Vergessens ein optisch sehr schönes Buch geworden ist. Inhaltlich bleibt es vor allem bedrückend. Rodrigo Terrasa hat an der Geschichte jahrelang recherchiert und die Hinterbliebenen getroffen. Ohne auf die Tränendrüse zu drücken, schaffen es die Macher eine der traurigsten Graphic Novels zu erschaffen, die ich je in der Hand hielt.
Es ist wirklich schwer trockenes Augenwerk beim Durchblättern, der eindringlichen Geschichte zu bewahren. Sollten wir aber auch besser nicht. Es ist notwendig hinzusehen. Auch wenn es einem der Schleier im Auge manchmal schwer macht. Ganz wichtiges Buch, keine Frage.
Der Abgrund des Vergessens von Paco Roca und Rodrigo Terrasa, 296 Seiten, erschienen bei Reprodukt.




