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Interview mit Jonas Riemer (Regisseur von Mascarpone)

Der Gangsterfilm Mascarpone sorgte während dem diesjährigen Festival der Nationen für Aufsehen. Jonas Riemer, seines Zeichens Absolvent der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und Regisseur des Werks, stand uns in seinem Interview Rede und Antwort.

pressplay: Wie ist deine Liebe zum Film entstanden?

Jonas Riemer: Ich fand das Thema Film schon seit meiner Kindheit total faszinierend und habe dann mit 12 Jahren, zusammen mit Freunden, auf dem Dachboden meiner Eltern erste Filme gedreht. Dabei handelte es sich um Sketche, die wie eine Nachrichtensendung aufgebaut waren. Wir berichteten darin immer von total absurden Nachrichten, die wir uns zuvor selbst ausgedacht haben. Durch diese Tätigkeit nahm ich Film dann auch anders wahr. Gerade in den letzten 10 Jahren finde ich es total faszinierend, diese ganz alten Klassiker zu entdecken. Das reicht vom Anfang der Filmgeschichte bis in die Gegenwart. Es ist dabei einfach interessant zu sehen, welche krassen Sachen die ersten Pioniere bereits erschaffen konnten.

War es schon immer dein Ziel Regisseur zu werden?

Ich denke schon, ja. Obwohl ich zu Beginn auch mal Schauspieler werden wollte, war ziemlich schnell klar, dass ich eigentlich in der Regie arbeiten möchte. Dieses Feld ist die perfekte Kombination aus allem. Ich habe gerne gezeichnet und mich für Schauspiel, Musik, Dramaturgie, Schnitt oder eben Film im Allgemeinen interessiert, was sich dann schlussendlich in der Regie vereint.

Welche Regisseurinnen und Regisseure würdest du als deine persönlichen Vorbilder bezeichnen?

Da gibt es eine lange Liste. Besonders faszinierend finde ich natürlich Michel Gondry, der technisch unglaublich raffinierte Sachen gemacht hat. Ich bin auch ein großer Fan von Scorsese oder Denis Villeneuve. Ein traditioneller Kandidat wäre noch Fritz Lang, der Maßstäbe im Fantasy-Genre gesetzt hat.

Kanntest du das Festival der Nationen bereits vor der Einreichung deines Kurzfilms?

Tatsächlich nicht, muss ich gestehen. Ich habe Christian Gaigg auf der Diagonale in Graz getroffen. Er hat dort meinen Film gesehen und gefragt, ob ich ihn nicht bei seinem Festival einreichen will. So bin ich dann zu dieser Möglichkeit gekommen.

Wie unterscheidet sich das Festival der Nationen von anderen Veranstaltungen dieser Art?

Es ist sehr persönlich, weil es einen relativ kleinen Rahmen hat. Gleichzeitig ist es aber auch international und man lernt die unterschiedlichsten Leute kennen. Die Gegend ist mit diesem wunderschönen See am Alpenrand ebenfalls einzigartig. Beeindruckt hat mich außerdem der direkte Austausch von Jury und Publikum, da ich das in dieser Form noch nie erlebt habe. Oft schaut sich die Jury deinen Film bereits vor dem Festival an und ist dabei total abgeschottet.

Wie entstand die Idee zu Mascarpone?

Ich habe Animation studiert und war schon immer ein Fan von Gangsterfilmen. Daher musste mein Film unbedingt etwas mit Gangstern zu tun haben. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass ich keinen reinen Animationsfilm, sondern eine Mischung aus Realfilm und Animation verwirklichen will. Des Weiteren wollte ich mit ganz vielen Referenzen und Anspielungen auf andere Filme arbeiten. Eine Ode an das Kino selbst. Aus diesem Grund stand relativ schnell fest, dass die Hauptfigur ein Filmvorführer sein muss. So kann man die ganzen Referenzen ziemlich gut einbauen, mit dem Medium spielen und alles mit einer gewissen Leichtigkeit versehen. Auf diese Weise wurde die Figur des Filmvorführers Francis geboren. Der Kern der Geschichte bestand darin, dass der Charakter im Laufe der Handlung das Auto des Gangsterbosses Mascarpone rammt. Von da an hat sich das Buch mit Hilfe zweier Drehbuchstudenten stetig weiterentwickelt.

Gab es Werke, die dich während der Realisierung deines Films inspiriert haben?

Auf jeden Fall. Ich habe mir sehr viele alte Klassiker des Gangsterfilms angesehen, wobei mich vor allem die Zeit der 30er Jahre aufgrund der Geburtsstunde des Genres interessierte. Da kommt man dann an prägenden Werken wie Little Caesar, Scarface oder Good Fellas nicht vorbei. Zusätzlich waren Filme wie Metropolis und M – Eine Stadt sucht einen Mörder eine reichhaltige Inspirationsquelle. Im Film gibt es dann, direkt oder indirekt, relativ viele Anspielungen auf diese Werke. Manche sieht man sogar überhaupt nicht, aber sie sind trotzdem irgendwie da.

Was war für dich die größte Herausforderung während der Dreharbeiten?

Man muss sehr viel Fantasie haben, um sich das Was, Wo und den jeweiligen Kontext vorstellen zu können. Dieser Film ist ein riesiges Mosaik aus ganz vielen Bestandteilen. Dabei wurde viel vor Green Screen gedreht, andere Sachen in der Miniatur und man muss immer das große Ganze im Blick haben. Das war ziemlich schwer. Natürlich ist alles im Storyboard visualisiert und man weiß ganz genau, dass jetzt mit dem Hintergrund oder den Schauspielern gearbeitet werden muss. Trotzdem ist es echt schwer, während einer bestimmten Sache immer an alles zu denken. Manchmal verliert man sich auch ein bisschen zu sehr in Details oder Tricks und vergisst dabei wieder auf andere wesentliche Dinge. Wir haben auch relativ lange gedreht. Dazu kam viel Stop Motion, was natürlich enorm zeitaufwändig ist.

Wie lief der Entstehungsprozess der beeindruckenden Kulissen ab?

Wir haben eine Stadt aus Pappe gebaut, die ungefähr 50 einzelne Häuser im Maßstab 1:10 umfasste. Natürlich haben uns neben Szenografen der Universität auch viele Freunde, Verwandte und Bekannte beim Bau unterstützt. Trotz einiger Vorgaben und Referenzen, an die sich alle halten mussten, war das im Prinzip ein Projekt, wo jeder mitarbeiten und sein individuelles Haus kreieren durfte. Da alles aus Pappe besteht, passen die unterschiedlichen Designs auch ganz gut zusammen und ergeben schließlich diesen einzigartigen, handgemachten Look. Man hätte natürlich alles von Szenografen bauen lassen können, aber wir hatten zum einen gar nicht so viele zur Verfügung und zum anderen wäre das am Ende vielleicht zu perfekt gewesen. Dann gab es noch einen großen Teil von Sets, die von meiner Szenografin Jenny Sonnenschein am Reißbrett und im Maßstab 1:1 haargenau geplant beziehungsweise konstruiert wurden. Dann gab es noch Max Schönborn, der drei große Autos aus Holz und Pappe gebaut hat, in denen wirklich Leute saßen. So passten sie dann in diese Welt und wir konnten damit auch eine gewisse abstrakte Note hinzufügen. Die Kulissen waren extrem viel Arbeit und benötigten eine Bauzeit von etwa zwei Monaten. Von jedem Set bis zum kleinsten Prob ist im Film eigentlich alles gebaut und handgemacht.

Wie viele Personen haben am Film mitgearbeitet?

Es haben über einen Zeitraum von drei Jahren ungefähr 140 Leute direkt mitgearbeitet. Wenn man alle Danksagungen einbezieht, sind es sogar über 200 Menschen. Diese waren natürlich nicht ständig vor Ort. Einmal waren zum Beispiel 20 Leute am Set und als der Dreh vorbei war, kamen 30 neue Personen, die wieder etwas anderes gemacht haben. Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass bei einem Studentenprojekt so viele Menschen involviert sind.

Hast du bereits ein neues Projekt ins Auge gefasst?

Ich habe mehrere Sachen im Kopf, die aber noch nicht so ausgereift sind, um darüber zu sprechen. Auf jeden Fall könnte ich mir vorstellen, erneut etwas mit Pappe umzusetzen. Vielleicht einen Superheldenfilm in einer ähnlichen Ästhetik. Momentan würde ich aber gerne einen Animationsfilm drehen, der ein bisschen kleiner und intimer ist.

Welche Art von Film würdest du gerne zukünftig für ein breiteres Kinopublikum umsetzen?

Mein Traum wäre natürlich irgendwann einen Langfilm zu machen, aber davor habe ich noch großen Respekt. Ich könnte mir aber tatsächlich vorstellen, ein Projekt im Stil von Mascarpone als Langfilm zu realisieren. Eben weil es so etwas noch nicht gibt. Es wäre machbar und ist sicher nicht so viel schwieriger als dieser Kurzfilm. Natürlich müsste man dann mehr Zeit in die Story investieren. Im Großen und Ganzen würde ich schon ganz gern einen experimentellen Langfilm umsetzen, der viel mit Animations- und Realfilm spielt. Beide Sachen zu verknüpfen ist für mich nach wie vor sehr spannend und daher möchte ich in diese Richtung noch mehr machen.

Gibt es etwas, das du angehenden Filmschaffenden mit auf den Weg geben möchtest?

Jeder Regisseur sollte auf sein Team vertrauen und ihm die Möglichkeit zur Entfaltung geben. So kann es über die Grenzen des Machbaren hinausgehen und etwas Innovatives erschaffen. Wenn Leute Spaß am Film haben, dann überträgt sich das auf jeden Fall auf das Publikum. Film ist kein hierarchischer Prozess, der von oben nach unten abgearbeitet wird. Natürlich gibt es auch solche Fälle, aber dann funktioniert es nicht. Wenn sich Leute bloß wegen der Arbeit abrackern, wird das Publikum es merken. Produzenten müssen Mut aufbringen und den Regisseuren die nötige Freiheit gewähren. Sie sollten die Filmemacher außerdem, so gut es geht, mental unterstützen. Freiheit und Vertrauen sind hier die großen Themen. Das klingt vielleicht pathetisch, aber es ist schon auch eine Frage des Glaubens, wenn man einen Film realisieren möchte.

Vielen Dank für das Gespräch.




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