Behemoth-(c)-2015-Viennale-(2)

Behemoth

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Dokumentation

Das der chinesische Dokumentarfilmer Zhao Liang mit seinem Heimatland auf Kriegsfuß steht, dürfte bei der Betrachtung seiner bisherigen Werke (Das chinesisches Rechtssystem in Petition, Polizeigewalt in Crime and Punishment) wohl außer Frage sein. Sein neuester Film Bei xi mo shou („Behemoth“) beschäftigt sich auf poetische Weise mit dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur. Wobei anzumerken ist, das der Ausdruck „Zusammenspiel“ recht weit gefasst ist, steht doch der Raubbau an der Natur selbst im überaus kritischen Auge des Regisseurs. Der Abstieg in das Inferno und die Reise durch die drei Reiche des Jenseits aus Dante Alighieris Göttlicher Komödie liefert hierbei sinngemäß eine Art losen Handlungsfaden, an dem sich die meist unkommentierten Bilder orientieren. Die weitreichende, karge Landschaft einer Kohlemine in der inneren Mongolei wird zunächst in statischen Aufnahmen präsentiert, mehrere Sprengungen legen unheimlich anmutende Bereiche der Erde dabei frei – die Reise in die Dunkelheit beginnt.

Mit langen Einstellungen führt der Filmemacher den Zuseher die bis ins Erdinnerste reichende Zerstörung der Natur vor Augen, zeigt den ironisch anmutenden Kontrast zwischen sattem, grünen Gras samt Ziegenherde und der unmittelbar dahinter befindlichen grau-schwarzen Staubhölle, in der die Working-Poor sich selbst zugrunde richten. Die sich in dieser Ausbeutungsmaschinerie befindlichen Menschen rückt Liang immer wieder in den Fokus seines Werks: Mit Dreck kunstvolle bedeckte Bauern, schwitzende und mit Metallpartikeln übersäete Stahlarbeiter werden etappenweise in einprägsamen Nahaufnahmen vorgeführt, um die Auswirkungen des eigenen Schaffens sichtbar zu machen.

 

Auf der Suche nach dem Paradies, der Erfüllung aller Träume und einem sorglosen Dasein richtet sich der Mensch selbst zugrunde. Nicht nur durch die irreversible Zerstörung des Ökosystems, sondern auch durch das eigene physische Handeln dabei: Endlos erscheinenden LKW-Kolonnen wirbeln den Staub auf, der sich in den Lungen festsetzt, einfach Staubmasken gaukeln dabei vermeintlich Sicherheit vor. Der glühende Stahl in den Fabriken vermag diese Lungen auch gleich komplett zu verbrühen.

Die Langzeitfolgen sind fatal, auch die Sinnlosigkeit des Protestes im Angesicht einer auf Produktivität ausgerichteten Wirtschaft nimmt der Regisseur mit auf seiner filmischen Reise in das nachfolgende Paradies. Dieses präsentiert sich als makellos: Baugrund neben Baugrund, Hochhaus neben Hochhaus, in den Himmel gewandt entstehen Geisterstädte im Nirgendwo – ohne Einwohner, ohne geschäftiges Treiben, ohne Leben. Einzig einige Reinigungskräfte erhalten das hübsche, teuer erkaufte Äußere (Stichwort: Immobilien-Blase) und langweilen sich dabei.

Auch wenn die diversen Zitate aus Alighieris Hauptwerk anfangs noch prä­ten­ti­ös wirken und einige fiktionale Einschübe mehr störend als nachdenklich anmuten, so findet Zhao Liangs Behemoth doch bereits nach kurzer Zeit den richtigen Ton zwischen eindrucksvoller Bildgestaltung und nachdrücklicher Bildwirkung. Eine Dokumentation, die verstört und nachdenklich stimmt, hat ihre Ziel wohl erreicht.

Regie: Zhao Liang, Laufzeit: 95 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’15