Die Schreckenskammer des Dr. Thosti
Liebe Jäger des verlorenen Filmes, es ist mal wieder ein ganz besonderes, weil super seltenes Exemplar, das wir uns auf den filmischen Seziertisch legen. Zumal ist es prominent besetzt, bietet gotischen Schauer und ist gar appetitlich angerichtet. Und nein, es handelt sich nicht um einen Streifen der beliebten Hammer-Schmiede. Der vorliegende Patient ist eine Wiederentdeckung aus Amerika, die aber durchaus als Blaupause für die bald florierenden Hammer-Produktionen verstanden werden darf …
Die Schreckenskammer des Dr. Thosti
OT: The Black Sleep , USA, 1956, Regie: Reginald Le Borg, Drehbuch: John C. Higgins, Mit: Basil Rathbone, Lon Chaney Jr., Bela Lugosi u.a.
Anno 1872: Dr. Thosti (Basil Rathbone) ist im Besitz einer speziellen Droge, die den Konsument in einen todesähnlichen Schlaf versetzt. Mit eben dieser kann er den unschuldig zum Tode verurteilten Chirurg Dr. Ramsey (Herbert Rudley) aus dem Gefängnis befreien. Die Gefängnisleitung hält Ramsey für tot, Thosti nimmt ihn unter seine Fittiche. Dieser forscht nämlich am menschlichen Hirn, um seiner geliebten Frau, die an einem Hirn-Tumor erkrankt ist, das Leben zu retten. Ramsey hilft anfangs bereitwillig – nicht ahnend das Dr. Thosti schrecklich verunstaltete Menschen, die Opfer seiner Forschungen, im Keller seines Schlosses gefangen hält.
Die Schreckenskammer des Dr. Thosti oder The Black Sleep, so der Original-Titel, ist ein wenig bekannter Mad-Scientist-Streifen aus den späten 50er Jahren. Das Label Anolis hat ihn eben ausgegraben und wie gewohnt toll restauriert. Es handelt sich dabei um die erste deutsche Veröffentlichung des Films, ziemlich genau 60 Jahre nach seiner Kinoauswertung. Dass der Film so lange verschüttet war, ist mit Blick auf seine Besetzungsliste mehr als unverständlich. Mit Basil Rathbone, Lon Chaney Jr., Bela Lugosi, John Carradine und Tor Johnson vereint der Film gleich fünf Ikonen des damaligen Horror- und Schundfilms. Zwar dürfen alle genannten, mit Ausnahme von Rathbone, in (meist stummen) Nebenrollen „brillieren“ – das macht die ganze Angelegenheit aber nur um so kurioser.
Dr. Thosti heißt im Original Dr. Cadman. Warum es zu dieser Umbenennung kam, lässt sich wohl nur mit marketingstrategischen Maßnahmen erklären – klingt der Filmtitel doch nun sehr ähnlich wie der eingedeutschte Titel von House of Wax (1953): Das Kabinett des Professor Bondi, der nur kurz zuvor entstand. Regie führte übrigens der Österreicher Reginald Grobel, der in den USA unter dem Pseudonym Reginald Le Borg 44 Spielfilme und über 100 TV-Episoden drehte und den Ruf eines professionellen Handwerkers hatte. Basil Rathbone spielt Dr. Cadman/Thosti angenehm zurückhaltend und ist allein schon die Wiederentdeckung dieses kleinen Gotik-Schauermärchens wert. Bela Lugosi beendete mit seiner Rolle als stummer Butler seinen letzten vollständigen Film. Der Mann ist deutlich vom Drogenkonsum gezeichnet, und es ist schade, dass er mit einer so wenig rühmlichen Rolle Abschied nahm. Trotzdem schön, ihn dabei zu haben. Lon Chaney Jr. und Lugosi hatten eine jahrelange, wechselseitige Antipathie, nachdem Chaney Lugosis „Dracula“-Mantel übernahm. Angeblich kam dieser Zwist während der Drehzeit besonders zu Tage. Tor Johnson darf wie gewohnt, hünenhaft aber stumm, ein paar Mal durchs Bild watscheln und der begnadete Overactor John Carradine darf einen verrückten Rauschebart spielen, der sich für einen Kreuzritter hält.
Der Film selbst ist weder übermäßig originell, noch spannend, kann jedoch durch sein Handwerk überzeugen und bietet darüber hinaus einige, für die damalige Zeit, drastische Aufnahmen, wie eine Operation am offenen Hirn, mit austretender Hirnflüssigkeit. Letztlich ist er eine wahre Entdeckung für die Liebhaber der alten Helden, die für diesen kleinen, aber charmanten Genre-Vertreter zusammenkamen. In diesem Sinne: Chapeau, dass hier mal wieder eine lohnenswerte Wiederentdeckung ausgegraben und schön aufbereitet wurde.
Ich bin kurz davor, meine alten Universal Frankensteins wieder auszupacken. Ihr lasst einstweilen die Finger von todesähnlichen Drogen und bleibt bitte auch so seltsam!