Jahrescharts der Redaktion 2018: Games
Couch-Coop-Madness
Was als Film eine miserabel geschriebene Knast-Schnulze wäre, wird als interaktives Coop-Abenteuer ein kaum beachtetes Meisterwerk. Unter brillanter Regie gibt es im Rache-Epos A Way Out kaum einen Moment der nicht perfekt inszeniert wurde. Es gibt kein anderes Spiel, bei dem man einen besseren Abend mit einem Kumpel verbringen kann, auch wenn man nach dem Ende vermutlich für immer getrennte Wege gehen muss.
Gesehen, aber nicht gespielt
Ob nun Unwillen angesichts einzelner Genres, anderweitige Verpflichtungen oder schlicht fehlende Zeit: Bei einigen Spielen in diesem Jahr musste die Games-Redaktion aussetzen und mit tränenden Augen beobachten, wie sich der Siegeszug jener Titel durch die Kritiken der Fachpresse einstellt. So geschehen etwa beim Unterwasser-Survival-Hit Subnautica, der gerade zu Jahresende beständig in fast allen Best-Of-2018-Liste wiederfindet.
Auch dort zu finden und irgendwie immer noch nicht nachvollziehbar (eben weil: nicht gespielt): Tetris Effect. Zur Strafe vielleicht neue Batterien in den Game Boy einlegen und eine Runde des Originals spielen? Apropos reduzierte Schwarz-Weiß-Optik: Der neue Titel von Lucas Pope (Papers, Please) mit dem schmucken Namen Return of the Obra Dinn macht nicht nur mit seiner Präsentation, sondern auch inhaltlich einiges her. Habe wir gehört.
Ungerechtfertigster Hype
Wenn Nintendo damit Erfolg hat, warum eigentlich nicht auch Sony? Dachte sich zumindest Sony und ließ mit der Playstation Classic eine der denkwürdigsten Konsolen für Neulinge und Nostalgiker wieder aufleben. In kleinem Format mit hübscher Vollplastik-Optik baute man einfach mal auf dem selben Konstrukt auf, nur um damit quasi mit Vollgas gegen die Wand des Verbraucher-Unverständnisses zu krachen.
Nur 20 teils sehr zweifelhafte Klassiker aus den 90er Jahren finden sich an Bord der Mini-Konsole, Hacker fanden dann gleich mal 36 weitere, die nicht verfügbar waren bzw. sind. Keine Bonus-Features, teilweise nur PAL-Versionen der Spiele (mit schlechteren Bildwiederholungsfrequenzen) und wie auch bei der Konkurrenz nervige Kabel bei den Controllern (man hat nichts gelernt) lassen ein eher dürftiges Gesamtbild zurück. Kein Wunder also, dass der Preis mittlerweile rapide gefallen und das Hoffen auf Hacker-Weiterverwertung in den Vordergrund gerückt ist.
Eindeutig: Der Mindfuck des Jahres
Man musste ja nicht unbedingt ein großer Fan des Fallout-Universums gewesen sein, um die offensichtlichen Mängel beim Konzept von Fallout 76 zu sehen. Ein reiner Multiplayer-Titel wurde schon vorab von der Fanbase skeptisch beäugt, was sich Bethesda Softworks aber in weiterer Folge alles geleistet hat, kann nur als Fiasko kategorisiert werden. Man denke dabei gar nicht mal an die leb- und witzlose Spielwelt, die Kritikern und Gamern gleichermaßen missfiel, sondern vielmehr die Kontroverse rund um die minderwertigen Special-Edition-Taschen, die für viel Geld erstanden wurden und zusammen mit halbherzigen Entschuldigungen seitens des Bethesda-Supports sowie lächerlicher Entschädigung (in Form von In-Game-Währung) für Verärgerung sorgten. Oben drauf dann noch ein kleines Datenleck beim selbsten Support-System und fertig ist der schlechte Ruf. Der Preis für den Titel ist mittlerweile rapide Gefallen, wir vermuten die Spieleranzahl wohl ebenso.
Indie-Geheimtipp des Jahres
Eine Kombination aus dem 30-Sekunden-RPG Half Minute Hero und der renommierten Zelda-Reihe erwartet den Spieler bei Minit. Was bei Minit so eindrucksvoll funktioniert ist der gelebte Minimalismus, der im Grunde den gesamten Spannungsbogen eines Zelda-Titels in eine winzige Packung quetscht, in der keine Sekunde irgendwie verschwendet wird. „Nach einer Minute bist du tot“ ist die Devise und den Entwicklern gelingt es wieder und wieder, dieses Prinzip clever auszubeuten. Eine Design-Perle, die man nicht übersehen sollte.
Mega-Event 2018
Nirgendwo wird die Gaming-Kultur in seiner geballten Vielfalt so hemmungslos abgefeiert wie bei Nintendos Prügelorgie Super Smash Bros. Ultimate. Angefangen in den 70ern mit Pac-Man bis hin zu aktuellen Franchises wie Splatoon findet sich hier alles, was auch nur irgendwie mit Gaming-Nostalgie verbunden werden kann. Smash Bros. entwickelt sich immer mehr zum Kult-Ereignis, an dem kein Weg vorbei führt – ein weiterer Meilenstein auf dem Weg an die Spitze der Verkaufscharts für Nintendos erfolgreiche Switch-Plattform.
Klein aber fein
Fans von SquareEnix-Titeln haben es nicht einfach. Kaum ein Developer stolpert so unbeholfen durch die Zeiten wie die japanische JRPG-Spieleschmiede. Manchmal sind die Releases so durchwachsen mit exzentrischen Ideen und halbgaren Konzepten, dass es einfach ist zu vergessen, wo eigentlich die Stärken des Publishers liegen. Octopath Traveler hat im Jahr 2018 eindrucksvoll erinnert, wo diese Stärken verankert sind: In extrem unterhaltsamen Spielsystemen, denkwürdigen Soundtracks und charmanter, authentischer Präsentation.
Titanic-Award
Selten hat ein Publisher sich selbst so eindrucksvoll abgeschossen wie Konami in diesem Jahr. Metal Gear Survive ist wohl vorläufig alles, was von dem ehemals renommierten Millionen-Publisher übrig bleibt. Das Spiel glänzt durch völlige Abwesenheit irgendeiner kreativen Vision und ist so lau und einfallslos, wie es noch selten ein Titel sein konnte. Das Spiel ist in der Tat so schlecht, dass statt Schadenfreude nur noch Mitleid übrig bleibt.
Gekonnter Genre-Neustart
So gekonnt hat noch selten jemand ein Genre mit einem Streich umdefiniert. Reduktion auf das Notwendigste ist die Devise bei der Indie-Perle Into The Breach und so bleibt wirklich nur das reine Konzentrat übrig, welches das Taktik-RPG-Genre so unwiderstehlich macht. Beinahe wird daraus sogar ein prozedurales Puzzle-Spiel – aber wer schaut schon so genau hin.