Nioh
Spannend: Die Macher von Dead or Alive und Ninja Gaiden versuchen sich mit Nioh nun an einer bunten Mischung aus Dark Souls, Onimusha und Diablo.
Gerade mit dem Reboot der Ninja Gaiden-Serie haben sich die Entwickler des Team Ninja einen Namen gemacht: Neben dem berühmt-berüchtigt hohem Schwierigkeitsgrad und absurden Animationen von sekundären Geschlechtsmerkmalen weiblicher Figuren konnten sich die Spiele auch neben den weitaus bekannteren Genre-Konkurrenten der Devil May Cry– oder God of War-Reihe durchsetzen. Grund dafür waren mehrere Elemente: So konnte das ausbalancierte Gameplay samt punktgenauer sowie durchdachter Steuerung ebenso überzeugen wie der schiere Umfang und Wiederspielwert jedes einzelnen Titels.
Mit Nioh wurde Team Ninja nun die Ehre zuteil, den ersten großen PS4-Exklusivtitel des Jahres auf die hungrigen Gamer loszulassen. Als irischer Seemann William wird man ins Japan des 17. Jahrhundert versetzt (nach einem zähen Prolog in London), um innerhalb einer mit zunehmender Spieldauer kaum durchschaubaren Rahmenhandlung einem Schutzgeist bzw. dessen unrechtmäßigen neuen Eigentümer Edward Kelley nachzujagen. Begegnungen mit zahlreiche illustre historische Persönlichkeiten wie Oda Nobunaga und Hattori Hanzo, ausführliche Beschreibungen von Rüstungsgegenständen und auch mythologischen Figuren dürften Japanologen und Kunsthistoriker in Aufruhr versetzen, der schiere Aufwand ist jedenfalls positiv anzuerkennen.
So schnell die Handlung für einen Großteil der Spieler in den Hintergrund treten wird, so schnell dürfte dann auch klar werden, was hier auf einen zukommen: Ein gewaltiges Unterfangen und eine wahre Herausforderung. Gerade in den ersten Stunden wird man bombardiert mit Optionen und Informationen, die sich erst in zahlreichen weiteren Sitzungen mehr oder minder von selbst erklären. Im Hack’n Slash-Gameplay, welches auf den ersten Blick klar an die Dark Souls-Reihe angelehnt wurde, finden sich umfangreiche Möglichkeiten, der Gegnerschaar entgegen zu treten. So entscheidet zunächst obligatorisch die Waffenwahl über den Spielstil: Viel Schaden mit Äxten oder Speer austeilen, dabei auf Geschwindigkeit und Verteidigung verzichten oder doch auch (Doppel-)Schwerter oder Kusarigama setzen? Die Entscheidung wird einem etwas erleichtert, sind doch gleich zwei Waffenfavoriten neben obligatorischen Fernkampfoptionen von Haus aus integriert.
Hat man die Entscheidung getroffen, steht die nächste Lernphase in Nioh an: Nicht nur das Wechseln von Primär-, Sekundär- und Fernwaffen sollte neben Ausweichrollen, Blocken und Parieren so schnell wie möglich beherrscht werden, sondern auch der Einsatz der Hieb- und Stichwerkzeuge in der jeweils angebrachten Stellung. Sämtliche Waffenklassen können nämlich in einer tiefen, mittleren und hohen Haltung eingesetzt werden, um schnelle, ausbalancierte oder hinsichtlich des Schadens verheerende Angriffe durchzuführen. Unnötig zu erwähnen, dass jede Waffengattung auch eigene Kombos in jeder jeweiligen Haltung ermöglichen, die es teils via Aufleveln freizuschalten oder zu erweitern gilt.
Als wäre dies nicht schon umfangreich genug, gesellt sich auch noch ein Magie- und Ninjutsu-Element in Nioh hinzu, welches von Wurfsternen mit Elementschaden, Verlangsamungszaubern oder Talisman-Erzeugung für mehr Ausdauer viele weitere Tweaks im Gameplay eröffnen. Zusätzlich dazu können im Verlauf des Spiel auch noch von Bossgegnern errungenen Schutzgeistern für Spezialmanöver eingesetzt werden. Jene mythologischen Geistwesen besitzen darüber hinaus auch noch die Spielfigur unterstützende Eigenschaften, um das Verhalten und die Vorgangsweise des Spielers maßgeblich zu beeinflussen.
Hat man sich nun etwas in den gewaltigen Titel eingelebt, tritt alsbald auch die Diablo-Komponente im Inventar zum Vorschein: Sämtliche gesammelte Waffen und Rüstungsgegenstände (die noch dazu in die jeweiligen Körperpartien unterteilt sind, also Helm, Brustpanzer bis Stiefel) besitzen nicht nur unterschiedliche Eigenschaften, um den Spieler beispielsweise mit Speeren schneller zuschlagen oder mehr Geld von Gegnern aufsammeln lassen, sondern sind zudem noch untereinander kombinierbar – und farblich hinsichtlich ihrer Seltenheit aufgegliedert. Es darf also damit gerechnet werden, stundenlange Abwägungen im Inventarscreen vorzunehmen.
Erneut: Klingt unüberschaubar, ist es zunächst auch – in einem bewundernswerten Ausmaß, denn auch abseits des Gameplays wird der Spieler mit Optionen quasi überflutet. So können beim Schmied Waffen oder Rüstungen eingeschmolzen (sprich: in wertvolle Schmiedeelemente zerteilt), Liebgewonnenes zum passenden Level aufgewertet oder mit diversen sammelbaren Elementen massiv verbessert werden.
Nicht nur in Sachen Gameplay vermag Nioh mit Abwechslung und Kreativität zu begeistern, auch die Präsentation ist überaus stimmig. Dem oftmals lautstark vernehmbaren Wunsch von Gamern, bei einem neuen Dark Souls– oder Bloodborne-Ableger ein asiatisches Setting zu verwenden, wurde hier mit Nachdruck nachgegangen: Von nebeldurchzogenen Wäldern, unheimlichen Bergdörfern bis hin zu ansehnlichen Festungen finden sich viele großartige Level in dem Titel, die auch abseits ihrer rein visuellen Darstellung mit durchdachter Gestaltung überzeugen können.
Spätestens in dem Moment, wo der Spieler mit gezogenem Schwert auf einer Hügelkuppe bei Mondschein einem ebenbürtigen Gegner gegenübersteht, welcher wie man selbst die Waffenhaltung mehrfach wechselt, um den entscheidenden Vorteil zu erlangen, wird der Bann von Nioh spürbar und das Samurai-Feeling komplettiert. Schade also, dass es gerade bei der Story nicht wirklich geklappt hat zu überzeugen: Der blonde Hüne aus fernen Ländern auf der Suche nach seinem Erzfeind ist im direkten Vergleich zur nicht minder undurchsichtigen, jedoch viel atmosphärischeren Rahmenhandlung des gotischen Dark Souls doch weit weniger stimmig.
Wer über diesen (leicht ausblendbaren) negativen Aspekt von Nioh hinwegsehen kann, dem wird hier ein Titel vorgesetzt, der es wortwörtlich in sich hat: Gameplay der Marke “Hart aber fair”, eine überwiegend eindrucksvolle Präsentation, die von geschmeidigen Animationen der Spielfigur und der massiven Gegenerschaar bis zur stimmungsvollen Darstellung des feudalen Japans alles aufbietet, was man sich dahingehend nur wünschen kann. In jeden Fall ein absolut empfehlenswerter, weil gleichermaßen eindrucksvoller wie langlebiger Titel, den nicht nur PS4-Besitzer mit Action-Adventure-Faible unbedingt in ihre Sammlung aufnehmen sollten.
Plattform: PS4 (Version getestet), Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 08.02.2017, Link zur Homepage