Wenn niemand nach dir sucht
Im Jahre 1966 trennt sich Madeline Schwartz von ihrem Ehemann. Plötzlich auf sich allein gestellt, versucht sie im unruhigen und bewegten Baltimore der 60er Jahre ihre Existenz zu bestreiten. Aus Zufall entdeckt sie die Leiche der Afroamerikanerin Cleo Sherwood, die vor ein paar Monaten verschwand. Maddie bekommt eine Stelle bei einer Zeitung und beginnt auf eigene Faust in dem Mordfall zu recherchieren.
Warum konntest du nicht in deinem wunderschönen Haus und deiner passablen Ehe bleiben und mich auf dem Boden des Brunnens lassen? Dort war ich sicher. Alle waren sicherer, als ich da unten war.
Wenn niemand nach dir sucht ist der neueste Roman der Amerikanerin Laura Lippman, der in deutscher Übersetzung erschienen ist. Es ist ein ungewöhnlicher Kriminalroman, der sehr viel Wert auf Zeit- und Lokalkolorit legt. Der Kampf um Gleichberechtigung ist ebenso schwelendes Thema des Romans, wie der grassierende Rassismus in all seinen Facetten.
Stilistisch geht der Roman eigene Wege. Während die Haupthandlung stets in der dritten Person an der Hauptprotagonistin dran bleibt, wird jedes zweite Kapitel aus der Ich-Perspektive verschiedener Menschen erzählt, deren Weg Maddie Schwartz kreuzt. Oder auch mal aus der Perspektive des Opfers. Während das gerade am Anfang sehr viel Neugier und Spannung erzeugt, gerät dieses Element mit fortlaufender Handlung zu einem kleinen Stolperstein. Da nicht jede dieser Geschichten und Perspektiven die Handlung voran treiben, wirken diese Kapitel mitunter bremsend. Im letzten Viertel wird dann auch gänzlich darauf verzichtet.
Sie fehlt mir. Ich vermisse sie jeden Tag. Ich vermisse sie mehr als alles andere auf der Welt. Es macht mir nichts aus, dass sie mich nicht geliebt hat. Die andere Sache – nun, über die andere Sache versuche ich nicht so viel nachzudenken.
Dennoch ist Wenn niemand nach dir sucht ein höchst interessanter und spannender Roman, der weit über das Niveau gewöhnlicher Krimi-Kost hinausgeht. Elegant, subtil, vielschichtig entwickelt sich die Erzählung. Laura Lippman hat in ihrer Heimat bereits über 20 Romane veröffentlicht. Bei uns läuft sie leider immer noch etwas unter dem Motto „Geheimtipp“. Der – noch recht junge – Spezialitäten-Verlag Kampa aus der Schweiz hat schon mehrere Bücher von ihr auf den deutschsprachigen Markt gebracht. Die Veröffentlichungen von Kampa sind sowohl äußerlich ansprechend gestaltet und bieten auch in diesem Fall eine hervorragende Übersetzungsarbeit (Kathrin Bielfeldt und Jürgen Bürger). Wenn niemand nach dir sucht ist niveauvolle, psychologische Kriminalliteratur fernab ausgetretener Pfade. Eine perfekte Lektüre für die kommenden verregneten Tage.
Wenn niemand nach dir sucht von Laura Lippman, 384 Seiten, erschienen im Kampa Verlag.