Sound City – Real to Reel
Sound city … that’s it, man. Dieser selten einfache und doch treffende Satz eröffnet, nicht gesungen, sondern gesprochen, die Platte, die unter dem Dirigentenstab von Dave Grohl entstanden ist…
Eine Hommage an Das Studio Sound City, das in Los Angeles einst die Rock-Größen seiner Zeit aufgenommen hat. Zur gleichnamigen Dokumentation, die hochgelobt und auf vielen Festivals gespielt wurde, ist also auch der Soundtrack veröffentlicht worden – 11 Tracks, die nur zum Anlass der Dokumentation entstanden und extra dafür in einer intensiven Jam-Session aufgenommen wurden. Dave Grohl wurde schon genannt, der Mastermind hinter diesem – wie es scheint – Jahrhundertprojekt, aber schon das Cover verrät einen Einblick in die Liga dieser außergewöhnlichen Gentlemen, die sich allesamt zu Ehren des nicht mehr existenten Aufnahmeplatzes zusammengefunden haben: Robert Levon Been, Chris Goss, Joshua Homme, Alain Johannes, Paul McCartney, Trent Reznor, um nur einige zu nennen. Da fangen einem belesenen und erfahrenen Rockfan schon die Finger zu kribbeln an, das Wasser läuft im Munde zusammen und es scheint, als stehe Weihnachten direkt vor der Haustür – in Form dieser göttlich anmutenden CD.
Muss man noch mehr sagen, als Mantra? So benannt der Track, eingespielt von niemandem geringeren als Josh Homme, Sänger der Queens of the Stone Age, Dave Grohl, immer vorn dabei bei den Foo Fighters und dazumal bei Nirvana und einem der letzten musikalischen Übergrößen, nämlich Trent Reznor, einzig beständiges Mitglieder der Nine Inch Nails. Am Schluss des Albums platziert soll dieses Stück die Platte abrunden, was auf eine verwegene Art und Weise auch passiert – leise steigert sich dieses Stück hinein ins Geschrammel und Getöse und dauert beinah dreimal so lang als so manch anderes Lied in diesem Zirkus des Rock’n’Roll.
Aber einmal von vorne beginnen: Nachdem also die Zauberworte zu Sound City ins Mikro geflüstert wurden und in lässiger Rock-Manier die ersten Riffs geschmettert werden, ist schnell klar, wer da trällert: Die Pole-Position hat sich Robert Levon Been, Sänger bei Black Rebel Motorcycle Club, gesichert. Eigentlich ein guter Einfall, eine solch prominente und unverkennbare Stimme an den Anfang einer CD zu setzen, weil sie sogleich nach Aufmerksamkeit schreit. Das erste Mal so richtig klassisch nach Foo Fighters klingt dann The Man that never walks, wo dann auch Dave Grohl die Leadstimme abgibt. Passt auch soweit ins Oeuvre der Band, auch wenn die eine oder andere vermeintlich poetische Zeile dann doch hölzern klingt (Sometimes you make me play the fool, sometimes you use me like a tool). Huch und was kommt da – niemand geringeres als Corey Taylor, Gruselmann im Rockbusiness Nummer eins, hat sich auch eingereiht in Grohls persönliche Hall of Fame: From can to can’t klingt ja aber beinahe schmuseweich, wenn man bedenkt, was Taylor mit Slipknot schon alles angestellt hat, klingt der Song dann doch eher nach seinem zweiten Bandprojekt, Stone Sour.
Und dann ist es auch schon so weit: bei Centipede, das mit leise-rhythmischem Gitarrengezupfe eingeleitet wird, ist Joshua Homme an der Reihe. Das klingt aber schön, ein neues Lullaby, nur ein bisschen anders als mit den Stoneage-Queens. Großmeister Paul McCartney rundet diese Mischung ab, man glaubt gar nicht, was der Ex-Beatle noch alles an musikalischem Drive rauszuschmettern hat: die Nummer Cut me some slack ist in ihrer Komposition und instrumentalen Ausführung wahrscheinlich eine der am besten gelungenen und trifft den Rock’n’Roll Nerv, wie man ihn sich am liebsten vorstellt. Abschließend kommt das schon erwähnte Mantra, das Lied, das eigentlich den theatralischen Leckerbissen des gesamten Albums darstellen sollte. Gelingt auch gewissermaßen, zuerst ist Dave an der Reihe, dann Trent, dann Josh. Man merkt schon, dass da drei Künstler am Werk sind, die wissen, was sie tun und beinahe schon alles anstellen, was sie wollen – immer gut. Auch wenn das Lied sich in jeweils drei Sparten aufzuspalten scheint, nicht ganz als Einheit funktioniert, sondern eher wie eine Steigerung bishin zum Schluss.
Was hat Dave Grohl also zu sagen? Band Aid für ein altes, heruntergekommenes Studio im Ich-werde-was-ich-will-Wunderland L.A.? Nicht so ganz. Es ist eher so, als würde er damit einen Teil seiner Memoiren schreiben, auf filmischer/musikalischer Basis eben. Immerhin wurde in diesem Studio kein geringeres als das sagenumwobene Nevermind aufgenommen, das schlichtweg berühmteste Album von Nirvana, unter der Regie von Kurt Cobain. Da hängen also einige Erinnerungen dran, positive wie auch negative; Dave Grohl hat es aber geschafft, von Tom Petty bis zu Mick Fleetwood alles zusammenzutrommeln, was Rang und Namen hat und dieses ominöse Studio schon einmal von innen unter die Lupe nehmen durfte. Schon im Trailer wird vorweggenommen, worum es Dave Grohl geht: Wo bleibt im Zeitalter der elektronischen Musikverarbeitung und –ergänzung der menschliche Input des Rock’n’Roll? Wo der bei seiner Band, den Foo Fighters, bleibt, ist klar – man muss sich nur einmal auf ein Konzert der Genannten begeben und weiß, da bleibt kein Stein auf dem anderen, die Musik läuft durch die Körper der Musiker wie der Strom in die Verstärkerboxen. Sound City konnte unter anderem aufgrund seines veralteten Status nicht erhalten bleiben, wich neuen, moderneren Aufnahmeplätzen. Interessant ist vor allem, dass Grohl imstande war, nicht nur alte Hasen des Big dirty business zu rekrutieren, sondern eben auch zum Beispiel Trent Reznor, der sich der Technik nur zu gerne bedient (und auch schon gesamte Titel nur mithilfe elektronischer Mittel aufgenommen hat).
Eine Hommage also an ein Studio, das den wahren Sound des Rock’n’Roll, die menschliche Draufgabe im immerwährenden Spiel der Vereinigung von Gedanke und Ton, vom Handwerk Musik und Instrument, von Idee und melodiöser Umsetzung in sich vereint hat.
Die CD alleine zu hören, sprich den Film nicht zu kennen und einfach nur die Tracks durchs Radio laufen zu lassen, ist womöglich etwas zu wenig. Da klingt wie erwähnt der eine oder andere Text zu schnell zu Papier gebracht, so manches Lied eher nach verjährten Rock-Allüren (Stevie Nicks), oder manche Tracks schlichtweg so, als hätten sie mehr Zeit gebraucht, als hätten die einzelnen Mitglieder dieser regelrechten Wundertüte nicht ihr ganzes Potenzial in das gesteckt, wo Grohl wirklich seinen Löwenanteil geleistet hat. Und doch, Real to Reel ist eine CD, die man im Regal stehen haben sollte – bei dieser Versammlung an musikalischer Größe muss man wohl schon vom Rock-Parnass des 21. Jahrhunderts sprechen.