Scheißkerle (c) 2025 Andrev Walden, Luchterhand Literaturverlag(2)

Scheißkerle

Der Schwede Andrev Walden schreibt einen autofiktionalen Roman, über einen Jungen namens Andrev, und die sieben Männer, die er im Laufe von sieben Jahren seiner Jugend „Papa“ nannte. Der Titel des Buchs: Scheißkerle. Und es ist großartig.

Die Bäume des Lebens

1983 ist Andrev sieben Jahre alt, als er erfährt, dass der Mann, den er bisher für seinen Vater gehalten hat, gar nicht sein leiblicher Vater ist. Er nennt diesen Mann den „Pflanzenmagier“, weil er immer viele Kräuter anbaut und sich gerne im Schuppen einschließt. Dort nimmt er alle möglichen wilden Substanzen zu sich, was ihn zu einem unberechenbaren Pulverfass im Zusammenleben macht. Andrev und seine Mutter werden schon bald aus diesem Haushalt ausbrechen. Aber der Pflanzenmagier war ja nur der erste von sieben Scheißkerlen, die in den kommenden Jahren Andrevs Leben mitbeeinflussen werden.

Ich habe erst vor wenigen Monaten erfahren, dass ich nie sein Sohn war, und manchmal vergesse ich, dass ich dadurch von der Pflicht befreit worden bin, ihn zu lieben.

Finstere Gestalten

Andrev Walden erzählt von einer Zeit, wo die damals junge Elterngeneration, geprägt von Hippie-Kultur und freier Liebe, durchaus erstaunliche Ansichten von Pädagogik vertrat. Etwa wenn die Kinder sich im selben Bett aufhalten dürfen (müssen), während die Eltern sich im Beischlaf üben. Können die Kleinen ja was lernen von.

Scheißkerle ist eine Coming-of-Age-Geschichte, für Erwachsene geschrieben. Der Autor erzählt aus der Sicht seines jüngeren Selbst und lässt uns beinahe schmerzhaft nahe an seinen Erfahrungen und Empfindungen teilhaben. Das alles in einer ebenso pointierten wie poetischen Sprache eingewoben. So richtig zum Lachen ist einem trotzdem eher selten bei dieser Lektüre. Zu wahrscheinlich, zu echt klingen diese Erzählungen, um wahrlich herzhaft lachen zu können.

Ich weiß, dass ich die Art Kind bin, bei der andere Leute Gänsehaut bekommen. Es ist schwer, mich zu lieben, für alle bis auf eine, und jetzt habe ich sie für mich allein, und das ist das Beste auf der Welt.

Scheißkerle ist ein Buch von, für und über Männer. Über das Selbstverständnis, mit dem Männer sich stets genommen haben, was sie wollten – und alle anderen dahinter zurückstecken mussten. Das Ganze verpackt in einen Zeitraum, der täuschend entfernt wirkt, aber vieles des darin Beschriebenen wohl auch heute noch genauso stattfindet. Die Bezeichnung Scheißkerl ist in den einzelnen Abschnitten des Romans durchaus weitgefasst. Die Ausformungen reichen von körperlichen Züchtigungen, über Vernachlässigung bis zur totalen Abwesenheit. Walden reflektiert aber nicht nur schonungslos den äußeren – auch den eigenen inneren Scheißkerl. Er tut dies nie verharmlosend, oder verniedlichend.

Trotzdem ist es vor allem die Zärtlichkeit der Sprache und die Wärme der anderen Figuren, vor allem die der jüngeren Geschwister, die den stärksten Eindruck hinterlassen. In Schweden war Scheißkerle ein Riesenhit. Man kann nur hoffen, dass er auch hierzulande ein größeres Publikum anspricht. Ein Buch, das große Breitenwirkung enthält. Gleichzeitig unheimlich erfrischend und anders erzählt. Ganz locker eines der Jahresbesten!

Scheißkerle von Andrev Walden, 416 Seiten, erschienen bei Luchterhand Literaturverlag.

Scheißkerle

Scheißkerle (c) 2025 Andrev Walden, Luchterhand Literaturverlag




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