Dieser Volkszähler
Dieser Volkszähler ist eine relativ kurze Erzählung von China Miéville, die aber sehr fragmentarisch wirkt und nicht gerade ein zugängliches Werk darstellt.
Ein Junge lebt mit seinen Eltern in einem abgelegenen Haus oberhalb eines Brückendorfes. Die ganze Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Irgendetwas hat die Menschheit aus der Bahn geworfen. Dann geschieht (vielleicht) ein Mord. Der Junge ist der einzige Zeuge, wie sein Vater, die Mutter getötet hat. Oder war es doch umgekehrt? Er erzählt im Dorf davon und sucht nach Hilfe. Aber niemand kann ihn vor seinen Eltern schützen. Sie bringen ihn zurück ins Haus am Berg. Die Mutter ist verschwunden, der Vater streitet die Tat ab. Angeblich war es nur ein Streit und die Mutter hat sich entschlossen, die Familie zu verlassen. Alles, was bleibt ist ein ominöser Abschiedsbrief, dessen Echtheit nur vom Jungen angezweifelt wird.
In dieser dünnen staubigen Erde zog meine Mutter Hybriden und Raritäten, dazu Bohnen, Kürbisse und all das. Manches davon aßen wir; anderes verkaufte sie an die Läden bei der Brücke oder im Brückendorf selbst, oder sie tauschte es gegen irgendetwas ein.
China Miéville zählt, gemeinsam mit Jeff VanderMeer (Auslöschung), zu den international bekanntesten Vertretern des New Weird-Genres. Eigentlich handelt es sich dabei eher um eine literarische Strömung als um ein wirklich klar definiertes Genre. Spezielle Gewichtung erhalten dabei Science Fiction, Fantasy und Horror. Dieser Volkszähler bedient auf jeden Fall alle drei dieser Genres. Darüber hinaus ist die Geschichte sehr verschachtelt und fragmentarisch. Natürlich wird das alles aus der Perspektive eines verwirrten und traumatisierten Jungen erzählt, was die Erzählweise durchaus verständlich macht. Dennoch ist es nicht immer einfach der Geschichte, sofern sich darin wirklich eine verbirgt, zu folgen. Es scheint Miéville in seiner Erzählung mehr um eine Stimmung und Gefühle zu gehen, als darum eine Geschichte zu erzählen.
Atmosphäre erzeugt er dafür aber ohne Zweifel. Eine bedrückende und beklemmende Atmosphäre, die vieles offen und im unklaren lässt. Sicher mit ein Grund, warum sich das Geschehen in Dieser Volkszähler so ominös und mysteriös liest. Leider bleibt aber manches zu stark fragmentarisch, man bekommt nicht wirklich ein Gespür für die umgebende Welt oder die Figuren, die darin leben. Wer eine klassische Erzählung mit stringenter Handlung erwartet, dem wird Dieser Volkszähler nicht viel geben. China Miéville ist ein sehr eigenwilliger Erzähler und Dieser Volkszähler wahrscheinlich, trotz seiner Kürze, eines seiner schwierigsten Werke. Dennoch lohnt es sich, alleine für die Stimmung und die dichte Sprache, diesen kurzen Roman zu lesen.
Dieser Volkszähler von China Miéville, 176 Seiten, erschienen im Verlag Liebeskind.