Wicked
Premiere-Events haben eine ganz eigene Aussagekraft über die Aura und Aussagekraft eines Films. Besonders, wenn es sich dabei um ein pop-kulturelles Phänomen handelt. Zu einem solchen soll Jon M. Chus Leinwand-Adaption Stephen Schwartzs gleichnamigen Muscials, seinerseits basierend auf Gregory Mcguires modernen Fantasy-Klassiker Wicked (wiederum ein Spin-off L. Frank Baums The Wizard of Oz) gehypt werden.
Mit Werbe-Gimmicks, Barbie-Puppen-Präsentation und Gratis-Drinks in Knallpink oder Giftgrün (alkoholisch, bei Semi-Presse-Events nie ein gutes Zeichen), den Code-Farben von G(a)linda the Good (Ariana Grande-Butera) und Elphaba Thropp (Cynthia Erivo), zukünftige Wicked Witch of the West. Zweite ist Hauptfigur und (Anti-)Heldin aller drei Werke.
Verblassende Anti-Heldin
Wobei das „Anti“ mit jeder Adaption mehr verblasste. Lag Mcguires Fokus noch auf dem Ergründen der Entstehung des „Bösen“, psychologisch, paradigmatisch und populistisch, war die Bühnen-Elphaba schon weit harmloser. Die Leinwand-Version ist sogar besser als ihre anfängliche Feindin und spätere Freundin Glinda, im Zaubern und bei Prince-Charming-Karikatur Fiyero (Jonathan Bailey).
Zeitgleich mit Glinda kommt sie an die Shiz University unter Oberaufsicht der mächtigen Madame Morrible (Michelle Yeoh), deren Lieblingsschülerin die magisch begabte Außenseiterin schnell wird. Unter Elphabas Anfeindung leidet auch deren zur Wicked Witch of the East bestimmte jüngere Schwester Nessarose (Marissa Bode), die aufgrund ihrer Querschnittslähmung selbst gegen Diskriminierung kämpft.
Fazit
Einen ganzen Katalog sozialpolitischer Themen, darunter Ableismus, Rassismus, Kolonialismus, Absolutismus und Terrorismus, anzugehen und eine ambivalente Protagonistin ins Zentrum der als Vorgeschichte zu den Ereignissen in Baums Kinderbuch fungierenden Handlung zu stellen, zählte neben der inhärenten Queerness zu den entscheidenden Stärken Mcguires Vorlage. Deren Leinwand-Interpretation vollendet die durch die Bühnen-Fassung initiierte Verniedlichung und Verwässerung dieser Aspekte.
Darunter leidet nicht nur die Spannung, sondern Komplexität der Figuren. Deren sprühende Dynamik und fabelhafte Darstellerinnen liefern Witz und Verve des Musical-Hits. Dessen pompöse Kostüme, spektakuläre Choreographien und bombastische Sets sind mit ihrem Mainstream-Monopol das Gegenteil der antagonistischen Andersartigkeit, die der Titel einst implizierte.
Regie: Jon M. Chu, Drehbuch: Winnie Holzman, Dana Fox, basierend auf dem Roman von Gregory Mcguire, Darsteller: Cynthia Erivo, Ariana Grande, Jeff Goldblum, Michelle Yeoh, Jonathan Bailey, Ethan Slater, Peter Dinklage, Filmlänge: 161 Minuten, Kinostart: 12.12.2024