Jahrescharts der Redaktion 2019: Games
Nach Musik und Film folgt nun natürlich Games: Die Jahrescharts der Redaktion für das Jahr 2019 sind wieder befüllt mit allerlei Awards, die man so woanders nicht antrifft.
Auch wenn das Jahr 2019 ein für Gamer eher unspektakuläres in Sachen bahnbrechender neuer IPs oder bombastischer AAA-Titel war, so fanden sich doch einige hervorragend gemachte Leckerbissen, in die man sich verbeißen konnte. Wir haben uns Gedanken gemacht und sind zu folgenden Rubriken und dazu passenden Inhalten gekommen.
With Full Force
May the force be with you… Zumindest in Videospielform hört man einen Spruch wie diesen gerne, auch wenn eine direkte Star Wars-Verbindung nicht unbedingt notwendig, sondern der Verzicht darauf vielleicht sogar besser ist. Egal: Star Wars Jedi: Fallen Order hat eklatante Schwächen in fast allen Belangen, ab und an kann die “Macht” aber doch lustig sein, wenn Fähigkeiten miteinander kombiniert werden.
Ähnliches in Sachen Gameplay sieht man bei Remedys Control, zumindest was Hand-herumfuchteln-und-Leute-wegstoßen betrifft. Auch hier: Begrenzter, aber doch teils vorhandener Spaßfaktor. Weniger Macht, dafür einfach mächtig zeigt sich das bewährte Gameplay der Devil May Cry-Reihe, welches im fünften Ableger, Devil May Cry V, immer noch zu beeindrucken weiß und nach längerer Eingewöhnungsphase noch jeden aus den Socken gehaut hat.
Der Beziehungskiller 2019
Stunden, Tage, Wochen, Monate auf der Suche nach Audiologs, versteckten Botschaften, Ausrüstungsgegenständen, Bildergalerien, Hintergrundinfos, Nachrichten, Nebenmissionen, Spezial-Gegner oder ähnlich belanglosen Goodies bzw. Herausforderungen, um endlich das Gefühl eines Endes, eines Abschlusses zu erhalten: Der klassische Beziehungskiller war 2019 weder in Form von Assassin’s Creed, Far Cry, GTA oder Red Dead Redemption anzutreffen (und nein, Borderlands 3 zählt nicht dazu!).
Der Nerven-zerfetzendste, anstrengendste und jeden-Partner-auf-die-Palme-bringendste Titel des Jahres war zweifellos Sekiro: Shadows Die Twice. Noch selten zuvor hat man über einen so langen Zeitraum so lautes Aufschreien und Herumfluchen gehört wie wohl in jeder einzelnen Wohnung, wo der Titel in Berührung mit einem unschuldigen Souls-like-Fan gekommen ist.
Nebencharakter des Jahres
Zugegeben: Den Hauptcharakter aka Protagonisten des heurigen Jahres aus der langen Liste an Releases rauszufiltern wäre zwar einfacher, aber angesichts der mageren Auswahl an wirklich relevanten Figuren doch etwas langweilig (Full Disclaimer: Disco Elysium steht noch auf der To-Do-Liste der Gamesredaktion, Schande auf unser Haupt).
Deswegen, nach kurzer Überlegung die wohl unbestreitbar beste Nebenfigur von 2019: Natürlich die super-symphatische Parvati Holcomb aus Obsidian Entertainments The Outer Worlds. Perfekt zum Leben erweckt mit der Stimme bzw. dem Talent von Synchronsprecherin Ashly Burch, kann der gesamte Nebenhandlungsstrang der Figur von Anfang bis Ende überzeugen. Gut geschrieben, gut gespielt.
Gelungenstes Kickstarter-Comeback
Was lange währt, wird endlich gut. Nachdem Mighty No. 9 noch bis heute einen sauren Nachgeschmack hinterlässt, könnte man fast übersehen, dass 2019 das Jahr der erfolgreichen Kickstarter-Comebacks war. Neben mehr als gelungenen Ausgaben von ToeJam & Earl und Shenmue ist es aber vor allem Bloodstained: Ritual of the Night, welches mit ungeahnter Qualität zu überzeugen weiß. Nicht nur, dass der Titel der klassischen Castlevania-Reihe würdig ist, man kann durchaus darüber streiten, ob es nicht ein neuer Höhepunkt im „Igavania„-Genre darstellt. Trotz all der Genre-Vertreter, die das Indie-Segment aufzuweisen hat, hat in diesem Jahr dann doch der Urvater gezeigt, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört.
Im Meer der Souls-like zu Unrecht verschollen
Leben und leben lassen, wortwörtlicher Fokus auf Letzterem: So ähnlich lässt sich Souls-like beschreiben. Eine genaue Definition des (Sub-)Genres existiert zwar nicht, versierte Gamer wissen aber worum es geht. Jedenfalls wird mit diesem Begriff in gefühlt jedem zweiten Action-Adventure um sich geworfen, Fans wissen angesichts der Fülle an vermeintlichen Souls-like-Titeln kaum mehr worauf sie ihre Aufmerksamkeit legen sollen.
Unser Tipp deswegen: The Surge 2. Konnte der erste Ableger von 2017 noch nicht hundertprozentig überzeugen, aber doch mit seinem ungewöhnlichen Hauptcharakter, dem thematisch überaus düster-pessimistischen Setting sowie dem blutigem Gameplay auf sich aufmerksam machen, so macht The Surge 2 genau das, was man sich von einem Sequel erwartet. Mehr von allem. Mit einer umfangreichen und clever verknüpften Spielwelt, motivierendem Hack’n Slash-Gameplay samt feinem Upgrade-System macht das Eintauchen in diese dystopische Zukunftsvision überraschend viel Spaß. Man hofft schon mal auf weitere Ableger.
MacGuyer-Award für das beste Allzweckstool
Mit einem Kaugummi, Papier und einer Haarnadel eine Atombombe entschärfen, ja, sowas kann halt nur ein multitalentiertes Genie wie Old-School-Hero McGyver. Entsprechend Multifunktional-sinnvolles steht nun hier im Fokus. Da wäre etwa die scheinbar beliebig erweiterbare Arm-Prothese von Wolf aka The one-armed Wolf aka Sekiro im gleichnamige Action-Adventure. Vom Speer über eine Flammenwerfer bis hin zum Schirmständer kann das Teil einfach alles.
Auch gut: Die Service-Weapon von Jesse Faden in Control, die sich zwar nur in Schusswaffen, aber doch in eine abwechslungsreiche Fülle dergleichen verwandeln lässt. Passiver geht es beim herzige Kompagnon von Cal Kestus in Star Wars Jedi: Fallen Order zu: Der herzige Droide BD-1 ist nicht nur alleiniger Sympathieträger des Titels, sondern kann auch als Schlossöffner, Video-Player, Seilzug oder Hacking-Tool genutzt werden. Honorable Mention, gleich bei letztgenannten Titel bleibend: Das Lichtschwert, hier auch als Taschenlampe zum Einsatz kommend.
Virtuellste Realität
Während das VR-Segment 2019 ein wenig ins Schwächeln geraten ist und Valve allen Unkenrufen zum Trotz klammheimlich mit seiner eigenen Hardware auf den Markt geschlichen ist, gibt es nur einen Titel, der unter Benutzung der neuen IndexController wirklich zeigt, wo die Reise hingeht: Boneworks schwächelt zwar als Videospiel an sich ein wenig, die schier atemberaubende Anzahl an wegweisenden Interaktionselementen lassen einen Spieler aber nicht aus dem Staunen herauskommen. Boneworks zeigt schon heute wie das Spielen von Morgen aussehen wird und setzt Maßstäbe, die selbst Valve mit dem angekündigten Half-Life: Alyx erstmal erreichen muss.
Der absolute Mindfuck von 2019
Ok mal ganz ernsthaft: Ja, das Grundgerüst an „Handlung“ im weitesten Sinne ist bei Control ja vorhanden, aber was sich dann so abgespielt hat, dürfte wohl auch den talentiertesten Philosophie-Psychologie-Traumdeuter auf eine harte Probe gestellt haben. Man will ja aufgeschlossen sein und neuartige Konzepte gut heißen, aber hier wurde ein wenig zu viel auf die Do-it-yourself-Pedal im interpretativen Story-Vehikel gedrückt.
Auch richtig crazy ging es in Sachen Charaktere bei Devil May Cry V zu, aber das sind ja eher Old-News. Ein Titel mit diesem Namen muss natürlich Gameplay vor Handlung platzieren (oder doch nicht?), weswegen ein mit Motorrad-Hälften um sich schlagender Dante vor allem Neulinge der Serie verblüffen dürfte. Verblüffung übrigens auch im Blut-und-Beuschel-Universum von NetherRealm Studios: Ja, auch in Mortal Kombat 11 liegt ein vergleichsweise großer Fokus auf *gasp* der Handlung, diesmal geht es aber neben bekannten Zeitsprüngen auch in Richtung alternative Timelines. Ja, es wird langsam echt kompliziert.
Post-Apokalypse gefällig?
Die Welt erleben, nachdem sie zerstört, geplündert, verstrahlt und/oder mit Bestien jeglicher Art wieder bevölkert wurde. Als Spieler in post-apokalyptischen Welten herumgurken hat natürlich seinen Anreiz, sonst wären ja über die Jahrzehnte hinweg nicht so viele hervorragende Titel dahingehend veröffentlicht worden. Aber in diesem Jahr war das Setting wohl besonders beliebt, blickt man etwa auf folgende (garantiert nicht vollständige) Auflistung: Far Cry New Dawn, Terminator: Resistance, Rage 2, Metro: Exodus, Code Vein, World War Z, Rad, The Surge 2, Death Stranding und Days Gone. Können wir jetzt mal ein wenig in Richtung Retro-Futurismus abschweifen – Looking at you, Bioshock?
Musik-Perle des Jahres
Um ehrlich zu sein: Im Vergleich zu den Jahren zuvor war 2019 in Sachen Videospiel-Soundtrack doch eher mager. So wirklich im Gedächtnis geblieben ist zumindest bei uns etwa nur die echt schwermetallige Kulisse des (ja, eigentlich 2019 lediglich für Konsolen erschienenen, aber egal) 2D-Plattformers Valfaris, der auch noch mehreren Stunden noch ziemlich catchy bleibt und wie der langhaarige Headbanger ins Slayer-Konzert passt.
Aber Geschmäcker sind ja verschieden, weswegen nicht nur Metal-, sondern auch Pop-Klänge hier untergekommen sind: Sayonara Wild Hearts bezeichnet sich als „dreamy arcade game“ bzw. „pop album video game“, was in Kombination überaus passend und beschreibend erscheint. Wir empfehlen: Den Trailer ansehen und versuchen, den Ohrwurm nicht eine Woche mit sich herumzutragen.
Schräger Free-Jazz-anmutender Soundtrack kann bei Ape Out grundsätzlich schon gefallen, das Sounddesign gibt einem dann aber den Rest: Dieses wird mit Gameplay effektvoll in Verbindung gebracht wird, wenn etwa Gegner gegen eine Wand gerammt werden, kommt passend Schlagzeug zum Einsatz. Muss man gesehen, gehört und gespielt haben.
Die Wishlist für 2020
Das Jahr 2019 war ja ganz nett, aber 2020 wird – ganz abseits vom antizipierten Start der neuen Konsolengeneration seitens Sony und Microsoft – wohl etwas spektakulärer werden. Mit dem Ende der aktuellen Konsolen kommen meist auch die technisch und inhaltlich ausgereiftesten Titel auf den Markt, so ein schneller Rückblick auf die Geschichte.
Apropos Rückblick: Wenn es war ist kann man sich wohl auf den Anfang von Final Fantasy VII Remake freuen, sprich dem ersten Teil der Neuauflage des JRPG-Klassikers. Nicht minder groß ist natürlich die Erwartungshaltung in Richtung Cyberpunk 2077: Was hier versprochen wird und was hinsichtlich der Gesamtqualität mit The Witcher 3 vorgelegt wurde, muss erst mal eingehalten werden. Spannend in Sachen Qualität wird auch eine Riege von Sequels, die in ihren jeweiligen Nischen Kultstatus errungen haben: Das verschobene Doom Eternal will zum hervorragenden Vorgänger aufschließen, was uns freuen würde.
Auch schon Jahrzehnte in der Branche vertreten ist die Streets of Rage-Reihe, die mit Streets of Rage 4 einen neuen Anstrich bekommt, der gefällt. Weniger lang am Markt, dafür richtig draufgängerisch ist wohl Dying Light, ein Zombie-Parkour-Hack’n Slash-FPS-Action-RPG-Hybrid, der abseits des Titels völlig überzeugt hat. Der Nachfolger, Dying Light 2, steht in den Startlöchern. Abschließend dürfen die beiden Blockbuster-Titel Ghost of Tsushima und The Last of Us Part II nicht vergessen werden, die wohl durch Exklusivtitel-Status kräftig die Sony-Kassen klingeln lassen dürften. Eine nette Antwort seitens Microsoft ist da natürlich Senua’s Saga: Hellblade II. Es wird ein gutes Jahr für Gamer.