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The Last of Us Part II

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Survival-Horror

The Last of Us Part II setzt nahtlos an den Vorgänger an: Verkaufsrekorde wurden gebrochen und das mediale Echo kann zweifellos als unfassbar positiv beschrieben werden. Aber wo viel Licht ist, findet sich auch viel Schatten, oder? Eines steht jedenfalls vorab fest: Wenn sich Spieleentwickler Naughty Dog wieder ins mediale Rampenlicht wagt, kann man mittlerweile ziemlich sicher sein, dass hier geklotzt und nicht gekleckert wird, egal in welchen Belangen.

Im Jahr 2013 konnten die Entwickler mit dem Release von The Last of Us zeigen, dass sie auch ohne oftmaliges Augenzwinkern und Dauer-Schmäh eine Erzählung zustande bringen, die genauso beeindrucken konnte wie die Präsentation. Düsterer, depressiver, hoffnungsloser und (mehr oder minder?) brutaler zeigte sich der Titel gewissermaßen als Gegenstück zur Uncharted-Reihe. Natürlich: Dem Setting einer durch eine Viren-Infektion verursachten Apokalypse geschuldet, aber angesichts der reduzierten, teils überaus feinfühligen Story und schlicht hervorragend geschriebenen Charakteren umso emotionsgeladener. Bewegende Momente reihten sich bei The Last of Us aneinander, das wortwörtlich katastrophale und zugleich erfreuliche Ende dürfte wohl jedem Spieler im Gedächtnis geblieben sein.

Don’t Panic: Keine The Last of Us Part II-Spoiler

Nun also das Sequel. Fünf Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers findet man sich erneut in den Resten einer untergegangenen Zivilisation, nun zu Beginn in den Fußstapfen von Protagonistin Ellie, wieder. In der befestigten Kleinstadt Jackson im US-Bundesstaat Wyoming hat die hartgesottene 19-jährige Frau neue Freundschaften geschlossen und ihre Liebe in der gleichaltrigen Dina gefunden. Ein brutaler Mord, durchgeführt von einer in Seattle stationierten Miliz namens “Washington Liberation Front”, führt Ellie auf einen Rachefeldzug, der bald ungeahnte Wendungen mit sich bringt.

 

Dieser kleine Handlungsabriss wird der gesamten Erzählung natürlich bei weitem nicht gerecht, so viel Wahrheit darf man auch Spoiler-Hysterikern zumuten. Mehrere Erzählstränge werden in The Last of Us Part II ineinander verwoben, auch mehrfach eingebettete Rückblenden sind hier gekonnt integriert worden. Als Stilmittel machen diese Elemente natürlich Sinn, lässt sich damit doch das Innenleben einer Figur grundsätzlich in einem besonders kritischen Moment ideal sezieren und wieder zusammensetzen.

Hier findet sich auch der Grund für die los getretene Kontroverse rund um den Titel, der, natürlich obskur und bedenklich zugleich, sogar zu Todesdrohungen gegenüber einer Synchronsprecherin geführt hat. Mithilfe eines nicht unbedingt überraschenden Perspektivenwechsels in The Last of Us Part II und den zuvor erwähnten Erzählelementen wird der Gegner, der Antagonist, das vermeintlich personifizierte Böse beleuchtet. Noch weniger überraschend hat auch diese Figur ihre eigene Motivation für ihr Handeln. Doch die Tatsache, das sich Entwickler Naughty Dog dafür entschieden hat, den schwierigeren Weg einer Fortsetzung zu gehen – also nicht ausgetretene “Mehr, Größer, Lauter”-Pfade zu beschreiten, sondern zumindest hinsichtlich der Erzählung Neuland zu betreten – darf man mehr als honorieren.

Wenn schon ein Filmvergleich, dann den richtigen

Ok, medienübergreifende Vergleiche zu Schindlers Liste (hier nachzulesen, enjoy) führen doch etwas zu weit und sind wohl nur wegen der virtuellen Schreierei auf sozialen Netzwerken unterhaltsam. Wenn schon mithilfe von Filmen thematisch abgeleitet werden soll, um in etwa den Ton des 20+ Spielstunden andauerenden The Last of Us Part II fassbar zu machen, dann könnte man wohl besser in Richtung True Grit, Heat und Unforgiven verweisen – hiermit erledigt. Hier handelt es sich um Geschichten rund um unnahbare, getriebene Einzelgänger am Weg in die eigene Verdammnis, verfolgt von zweifelhaften Gegenspielern voller offensichtlicher Schwächen – und beide beladen mit den Sympathien und dem Bedauern der Zuseher.

 

Exkurs zu Ende, zurück zum Videospiel: Abseits der zentralen Rahmenhandlung müssen natürlich sowohl Pilz-Zombie-Horden wie auch militante Fanatiker umgangen bzw. erledigt werden. Hier baut Naughty Dog auf jahrelange Erfahrung im Action-Adventure-Segment: Schusswechsel sind genauso schweißtreibend wie hastige Bewegungen in der Dunkelheit bei vielen Stealth-Einlagen, die Gegnerschaar agiert durchwegs intelligenter als vermutet und lässt auch vermeintlich harmlose Scharmützel schnell in Panik-induzierenden Stressmomente mutieren. Das Gameplay in einem Wort: Makellos.

In Sachen Präsentation darf man sich wie schon beim Vorgänger, der ebenfalls in den letzten Momenten der seinerzeit vorherrschenden Konsolengeneration erschien, auf das Feinste vom Feinen freuen: Die Grafik-Power der Playstation 4 wird gefühlt (Lüfter!) an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben, während man den etwas zu selten zum Einsatz kommenden Klängen des argentinischen Musikers Gustavo Santaolalla (Amores Perros, Babel, Narcos: Mexico) mit Freuden einmal mehr lauschen darf. Jeder Bewegung der Protagonistin sieht man monatelangen Feinschliff an: Vom tatsächlichen Unterlippen-Zittern in der Kälte über den Furcht-erfüllten Blick in großer Höhe bis hin zu flinken Handgriffen auf Werkbänken bzw. in Rucksäcke – hier wurde nichts dem Zufall überlassen, technisch ausgereifter und harmonischer dürfte in dieser Konsolengeneration wohl kaum mehr etwas daherkommen.

 

Was könnte man also nun tatsächlich an The Last of Us Part II bemängeln? Die Seitwärts-Bewegungen bei der Laufanimation? Es sind die offensichtliche Abkürzungen, die Naughty Dog genommen hat. So erscheinen die anfangs offenen Umgebungen mit zunehmender Dauer nur Blähwerk gewesen zu sein, um nette Gameplay-Mechaniken zur Schau stellen zu können (looking at you, Seil- und Kabel-Weitwurf), schon bald verabschiedet man sich nämlich in meist schlauchförmiges Leveldesign. Auch erscheint der eine oder andere Spielabschnitt als reiner Gesamtspielzeit-Verlängerer, irgendwann wird auch dem wohlgesonnensten Abenteurer die nächste Umleitung durch unwegsames Gelände wegen einstürzender Altbauten etwas sauer aufstoßen. Zudem scheint der Erzählrhythmus dank zahlreicher gedachter Schlusspunkte einen etwas unrunden Eindruck zu erwecken, was vor allem im letzten Drittel des Spiel sichtbar wird.

Aber all dies sind tatsächlich nur Nebensächlichkeiten, die vor allem rückblickend und im direkten Vergleich im Genre gerne vergeben und vergessen werden. Was The Last of Us Part II vollbringt ist nämlich weitaus interessanter: Inmitten dieses audiovisuellen Schmuckstückes verbirgt sich eine außerordentlich düstere, zunehmend intensive und dabei überaus berührende Handlung, die statt mit oberflächlichen Themen zu locken einen Kreislauf der Selbstzerstörung erlebbar macht, aus dem sich der Spieler gemeinsam mit seiner Spielfigur befreien muss. Spannend, bis zur letzten Minuten – was ist das schon in diesem Jahr bislang?

Plattform: PS4 (Version getestet), Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 19.06.2020, Link zur Homepage




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