Bis der Fluss taut
Bis der Fluss taut von Gabrielle Filteau-Chiba ist eine wunderbare Erzählung über das Leben in der Wildnis und den Schutz der Natur.
Anouk steigt aus der Zivilisation aus. Sie zieht sich zurück in eine verwahrloste Hütte in den eisigen Wäldern von Kamouraska. Dort ist sie mit den Witterungen der Natur und den Tieren der Wildnis konfrontiert. Anouk konzentriert sich auf das, was sie zum Überleben benötigt. Holz hacken, Wasser holen, Wege freiräumen. Um sich vor der Einsamkeit zu schützen, schreibt und zeichnet sie. Gelegentlich raucht sie auch einen Joint. Ein Kater gesellt sich zu ihr. Das ferne Pfeifen eines Zuges ist ihre letzte Verbindung zur Zivilisation. Bis auch dieses Geräusch eines Tages verschwindet und vor ihrer Tür ein fremder Mann auftaucht, der von den Behörden gesucht wird.
Ich habe mich davongeschlichen. Saint-Bruno-de-Kamouraska liegt nicht gerade nebenan, aber ich bin weit davon entfernt, die Großstadt und die Roboter mit den überzogenen Konten zu Vermissen.
In Bis der Fluss taut erzählt Gabrielle Filteau-Chiba von einem Leben außerhalb städtischer Zivilisation. Von einem Rückkehr zur Natur. Einem Leben ohne Geld, Gier, Stress, Konsumwahn und vor allem Umweltverschmutzung. Doch auch in dieser Wildnis gibt es Anzeichen der zerstörerischen Gewalt der Menschen. Eine wirklich unberührte Wildnis scheint nicht mehr zu existieren. Was anfängt wie ein offenes und ehrliches Tagebuch über Selbsterkenntnis, wird im Verlauf zu einem Aufruf zur Verteidigung der Umwelt und Natur. Es wird ein Plädoyer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, woher wir alle kommen. Ohne unserer Erde würde es uns nicht geben und dennoch zerstören wir sie unaufhaltsam.
Diese Schonung, in der die Fichten selbstbewusst und stolz wie Berge aufragen, ist ein Tempel der Stille. Hier erhebt sich meine Hütte, die Zuflucht, von der ich schon seit den Weidentipis meiner Kindheit träume.
Stilistisch hält sich die Autorin kurz und prägnant. Bis der Fluss taut ist eher eine Erzählung als ein Roman. Von daher hat man das Buch auch relativ flott gelesen. Auch die Zeichnungen sind durchweg charmant und sympathisch und tragen positiv zum Gesamtbild bei. Überhaupt ergibt sich dadurch das sehr authentische Bild eines tatsächlichen Tagebuchs (der Untertitel lautet ja Tagebuch aus der Wildnis). Das einzige, was man Filteau-Chiba vielleicht vorwerfen kann: das Buch ist einfach zu kurz. Man möchte gerne mehr davon lesen. Dank ihrer Sprache, dem spannenden Inhalt und der brisanten Thematik hätte sie gut und gerne etwas länger schreiben dürfen.
Bis der Fluss taut von Gabrielle Filteau-Chiba, 112 Seiten, erschienen im dtv Verlag.