Im Süden
James Lee Burke, der unangefochtene Meister des Südstaaten-Thrillers wird auch im fortgeschrittenen Alter nicht müde, die Abgründe und Geschichte seiner Gesellschaft zu erforschen. Im Süden ist eine glutheiße Milieustudie in Zeiten des amerikanischen Bürgerkriegs, bei der es einem kalt über die Schulter läuft.
Krieg ohne Gewinner
Louisiana im Herbst 1863. Die Unionsarmee hat weite Teile des Mississippi-Delta besetzt. Die schwarze Sklavin Hannah wird bezichtigt, einen brutalen Mord an einem Plantagenbesitzer verübt zu haben. Die abolitionistische Lehrerin Florence hilft ihr beim Ausbruch aus dem Gefängnis. Zusammen wagen die beiden Frauen die Flucht durch die Bayous. Dabei ist ihnen nicht nur das Gesetz auf den Fersen – auch selbsternannte Sklavenjäger und andere unangenehme Gestalten kreuzen ihren Weg.
Ein Panoptikum der Abscheulichkeiten
Bei der Veröffentlichung von Im Süden in den USA 2023, war James Lee Burke 87 Jahre alt. Von Altersmilde sind seine Texte heute weiter entfernt als je zuvor. Schockierend und direkt schildert er die Ereignisse, in diesem actionbetonten Historiendrama. Er setzt auf eine Handvoll Ich-Erzähler, die Kapitelweise ihre Sicht der Handlung transportieren. Dabei kann es durchaus zu Widersprüchen in den Betrachtungen kommen.
Es gibt nichts Schlimmeres, als dem weißen Abschaum eine Bibel in die Hand zu drücken.
Burke versucht allen eine Stimme zu geben. Er versteht es meisterhaft zwiespältige Figuren zum Leben zu erwecken. Seine Sympathien sind dünn gesät. Etwas schwierig verhält es sich mit dem Umstand, dass sich am Schluss einige Figuren mit unterschiedlichen Weltanschauungen zusammentun, um den absoluten Widerling zu besiegen – und der ist dann ein Nordstaatler. Naja.
Dabei positioniert sich Burke über den ganzen Text hinweg klar humanistisch und auf der Seite der Opfer. „Seine“ Leute bleiben ihm dennoch wohl am Nächsten. James Lee Burke bekam für Im Süden seinen dritten Edgar-Award. Die angesehene Auszeichnung wird seit den 1950ern jährlich an Schriftstellerinnen im Bereich der Kriminalliteratur vergeben, und gilt als der wichtigste Preis dieser Szene. Burke selbst schreibt im Nachwort, dass er Im Süden für sein bestes Werk hält. Wer sind wir, um da zu widersprechen?
Im Süden von James Lee Burke, 352 Seiten, erschienen bei btb.
