Verrufen
Verrufen, verfallen, verlassen – mysteriöse und gefährliche Orte denen unheimliches nachgesagt wird. Es geht um dunkle Wälder, verlassene Fabrikgebäude und verzweigte Höhlen, mitternächtliche Erscheinungen und verfluchte Hotels. Doch ist an den ganzen Spukgeschichten wirklich etwas dran? Genau dieser Frage gehen die Protagonist_innen der einzelnen Geschichten nach. Und nur selten stoßen sie dabei auf eine beruhigende Antwort…
Die Kurzgeschichtensammlung Verrufen aus dem Verlag ohneohren beinhaltet zehn schaurige Geschichten von unterschiedlichen Autor_innen, ausgewählt von Ana J. Reinhardt. Die Sammlung punktet vor allem mit ihrer Diversität. Die einzelnen Texte heben sich sowohl inhaltlich als auch stilistisch sehr voneinander ab. Es werden die verschiedensten Settings und Perspektiven genutzt um den Themenkomplex „verfluchte Orte“ von allen möglichen Seiten darzustellen. Interessant ist vor allem der Fokus auf die literarischen Räume. Die Orte strukturieren die Erzählungen, haben alle ihre eigene Geschichte und liefern so komplett unterschiedliche „Spukerfahrungen“.
Wenn sich die Nacht wie schwarze Tinte über einen Ort ergießt, verschluckt sie das Licht, hinterlässt bloß vage Schatten, und sind die Lebenden fort, bleibt zurück eine schaurige-schöne Stätte. So schläft in den tiefen des Schwarzwalds zwischen dicht gewachsenen Nadelbäumen ein Hotel.
Besonders in Erinnerung geblieben sind mir vor allem die zwei Geschichten Das Hotel zu den Fichten von Resa Blum und Paranormal Buddies von Christian Bulwien.
Die erste Geschichte ist sehr charmant im Stil der deutschen Klassiker geschrieben. Resa lässt es in einem alten aber noch betriebenem Hotel spuken, der Protagonist ist ein von der Wissenschaft gewappneter Spukskeptiker. Die Geschichte bedient sich an bekannten Motiven aus der Schauerromantik und fühlt sich an wie eine literarische Zeitreise ins 18. und 19. Jahrhundert.
Paranormal Buddies berichtet von einer paranormalen Begegnung der anderen Art. Viel mehr will ich gar nicht vorwegnehmen. Eine mysteriöse Ausgangslage wird nach und nach entschleiert, ab einem gewissen Zeitpunkt kann man schon annehmen, worauf das Ganze hinausläuft, das tut der Spannung trotzdem nichts ab.
Alles in allem handelt es sich um eine sehr abwechslungsreiche Kurzgeschichtensammlung, die mit ihrer thematischen und stilistischen Bandbreite überzeugt, was bei Anthologien wie dieser nicht immer der Fall ist. Präsentiert werden verspukte Häuser, verlassene Dörfer, japanische Geister und vieles mehr. Für mich war nicht jede Geschichte ein Volltreffer, was ich bei so einer Diversität jedoch eher der Tatsache zuschreiben würde, dass die Geschichten verschiedene Geschmäcker bedienen, als dass die Eine wirklich schlechter als die Andere wäre. Eine klare Empfehlung!
Verrufen von Ana J. Reinhardt (Hrsg.), mit Geschichten von: Ann-Kristin Hensen, D. Brahms, Morgan D. Crow, Resa Blum, Florian Krenn, Christian Bulwien, Agnes Sint, Marc Mair-Noack, Randolf Eilenberger und Nicola Hölderle, 150 Seiten, erschienen im Verlag ohneohren.