Interview mit Arne Nostitz-Rieneck (Filmemacher)
Der Filmemacher Arne Nostitz-Rieneck ist dieses Jahr mit zwei Musikvideos auf dem Festival der Nationen vertreten. Dafür hat er sich sogar mit einem Viech angelegt und nach Elise in der Zentrale gesucht. Oder so irgendwie.
Am einzigen sonnigen Tag in Lenzing hat er sich die Zeit genommen mit uns auf einer Terasse zu sitzen und zu plaudern. Eigentlich wollte er währenddessen auch was Essen, aber irgendwie kam das nicht. Nun gut, die Antworten auf meine Fragen hab ich bekommen, ob er auch seine Mahlzeit bekommen hat, erfährt man erst am Schluss. Wir wollen ja nicht spoilen.
pressplay: Heuer bist du zum zweiten Mal beim Festival der Nationen vertreten. Was hat sich für dich im Vergleich zum Vorjahr geändert?
Arne Nostitz-Rieneck: Schwer zu sagen. Letztes Jahr war ich nur einen Tag da, deshalb ist das quasi die erste Langzeiterfahrung, die ich hab. Aber ich bin jetzt schon ein großer Fan von diesem Festival. Es ist unvorstellbar was für eine Variation an Filmen man hier sieht. Es bemängeln zwar einige, dass es auf der einen Seite die Ultra-Amateure und auf der anderen die Ultra-Profis gibt, wodurch dazwischen so eine Kluft entsteht und sie alle im Wettbewerb zueinander laufen, was es schwer macht sich ein Urteil zu bilden. Aber das macht, finde ich, viel von dem Festival aus. Dadurch schaut man auch Filme, die man sonst nie sehen oder anschauen würde. So kriegt man Themen mit und kann sich mit denen auseinandersetzen.
Was ist für dich das besondere am Festival der Nationen, dass es von anderen abhebt?
Abgesehen von der Programmierung der Filme, ist auch das ganze drumherum was besonderes. Das Familiäre, dass man hier ankommt und sofort irgendwie ein Teil von Christians Familie wird. Du hast halt hier so etwas unfassbar persönliches, als ob man die Leute alle schon ewig kennt. Es gibt hier einfach keine Berührungsängste.
Deine Musikvideos für die Band Viech, Zentrale und Elise, wurden ja in der falschen Reihenfolge gezeigt. Stört das denn bei einem Musikvideo?
Eigentlich nicht. Aber es ist lustig, weil halt doch Verständnisprobleme aufgetaucht sind und ich war beim ersten Block noch nicht da und konnte nix erklären. Da sind Unklarheiten im zweiten Video, weil es sich stark auf Sachen bezieht, die im ersten Video vorkommen. Zum Beispiel was es mit dem Huhn im zweiten Video auf sich hat, das hat halt seinen Ursprung im ersten Video. Aber im Prinzip stehen sie für sich alleine. Es sind halt nur Gags für Insider. Sie hängen so lose zusammen, es ist aber an sich nicht wichtig. Es hat dann auch noch ein kleines Zwischenvideo gegeben, das spielt eben zwischen Erstem und Zweitem und erklärt ebenfalls noch ein paar Zusammenhänge.
War es von Anfang an das Konzept der Videos eine fortgesetzte Geschichte zu erzählen?
Nein, überhaupt nicht. Das ist von alleine entstanden. Nach dem ersten Video ist die Frage aufgekommen, was wir mit dem zweiten Video erzählen wollen. Die erste Geschichte dreht sich um das Wachsen der Band. Mit dem zweiten Album sind sie zum ersten Mal in dieser Quintett-Formation aufgetreten, nicht mehr nur die zwei Leadsänger. Und das Anwachsen haben wir im ersten Video thematisiert. Jetzt zieht aber einer der Leadsänger nach Leipzig und hat die Band verlassen. Wir haben also überlegt, wie fangt man das am Besten auf und das haben wir dann mit der Socialmedia-Kampagne gemacht, indem wir das in dem kurzen Zwischenvideo aufgegriffen haben. Beides haben wir dann wiederum für das zweite Video als Backstory genommen. Im Zwischenvideo wird quasi erklärt, dass sich der Leadsänger in das Huhn verliebt hat und die gemeinsam abhauen. Das erklärt, wieso er nicht mehr dabei ist. Und der Yeti, der im zweiten Video vorkommt, hat ein gebrochenes Herz, weil das Huhn mit jemand anderen durchgebrannt ist. Es ist so, dass die Band ihre Texte im Stille-Post-Prinzip schreibt. Die haben ein eigenes Forum und da schreibt einer eine Zeile Liedtext hinein und dann der nächste wieder eine Zeile und so entstehen diese philosophisch klingenden, aber gleichzeitig komplett verrückten Texte. Zuerst haben wir mit dem Video noch versucht zu entschlüsseln, was will der Text erzählen, was will ich als Filmemacher erzählen und wie kann man das in ein Video, in eine Geschichte, packen. Aber irgendwann sind wir dann drauf gekommen, dass es viel interessanter wäre ein Performance-Video draus zu machen, wo wir versucht haben Bilder zu gewissen Textpassagen zu finden, auch wenn die vielleicht überhaupt keinen Sinn ergeben. So war dieser Prozess wahnsinnig frei und verrückt und das war sicher der erste Film, den ich mit diesem, sagen wir mal, „absurden Blödsinn“ gemacht habe, viel assoziativer als bisher.
Letztes Jahr warst du mit deinem Kurzfilm Für tot erklärt da, dieses Jahr mit zwei Musikvideos. Wie unterscheiden sich für dich die beiden Formate in der Aufnahme von Jury und Publikum?
Was mir aufgefallen ist, dass bei lyrischen Texten, die mit Bildern verbunden sind, sobald es als zu einem Fehlen einer greifbaren Geschichte kommt, entsteht da schon so eine leichte Verlorenheit bei Publikum und Jury. Weil es einfach nicht so viel zu diskutieren gibt.
Und wie unterscheidet sich deine Arbeitsweise bei Film und Musikvideo?
Wenn ich Kurzfilme mach, erarbeite ich ja die Geschichte aus einer Idee, aus einem Moment oder einer Begegnung heraus. Bei einem Musikvideo ist da wiederum eine Vorgabe von einem anderen Künstler vorhanden. Das Lied, das der Musiker geschrieben hat, ist ja schon da und mit dem sollte man sich, meiner Meinung nach, auch auseinandersetzen und nicht einfach sagen: „Ja, ich hab da eine Idee. Ich möchte schon lange was post-apokalyptisches machen.“ Und deshalb zwängt man dann sowas dem Musikvideo und in weiterer Folge dem Lied auf. Man sollte sich zuerst mit dem Text beschäftigen und schauen was das für mich erzählt, was dazu passt. Vor dem künstlerischen Werk des anderen hat man irgendwie Respekt, aber gleichzeitig sollte man auch nicht so viel Respekt davor haben, dass man nur umsetzt was er da singt, also einfach den Text simpel bebildern. Man sollte keine Verdoppelung erzeugen, die einfach keine Spannung bietet, sondern es irgendwie konterkarieren oder aufbrechen oder neuinterpretieren, damit es zu einer gewissen Spannung zwischen Lied und Video kommt.
Was kannst du für dich als Filmemacher vom Festival mitnehmen?
Ganz klar, die Gespräche mit den Filmschaffenden, die Auseinandersetzung mit Stoffen, mit denen man sich sonst vielleicht nicht auseinandersetzen würde bzw. Filme, die man sonst nirgends zu sehen bekommt. Was aber hier ganz speziell ist, sind diese Jurysitzungen, die im öffentlichen Raum stattfinden und dann Diskussionen entstehen, die bei einem einfachen Q&A nie entstehen würden. Weil man dabei Interpretationen hört, auf die man selbst nie kommen würde. Hier sind so viele Altersgruppen vertreten und da bringt natürlich jeder seine eigene Lebens- und Wissenserfahrung mit hinein und sieht Dinge in Filmen, die einem sonst nie auffallen würden. Was es für mich als Filmemacher spannend macht, ist, dass ich natürlich eine Idee hinter einer Erzählung hab, aber wenn man dann hört was andere Leute in diesen Bildern finden, in Relation eben mit ihrer eigenen Erfahrung und eigenem Wissen und das diskutiert wird, das ist phänomenal. Und da geht es nicht nur um meinen eigenen Film, sondern das trifft auch auf die anderen Filme zu, weil ja auch dort die Leute, die einen anderen Background haben als du, plötzlich mit komplett anderen Interpretationen daherkommen.
Was sind deine zukünftigen Projekte?
Im Rahmen von den Musikvideos, die auch gut vermarktet wurden, kommen jetzt immer wieder Anfragen zu neuen Musikvideos rein. Jetzt arbeite ich an zwei Musikvideos für Sony in Deutschland. Auf der einen Seite eine bayrische Band aus zwei Mädels, die so lustigen Schlager-Pop-Rock machen, und auf der anderen Seite mit einem Künstler, der so in die Deutsch-Rock Ecke geht, ist ein neuer Künstler, der im Herbst kommen wird. Also da gibt’s spannende Anfragen, die jetzt daher kommen und nebenbei arbeite ich auch an einem Spielfilm. Da geht es um eine Freundschaftsbeziehung, um ältere Leute und soziale Themen, verpackt in eine rührende Geschichte.
Vielen Dank für das Interview. (Endlich bekommt er sein bestelltes Essen, ob sich das lange Warten aber gelohnt hat, ist wieder eine andere Frage)