Mr. Tillings Keller (c) 2024 Edward Lee, Festa Verlag(2)

Mr. Tillings Keller

Edward Lee ist eine literarische Größe. Das muss man fraglos anerkennen. Vorausgesetzt natürlich man wagt sich in das literarische Feld vor, welches Lee beackert. Das befindet sich nämlich ganz schön abseits.

Extrem Horror nennt man das, was Lee macht. Früher sagte man auch gerne Splatterpunk dazu. Es handelt sich um Genre-Literatur, die nicht nur einen Schritt weiter geht, als man das als Ottonormalverbraucher gewohnt ist, sondern gleich mehrere Kilometer weiter. Edward Lees besondere Rezeptur: Er vermixt gerne Okkultes mit einer heftigen Dosis Sex und Profanität. Optional kommt dann auch eine gute Prise Humor dazu. Und natürlich immer dabei – absolute over-the-top Gewaltfantasien.

Und bei all dem ist Edward Lee aber eben vor allem eins: ein handwerklich verdammt guter Schriftsteller. Wenn man seinem Wikipedia Eintrag glauben schenkt, hat der gute Mann das Arbeiten 2022 eingestellt. Die neueste deutschsprachige Veröffentlichung aus dem Festa Verlag ist dann auch gleich eines seiner letztveröffentlichten Werke. Mr. Tillings Keller heißt es, und es handelt sich um einen Mix aus Kurzgeschichten und Novellen.

Nein, o nein, auf keinen Fall ziehe ich mich aus. Ich kann dir eines garantieren: Mich will der Teufel sicherlich nicht nackt sehen!

Vier Geschichten gibt es in Mr. Tillings Keller zu bestaunen. Die Länge der einzelnen Episoden variiert zwischen 6 und 120 Seiten. Die Titelgeschichte ist dann auch gleich die längste. Der pensionierte Lehrer Tilling erwirbt günstig ein leerstehendes Haus. Kurz nach Einzug klopft es an seine Tür. Eine äußerst attraktive junge Frau steht davor. Sie kannte Tillings Vormieter und bietet Tilling an, eine Tour durchs Haus zu machen um ihn in die Geheimnisse seines neuen Zuhauses einzuweihen. Tilling stimmt zu und erfährt, dass in seinem Keller satanische Rituale abgehalten wurden. Und das ist erst der Anfang einer wunderbar haarsträubenden Geschichte, die sich aus Elementen von Zurück in die Zukunft und The Skeleton Key speist.

Warum sind hier überall Schwänze?, dachte Tilling zunehmend genervt. Dann fiel sein Blick auf das Straßenschild. „Straße der abgetrennten Penisse“. Oh, deshalb …

Als nächstes treffen wir auf ein ehemaliges Camgirl, das sich von einem exzentrischen reichen Sack als Haus-Sitterin einstellen lässt. Auch hier hat der Teufel seine Finger im Spiel. Diese Geschichte heißt … Die Haus-Sitterin. Danach folgt mit Ein amerikanischer Tourist in Polen ein brutaler Abstecher nach Breslau mit einer äußerst unappetitlichen Snuff-Geschichte. Mit beinahe hundert Seiten ist dies die zweite Geschichte mit Novellen-Länge in dieser Sammlung. Und am Ende wird mit dem Mini-Lovecraft-Pastiche Die Aussage des Sergeant Justin Jessop von der Polizei von Innsmouth geschlossen.

Mr. Tillings Keller zeigt Edward Lee in Reinform. Menschen, die noch nie mit ihm in Berührung kamen, bekommen hier eine gute Palette seines Werks geboten, finden sich hier doch im Grunde alle Hauptmotive seines Themenkreises wieder. Mit dem Humor ging Lee in diesen Geschichten etwas sparsam um. Fans der dunkleren Seite des Autors kommen hingegen voll auf ihre Kosten. Sprachlich, handwerklich ist das auf jeden Fall eine weitere Top-Arbeit von Edward Lee. Wollen wir hoffen, dass er seine schmutzige Feder doch noch nicht ganz zur Seite gelegt hat.

Mr. Tillings Keller von Edward Lee, 284 Seiten, erschienen im Festa Verlag.

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