Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen
Liebe Leserschaft mit Neigung zum jenseitigen Filmvergnügen, diese Filmkolumne wird oft als Trash-Film Ecke missverstanden. Ich möchte daher nochmal aufklären: Das ist sie selbstverständlich nicht! Zumindest nicht ausschließlich. Mir geht es meist darum, Filmschätze zu heben, die einfach aufgrund widriger Umstände nie das Scheinwerferlicht bekommen haben, das ihnen eigentlich gebührt. Und das führt uns dann auch gleich zu unserem nächsten raren Filmschatz mit dem unglaublichen deutschen Titel:
Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen
OT: The Challenge, USA, 1982, Regie: John Frankenheimer, Drehbuch: Richard Maxwell, John Sayles, Mit: Scott Glenn, Toshiro Mifune, Donna Kei Benz, u.a.
Rick Murphy (Scott Glenn) ist ein abgehalfterter Boxer aus NY, der unversehens in die Jahrzehnte andauernde Familien-Fehde zweier japanischer Brüder gerät. Es geht um zwei heilige Schwerter, die der ältere der Beiden (Toshiro Mifune) sein Eigentum nennt. Jener lebt fern der Zivilisation in Japan, in einem klosterähnlichen Areal. Rick Murphy soll ihm nun die Schwerter abluchsen, lässt sich stattdessen von dem weisen Meister in die Kunst der Samurai einweisen. Zusammen gehen sie dann gegen den gemeinen kleinen Bruder vor.
Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen von Regie-Altmeister John Frankenheimer (Der Gefangene von Alcatraz, Ronin) wirkt nach Ansicht, als wäre die Bezeichnung „unterschätztes Meisterwerk“ eigens für ihn kreiert worden. Der Film ist spannend, gut gespielt, choreografiert (dazu später mehr), inszeniert, und besitzt darüber hinaus sogar noch ein wenig Humor und die richtige Dosis Gewalt. Man spürt förmlich die Inspiration die dieses Werk auf einen gewissen Quentin Tarantino gehabt haben muss, als er am Drehbuch zu Kill Bill saß. Woran es lag, dass dieser Film zum Voll-Flop und fast völlig in Vergessenheit geriet? Kann man heute beim besten Willen nicht mehr sagen. Vielleicht war es Scott Glenns völlig bescheuerte Prinz-Eisenherz-Frisur? Der dumme und völlig unpassende deutsche Titel wird hierzulande dann noch sein Übriges getan haben. Fertig war die Verdammung in die hinterste Videotheken-Ecke. Die Videofassung war übrigens um ca. 30 Sekunden gekürzt und wurde dennoch 1986 indiziert, also auf die Liste der jugendgefährdenden Medien gesetzt. Die Listenstreichung erfolgte dann tatsächlich erst durch Ablauf der Frist von 25 Jahren im Jahr 2011. Nun darf man den Film ungekürzt mit einer zeitgemäßen Freigabe ab 16 Jahren sehen.
Kurioses am Rande: Die Kampfszenen wurden von Steven Seagal choreografiert. Die Kampfwurst leitete damals in Tokio eine Aikido-Schule, nachdem er es zum Großmeister gebracht hatte. Wenige Jahre später „beglückte“ er dann die Filmlandschaft selbst als Darsteller mit seinen unzähligen „Meisterwerken“ (Alarmstufe: Rot, Zum Töten freigegeben) – bis zur Erniedrigung und bis zum heutigen Tag. Nichtsdestotrotz: Ehre wem Ehre gebührt. Die Kampfszenen sind erstklassig und beeindrucken auch heute noch. Überhaupt muss man festhalten, dass der Film, bis auf die bereits erwähnte unsägliche Frisur des Hauptdarstellers, bestens gealtert ist. Jeder James Bond-Film aus dieser Zeit schneidet da bestimmt schlechter ab. Dass alles handgemacht ist, von den Stunts bis zu den Effekten (gespaltene Köpfe inklusive) rundet das Ganze natürlich nur noch mehr ab.
Also höchste Zeit, diesen zu Unrecht unbekannten Film endlich zu entdecken, wohlwissend, dass man zu jener Zeit natürlich schon ein völlig anderes Erzähltempo vorgelegt hat. Doch wer sich darauf einlassen kann, wird belohnt werden. Und einmal mehr die traurige Einsicht haben: They just don`t make movies like that anymore!
Fröhliche Handkantengrüße und geht mal wieder auf ein Sushi, oder ein Stück lebenden Oktopus. Aber bleibt vor allem seltsam.