Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanone und Tagträume
Künstlerbiografien haben derzeit wieder Hochsaison. Filme wie Bohemian Rhapsody oder Rocketman begeistern Kritik und Publikum. Auch am Buchmarkt erleben Auto- oder Band-Biografien diverser Künstlerinnen und Künstler ein starkes Revival, wie etwa The Dirt über Mötley Crüe oder Face it von Debbie Harry (Blondie). Und auch im Comic ist man auf den Zug aufgesprungen. Zum Beispiel die Nick Cave-Bio Mercy on me von Reinhard Kleist, die 2017 Maßstäbe setzte. Nun ist ein weiterer, ganz großer Musiker und Sänger Mittelpunkt einer neuen, farbenprächtigen Comic-Biografie, nämlich Bowie.
David Bowies Tod Anfang 2016 läutete das unfassbare Künstlersterben in diesem Jahr ein. Seine Musik, sein Mythos, waren von jeher larger than life und leben entsprechend weiter. Es war wohl nicht zuletzt das überlebensgroße, schillernde an David Bowies Künstlerleben, das den amerikanischen Comic-Künstler Michael Allred dazu veranlasste eine Graphic Novel über seinen Helden zu kreieren. Zusammen mit dem Autor Steve Horton schrieb er das Skript und seine Frau Laura Allred colorierte – wie in den meisten seiner Arbeiten – seine Zeichnungen. Herausgekommen ist ein prächtiger, bunter Band, der sich nicht nur für Bowie-Fans lohnen dürfte.
Michael Allred konzentriert sich dabei auf die frühe Phase des außergewöhnlichen Talents. Vom selbstbetitelten Debüt bis zum 1974er Album Diamond Dogs, dürfen wir Bowies erste Verwandlung(en) hautnah miterleben. David Bowie eignet sich dabei hervorragend als Comic-Figur, glich sein Leben doch auch – insbesondere in diesen frühen Jahren – einem bunten Bilderbuch. Michael Allreds fantastischen Zeichnungen wurden immer schon eine Nähe zum Pop Art attestiert. Bei Bowie springen einen die Farben und Formen nur so an und man möchte versinken, und man kann sich gar nicht satt sehen. Seite für Seite, Panel für Panel wird hier ganz große Comic-Kunst abgeliefert. Was hingegen den Lesefluss am meisten stört, ist das abrupte Abbrechen der Erzählung im Jahre 74. Denn eigentlich will man jetzt erst recht noch viel mehr über Bowies unzählige (Bühnen-)Verwandlungen erfahren. Die Möglichkeit einer Fortsetzung deutet Michael Allred allerdings auch in seinem Nachwort an. Wir wollen es hoffen.
Was Allreds Arbeit besonders angenehm macht und über das Niveau etlicher weiterer Künstlerbiografien oder Biopics hebt, ist das hier auf viele Details, (nur) scheinbare Nebensächlichkeiten und vor allem auf die Partizipation Bowies mit anderen Künstlern eingegangen wird. Weder wird hier das Märchen eines großen Genies erzählt, noch ist dieser Comic eine Erzählung über Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Davon gibt es ja auch schon genug. Viel mehr erzählt Bowie von einer aufregenden Zeit, wo Tabubrüche noch sehr einfach waren. Und von einem jungen Mann, der seine Identität sucht und sein Ich letztlich aus der Summe der Menschen, die ihn umgeben zusammen puzzelt. Das entmystifiziert Bowie gleichermaßen von jedem „Genie-Kult“, wie es ihn und seine Arbeit huldigt. Und ihn letzten Endes sympathischer und menschlicher macht, als es eben die meisten anderen Genre-Vertreter mit ihren Stars schaffen. Eine schwelgerische, detailverliebte Comic-Biografie mit einer uneingeschränkten Leseempfehlung unsererseits.
Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanone und Tagträume von Michael Allred, Steve Horton und Laura Allred, 160 Seiten, erschienen bei CrossCult.