Interview mit Doris Bauer (Jury)
Zu sagen Doris Bauer kennt sich mit Kurzfilmen aus, wäre immer noch eine Untertreibung, immerhin ist sie die Programmleiterin der Vienna Independent Shorts. Passend also, dass sie beim Festival der Nationen in der Jury sitzt.
Leider hat ihr das Wetter aber übel mitgespielt, weshalb sie gerade den einzigen sonnigen Tag und somit den Grillabend verpassen musste. Zum Glück war sie aber fit genug sich für ein Interview zur Verfügung zu stellen.
pressplay: Nach welchen Kriterien gehst du beim Beurteilen der Filme vor?
Doris Bauer: Hm, das ist eine gute Frage, weil es wirklich darauf ankommt mit wem man diskutiert und wo die Schwerpunkte liegen. Durch meine Funktion als Programmleiterin bei den Vienna Independent Shorts schaue ich sehr viele Kurzfilme und da funktioniert das ein bisschen anders als hier. Hier ist man dahingehend herausgefordert, weil die Filme gleich im Anschluss besprochen werden, während man normalerweise mehr Zeit hat die Filme wirken zu lassen. Dadurch bekommt man ein anderes Gefühl für den Film und zusätzlich kommt es natürlich auch darauf an ob die Filmemacher anwesend sind oder nicht. Aber dadurch legt man auch andere Maßstäbe an, vor allem wenn die Filmemacher da sind, weil man dann vermehrt das Anliegen des Films und der Macher wertschätzen und verstehen möchte. Darauf eingehen zu können ist durchaus eine Herausforderung, vor allem bei Filmen, die nicht meinen persönlichen Geschmack treffen. Man versucht dann vor allem konstruktives Feedback zu geben und sie nicht irgendwie zu entmutigen. Der Fokus der Filme liegt hier sehr stark auf der Narration und dem wie Geschichten erzählt werden, also auf dem Drehbuch und das ist jetzt nicht unbedingt mein persönlicher Schwerpunkt bei Kurzfilmen. Natürlich ist es wichtig, dass es ein gutes Drehbuch gibt, aber ich finde auch andere Merkmale im Film sehr wesentlich.
Wie unterscheidest du denn dann zwischen den „Amateurfilmen“ und den „Profifilmen“? Vor allem weil die „Amateurfilme“ ja doch gerade im technischen Bereich nur schwer mit den „Profifilmen“ mithalten können. Wäre es für dich sinnvoller diese Bereiche zu trennen?
Ich selber finde diese Diskussionen im Anschluss sehr schwierig, wenn diese beiden Arten im tatsächlichen Wettbewerb miteinander stehen. Warum sie so programmiert sind, weiß man genau, eben weil das Festival ursprünglich für den Amateurfilm gedacht war, aber es ist dann schwierig sie zu besprechen und fair zu diskutieren, weil es einfach eine andere Herangehensweise und Basis des Filmemachens ist. Aber gleichzeitig ist das durchaus ein wesentliches Merkmal des Festivals und darauf sollte man auch nicht verzichten. Man könnte sich jedoch überlegen, wie könnte das besser funktionieren und fairer für alle Beteiligten sein?
Man muss sich dann nicht nur selbst schnell anpassen, sondern auch die Maßstäbe an die Filme, denke ich.
Was ich finde und was ja auch sehr auffällig ist, ist die Pause zwischen den einzelnen Filmen, wo es nochmal eine Moderation zum nächsten Kurzfilm gibt, es wird hell im Saal. Das ist natürlich eine formale Entscheidung des Festivals, ob man die Filme alle direkt hintereinander zeigt oder eben diese kurzen Pausen macht. Da muss ich sagen, gerade wenn das Festival so divers ist, finde ich es gut, dass es eben diese kurzen Pausen dazwischen gibt. Dadurch kann man aus dem vorherigen Film aussteigen und sich auf den nächsten besser vorbereiten.
Was sind deine bisherigen Highlights?
Also ich kannte schon einige Filme und es war spannend sie wieder zu sehen. Bei anderen habe ich mir wiederum gedacht, dass ich die irgendwie besser in Erinnerung hatte. Was aber das ganz besondere an diesem Festival ist, sind eben diese Gespräche nach den Filmblöcken. Das kommt ja auch beim Publikum sehr gut an und macht auch das Festival zu etwas speziellem, weil es das in der Form bei keinem anderen Festival gibt.
Mit welchen Schwierigkeiten siehst du dich als Jurymitglied konfrontiert?
Aus der Perspektive eines Jurymitglieds muss ich aber auch sagen, dass ich teilweise schon überfordert war diese Fülle an Filmen fair und geduldig zu besprechen, weil es einfach doch sehr viele waren, dass ich am dritten Tag schon irgendwie durch war (lacht). Da ist es danach dann immer schwerer geworden jedem Film frisch und aufgeschlossen zu begegnen.
Es ist ja dann auch irgendwie unvermeidlich, dass man sich wiederholt.
Ja, und die Aspekte, die man erwähnen kann, da gibt es halt auch irgendwann ein Ende. Film besteht aus ein paar wesentlichen Parametern und wenn man die alle einmal durch hat … Natürlich kann man sie bei einem anderen Film wieder anders besprechen, aber im Prinzip hat man nach ein paar Tagen auch wirklich viel darüber geredet und gesprochen.
Wie vergleicht sich das Festival der Nationen mit anderen Festivals? Was findest du das besondere am Festival der Nationen?
Ich persönlich finde es ein sehr spannendes Konzept, dass man die Filme diskutiert und auch sehr ausführlich diskutiert. Oft haben ja die Diskussionen selbst länger gedauert als die Filme, was wiederum deutlich macht, dass der Schwerpunkt hier fast mehr auf den Gesprächen nach den Filmen liegt.
Wie trennst du objektive und subjektive Sicht der Filme?
Ja, also die Frage, wie sehr ist man selbst in einer Beurteilung enthalten, die stellt sich natürlich immer. Ich glaube schon, dass es sowas wie bestimmte Regeln gibt, wie man Film machen kann. Bestimmte Regeln, die man auch an Filmschulen lernen kann und wenn die eingehalten werden, ist es zumindest mal ein technisch funktionierender Kurzfilm. Und dann kann man schon Kamera, Schnitt, also alle Elemente des Films auseinander nehmen und analysieren. Diese Analyse kann man sicher für jeden Film anwenden. Durch diese objektivierten Regeln kann man herausarbeiten ob es ein guter Film war oder nicht. Aber trotzdem, und das sieht man ja auch in den Diskussionen nachher, gibt es immer andere Stellungnahmen und Perspektiven. Letztlich gibt es aber dann trotzdem Filme, die mir wichtig sind, die mich berühren, die mich irgendwie weiterbringen oder beschäftigen. Das ist wiederum bei jedem Zuschauer anders und ich glaube das ist dann nochmal ein Unterschied. Da gibt es dann wieder unterschiedliche Geschmäcker und das ist rein subjektiv, greift aber beides auch ineinander.
Du hast ja auch beruflich viel mit Kurzfilmen zu tun, was ist denn für dich das besondere am Kurzfilm gegenüber einem Langfilm? Außer der Länge natürlich.
Ich glaube, es gibt gar nicht so viele Unterschiede. Ich glaube, dass Kurzfilme ebenso funktionieren wie Langfilme, soll heißen, dass sie auch in sich stimmig sein müssen und die wesentlichen Merkmale eines Films beinhalten müssen. Was aber die Kraft und Stärke des Kurzfilms ist, dass er in so kurzer Zeit dichte Geschichten erzählt und Emotionen auslöst und dadurch sehr knapp und fokussiert auf Themen eingeht. Der Langfilm muss im Gegensatz weitaus ausführlicher und mehr erzählen. Bei vielen Langfilmen denke ich mir, dass sie viel besser als Kurzfilme wären (lacht).
Wobei wahrscheinlich das Ziel der meisten Filmemacher ist, Langfilme zu machen.
Ja, was aber auch schade ist. Weil der Langfilm nicht unbedingt das bessere Format ist. Es ist halt kommerzieller gedacht und man hat mehr Chancen ins Kino zu kommen. Aber ich denke die Verwertungsstrukturen haben sich stark geändert und das ist sozusagen auch die große Chance des Kurzfilms. Durch die technischen Möglichkeiten und die sich verändernden Bedingungen wie man Film schaut, ist der Kurzfilm wichtiger geworden.
Natürlich, viele schauen sich unterwegs mal schnell irgendwelche Videos im Internet an und dadurch bekommt ja auch der Kurzfilm einen Markt.
Eben und das ist ja schon durch die veränderten Verwertungsmöglichkeiten gegeben. Es wird ja immer schwerer Leute ins Kino zu bringen, aber mit dem Internet sind die meisten rund um die Uhr verbunden. Da denke ich hat der Kurzfilm heutzutage große Chancen mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Vielen Dank für das Interview.