Späte Blumen – Herbstgeschichten
Anton Tschechow ist neben Pushkin, Dostojewski und Tolstoi, einer der bedeutendsten Literaten Russlands, und wohl der russische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts schlechthin. Passend zur Jahreszeit veröffentlicht der Diogenes Verlag mit Späte Blumen – Herbstgeschichten, eine neue Sammlung mit herbstlichen Erzählungen, welche sowohl Texte aus Tschechows früher und später Schaffensphase enthält.
Der Herbst brach an, ebenso feucht und schmutzig wie im vorherigen Jahr. Draußen war ein grauer, verweinter Morgen. Dunkelgraue, wie mit Morast beschmierte Wolken verdüsterten, dicht aneinandergedrängt, den Himmel und stürzten einen mit mit ihrer Reglosigkeit in Trübsinn.
In seinem Werk porträtiert Tschechow die gesellschaftlichen Zustände des vorrevolutionären Russlands, in der Darstellung sowohl scharf realistisch als auch bissig satirisch. Die handelnden Personen sind an keine soziale Schicht gebunden, so finden sich unter den Hauptfiguren sowohl angehörige des Bürgertums, des russischen Adels sowie Bauern und Leibeigene. Die vordergründige Thematik in den Herbstgeschichten ist unerfüllte Liebe.
Die titelgebenden Geschichte aus dem Frühwerk des Autors, Späte Blumen, handelt von einer jungen Prinzessin aus einer verarmenden Adelsfamilie, die sich unglücklich in ihren Arzt, einen wohlhabenden Bürger, verliebt. Dieser ist eher an einer Hochzeit mit hoher Mitgift, als einer Ehefrau interessiert. Schon hier zeigen sich die typischen Tendenzen Tschechows: gesellschaftliche Diskrepanzen gepaart mit einseitiger Liebe, alles mit einer gewissen Portion Komik erzählt.
Wer es jedoch nicht so mit Liebesgeschichten hat wird ebenfalls fündig. So enthält diese Sammlung zahlreiche Kurzgeschichten die von armen Bauern und allerhand anderer bemitleidenswerten Menschen berichten, in denen Tschechows Sinn für Wortwitz voll zur Geltung kommt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei die Geschichte Gnadenbrot, in der ein verarmter Kleinbürger es nicht übers Herz bringt seinen alten Hund und sein lahmes Pferd zu töten, obwohl er sich die Tiere finanziell nicht mehr leisten kann.
Alles in allem sind die Herbstgeschichten eine nette Sammlung. Manche Erzählungen begeistern mehr als andere, aber man bekommt einen interessanten Querschnitt durch Tschechows Schaffensphase.
Späte Blumen – Herbstgeschichten von Anton Tschechow, 256 Seiten, erschienen im Diogenes Verlag.