Tank Girl
Hochgeschätzte Filmgemeinde mit veritabler Geschmacksverirrung, willkommen zu einer neuen Ausgabe Wonne aus der Tonne. Wer liebt sie nicht: wirklich gut gemeinte Filmproduktionen, die auf halbem Weg stolpern und im völligen Murks enden? Auf diese Art und Weise wurden uns schon so manche unterhaltsame Filmstunden geschenkt. Die 90er Jahre waren in dieser Hinsicht ein besonders interessantes cineastisches Jahrzehnt. Denn damals durfte noch nach Herzenslust ausprobiert – und nicht einfach nur endlos reproduziert werden. Die Produzenten hatten noch kein so sicheres Gefühl für Cash-Cows entwickelt. Die Comic-Verfilmungen aus jenen Tagen sind ein hervorragendes Beispiel dafür. Denn nicht zu wenige von Ihnen gingen damals völlig baden. Auch wenn die Ambition eigentlich stimmte. Wie zum Beispiel bei Tank Girl …
Im Jahr 2033 ist die Erde nach einem großen Meteoriteneinschlag ein karger Wüstenplanet. Wasser ist kostbar und selten. Außerdem herrscht der wahnsinnige Kesslee (Malcolm McDowell) mit seiner Firma Water & Power über die letzten Wasserreserven der Erde. Als seine Männer die herumstreunende Rebecca (Lori Petty) in der Wüste auflesen, wird jene in ein Arbeitslager gesteckt. Dort lernt sie eine Technikerin (Naomi Watts) kennen, mit der ihr die Flucht gelingt. Mit Hilfe eines Panzers und einer Armee genmutierter Känguru-Männer bläst Rebecca zum Halali gegen Kesslee und seine Männer.
Tank Girl ist eine Comic-Verfilmung aus dem Jahre 1995 von der amerikanischen Regisseurin Rachel Talalay. Die Vorlage ist ein post-apokalyptisches, britisches Comic, nicht unähnlich von der Tonalität zu Judge Dredd. Rachel Talalay hatte sich zuvor als Regisseurin von Freddys Finale – A Nighmare on Elm Street 6, und als Produzentin der John Waters‘ Filme Hairspray und Cry Baby einen Namen gemacht. Die Lust an der Anarchie von Waters‘ Filmen sieht man auch Tank Girl von Minute Eins an. Der Film ist voller popkultureller Referenzen englischer Subkultur der 70er und 80er Jahre. So rennen zum Beispiel die Känguru-Männer mit T-Shirts von The Clash und Ramones herum. Der Soundtrack bietet ebenfalls einiges Feines aus den 90ern (Björk, Hole, Bush, Portishead, …) und wurde von Courtney Love zusammengestellt.
Doch zurück zum Film. Das bunte, laute und hektische Treiben ist zu keiner Sekunde ernst gemeint und brettert über jede Genre-Konvention hinweg. Das ist mitunter ganz schön anstrengend und albern, verleiht dem Film aber gerade in der Retrospektive einen angenehmen Charme. Der Mut zum Unkonventionellen (eine Romanze zwischen Frau und Känguru-Mann?!) ist dabei ebenso hervorzuheben, wie der herrliche – und damals völlig atypische – feministische Grundton des Films. Lori Petty ist zu gleichen Anteilen zauberhaft wie Nervensäge. Zudem sieht man Naomi Watts in einer früheren großen Rolle. Malcolm McDowell gibt einen souveränen Bösewicht. Iggy Pop und Björk haben Cameos, und Ice-T rennt als Känguru-Mensch mit Rastas herum. Hätte also auch klappen können mit dem Film. Tat es aber gar nicht. Tank Girl geriet zu einem brutalen Flop und ruinierte die Karrieren der Regisseurin und der Hauptdarstellerin. Die Kritiken waren dabei gar nicht so sehr auf Verriss getrimmt, aber durchaus durchwachsen. Über die Jahre durfte sich Tank Girl dann aber doch noch zu einem Kultfilm mausern. Heute gilt er, wenn auch nicht durch die Bank geglückt, als anarchistisch-feministisches Pop-Kleinod, dessen Wiederansicht durchaus Spaß macht. Angeblich plant Margot Robbies Produktionsfirma LuckyChap Entertainment derzeit ein Remake. Könnte klappen. Muss es aber nicht.
In diesem Sinne: Hoch die Tassen und bleibt seltsam!
Tank Girl
OT: Tank Girl, (USA, 1995), Regie: Rachel Talalay, Drehbuch: Tedi Sarafian, Mit: Lori Petty, Naomi Watts, Malcolm McDowell, u.a.
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