Middle-earth: Shadow of Mordor
Die Lizenzumsetzung einer beliebten Filmreihe, eingebettet in einer offenen Spielewelt und mit einem extrem generischen Namen versehen? Eigentlich ein schlechtes Omen, doch Middle-earth: Shadow of Mordor überrascht in allen Belangen. Die Entwickler von Monolith Productions konnten bisher mit Titeln wie dem Horror-FPS F.E.A.R., dem Sci-Fi Shooter Alien versus Predator 2 und dem Multiplayer-Online Gemetzel Gotham City Impostors zumindest etwas Aufmerksamkeit erzeugen. Anzuerkennen gilt jedenfalls, dass sie mit den bisher versofteten Lizenzen nicht allzu viel falsch gemacht haben, was auch bei der ersten Betrachtung von Shadow of Mordor – welches ja im Herr der Ringe-Universum einzuordnen ist – Hoffnungen weckt.
Mit einer recht grobschlächtigen Einleitung wird der Spieler an den Protagonisten Talion herangeführt, seines Zeichens Ranger (bzw. Waldläufer) aus Gondor, dessen Rolle es gilt einzunehmen. Ein erster Twist schürt das Interesse: Niemand geringeres als Sauron und dessen Helfershelfer ermorden Talion und gleich auch dessen Familie im Zuge einer Schlacht bei der Verteidigung des schwarzen Tors zu Mordor. Durch die mysteriöse, geisterhafte Elfengestalt namens Celebrimor erhält Talion jedoch sein Leben zurück, im Gegenzug soll dem gemeinsamen Feind, also dem dunklen Lord höchstpersönlich, Einhalt geboten werden. Die Handlung selbst ist dabei zwischen der The Hobbit– und der Herr der Ringe-Trilogie angesiedelt, einige mehr oder minder bekannte Charaktere treten bei diesem Rachefeldzug auch in Erscheinung.
Ein überraschend dichtes Handlungsgefüge hält die Spannung der Erzählung und auch die sich im Spielverlauf langsam erkenntliche Hintergrundgeschichte des an Amnesie leidenden Elfengeistes aufrecht, kann dabei sogar bis zum Ende hin vollends überzeugen – kein leichtes Unterfangen bei einem Open-World-Titel. In Sachen Gameplay findet sich in Shadow of Mordor ein Best-Of bekannter Action-Adventures wieder: Die offene Spielewelt mit ihrer auch hier umfassenden Nebenmissions-Vielfalt erinnert stark an die Assassin’s Creed– oder Far Cry-Reihe, während das Third-Person-Kampfsystem recht deutlich von den Batman: Arkham (Asylum, City, Origins)-Titeln „inspiriert“ ist. Aber: Dies sind natürlich nicht die schlechtesten Spielereihen und schon gar nicht die schwächsten Gameplay-Elemente, die man sich als Programmierer für seinen eigenen Titel aussuchen konnte.
Und so findet sich der Spieler nicht nur in einer atmosphärisch dichten, an allen Ecken und Enden herausgeputzten Welt wieder, sondern kann schon von Beginn an mit einer ganzen Reihe von Möglichkeiten seinen Gegnern in allen Belangen kräftig einheizen. Dabei wird zum einen der Fokus auf Stealth samt Klettereinlagen und Erkundung der Umgebung gelegt, andererseits auf Hack’n Slash-Gameplay gegen eine Übermacht an Orks, Uruks und dergleichen. Bei letzterem spielt Shadow of Mordor mit dem System der Batman-Reihe: Per Knopfdruck kann pariert, aber auch per Hechtsprung Distanz hergestellt werden; ein Kombosystem ermöglicht bei einer gewissen Anzahl von Treffern oder Abwehrmoves brachial in Szene gesetzte Takedowns und zusätzliche Spezialattacken zur Crowd-Control. Anders als der dunkle Ritter ist Protagonist Talion allerdings nicht einem Codex zum Erhalt von Leben verpflichtet, weswegen auch recht oft abgehackte Ork-Köpfe in alle Richtungen fliegen (und manchmal dabei auch die restlichen Gegner vor Entsetzen das Weite suchen).
Ein hervorstechendes Element von Shadow of Mordor stellt das sogenannte Nemesis-System dar, bei dem das Kastenwesen der Feinde in den Vordergrund gestellt wird. Vereinzelt findet sich in den Heerscharen Mordors Uruk-Anführer mit speziellen Stärken und Schwächen sowie vielsagenden Betitelungen („Ratbag the Coward“), die entweder eliminiert oder – interessanter – manipuliert bzw. kontrolliert werden können. So lässt sich etwa die Laufbahn eines ausgewählten Uruks beeinflussen, indem etwa dessen größter Widersacher oder direkter Vorgesetzter beseitigt wird. Per Knopfdruck kann (fast) jedem Gegner ein leuchtendes Brandmal auf das Antlitz verpasst werden, mit welcher dieser dann direkt für die Zwecke des Spieler einzusetzen ist – etwa die Bogenschützen einer Festung, die einen ankommenden Warchief nicht bewachen, sondern im selbst geplanten Hinterhalt unter Beschuss nehmen.
Mit Dutzenden an unterschiedlichen Nebenmissionen, sammelbaren Items und auflevelbaren Fähigkeiten bleibt der Titel über die gesamte Spieldauer hinweg unterhaltsam, wenn auch aufgrund der kurzen Zeitspanne des Auftauchens immer neuer Gegner am gleichen Ort etwas Monotonie eintreten kann. Ebenso unverständlich erscheint die anfängliche Überforderung des Spielers aufgrund der schieren Anzahl an Gameplay-Möglichkeiten, die – vor allem für Anfänger – erst nach einer recht schroffen Einarbeitungsphase beherrschbar sein dürften. Immerhin bleiben die beiden in einzelne Segmente unterteilten Areale in ihren Ausmaßen im Vergleich zu anderen Open-World-Titeln immer überschaubar und nicht künstlich aufgeblasen.
Middle-earth: Shadow of Mordor bietet für Fans des Tolkien-Universums und ausgereifter Action-Adventures also eine ganze Menge: Ein audiovisuell umwerfendes Spektakel mit überdurchschnittlich guter Handlung, das trotz seines vermeintlichen Umfangs nicht überwältigt, sondern beständig durch wohlüberlegte Spielgestaltung beeindruckt. Das fordernde Gameplay überzeugt sowohl im Stealth- als auch Actionbereich, das Nemesis-System stellt eine willkommene und unterhaltsame Abwechslung dar. Etwas größere Gegnervielfalt und abwechslungsreichere Missionen gerade gegen Ende hin wären zwar nett gewesen, aber angesichts des vorliegenden Titels stellt dies nur Jammern auf sehr hohem Niveau dar.
Plattform: PS4 (Version getestet), PS3, PC, Xbox One, Xbox 360, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 02.10.2014 (PS4, PC, Xbox One), 21.11.2014 (PS3, Xbox 360), www.shadowofmordor.com