Interview mit Barbara S. Müller (Filmemacherin)
Das tolle am Festival der Nationen ist ja nicht nur die Atmosphäre und die Diskussionen mit Jury und Publikum, sondern auch die Möglichkeit junge, interessante Filmemacher kennenzulernen und sie zu einem Interview zu nötigen.
Fern von Berühungsängsten oder angespannten Attitüden, nehmen sich die Filmemacher gerne Zeit zum Plaudern. Wir haben uns da mal drei aufstrebende Filmemacher aus der Masse rausgepickt und sie interviewt. Auch wenn das Mainstreampublikum vermutlich alle drei noch kaum kennt, sollte man doch ein Auge offen halten, denn von diesen dreien wird man sicher noch einiges zu sehen bekommen. Den Anfang macht Barbara S. Müller, deren Dorf-Drama Nebenan auf dem Festival der Nationen sogar seine Premiere feierte.
pressplay: Dein Kurzfilm Nebenan basiert auf einem Theaterstück, wie sah da die Umarbeitung zum Film aus?
Barbara S. Müller: Nebenan basiert auf einem – für zwei Figuren geschriebenen – Theaterstück, das das Ende einer Beziehung erzählt. Für mich war es da naheliegend, den Film als Kammerspiel mit sehr wenigen Figuren und an nur einem Schauplatz zu inszenieren. Für die Figuren der Nachbarn, die ursprünglich eigentlich gar nicht physisch bzw. visuell vorhanden, sondern über die typische Mauerschau vertreten waren, habe ich dann Dialoge geschrieben.
Wie kam es dazu, dass dein Kurzfilm am Festival der Nationen seine Premiere feierte?
Das Festival der Nationen habe ich 2015 durch meine Teilnahme mit dem Kurzfilm Neonlichter, der unter anderem auch auf den 48. Internationalen Hofer Filmtagen, vertreten war, entdeckt. Ich habe mich sofort in die Lenzinger Festivalatmosphäre und das geniale Konzept offener Jury-Diskussionen verliebt und Nebenan noch während der Postproduktionsphase eingereicht. Ja, und wie man gesehen hat, hat Christian Gaigg den Film ins Programm genommen.
Was hat dich an der Geschichte von Nebenan so fasziniert?
Nebenan erzählt, wie erwähnt, die Geschichte einer Beziehung, die hoffnungslos an ihr Ende gelangt ist. Zumindest der Hauptfigur – Claudia – ist schon lange bewusst, dass ihre Ehe gescheitet ist; aber eigentlich ist es auch ihrem Mann Thomas klar, der anders damit umgeht. Trotzdem sind beide Partner unfähig, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Der Film erzählt dieses Zwischenstadium, wo dann oft nur ein kleiner Tropfen fehlt, der das Fass zum Überlaufen bringen wird. Und dass es schließlich auch überläuft, sehen wir am Ende des Films: Als Claudia von der Nachbarin – eine interessante Figur in diesem Film, die „alles“ und gleichzeitig natürlich nichts weiß – mit einem haarsträubenden Gerücht konfrontiert wird, reagiert sie anders, als man es von ihr erwartet hätte …
Der Schluss ist ja irgendwie eine Szene, die man schon aus vielen Filmen kennt, trotzdem hast du es geschafft, sie frisch und ehrlich wirken zu lassen, wie bist du an diese Szene rangegangen? Vor allem, damit sie nicht ins Klischee abkippt?
So viel kann ich über den Schluss verraten: Nachdem Claudia mit einem Gerücht konfrontiert wird, lädt sie, sozusagen „im Gegenzug“, ihre Nachbarn, mit denen sie bislang überhaupt keinen Kontakt gepflegt hat, zum Punschtrinken ein … Ich habe im Vorfeld einige unterschiedliche Schlüsse geschrieben. Nachdem ich lange mit der Hauptdarstellerin, Simone Fuith, über das Drehbuch und ihre Figur gesprochen hatte, erschien mir der Schluss, den wir schließlich gedreht haben, als der einzig Logische: Claudia schenkt den Nachbarn, die zu dieser Situation wie die Jungfrau zum Kind kommen, reinen Wein – bzw. Punsch – ein. Gearbeitet habe ich dabei mit einer Improvisation: Wir haben alle Drehbücher – bis auf die von Thomas und Claudia – mit Sperrvermerken ausgegeben. Die Darsteller/innen, die die Nachbarn verkörperten, wussten nicht, was auf ihre Figuren zukommen würde und waren erst während der Aufnahme damit konfrontiert.
Und findest du ist die Thematik auch gut rüber gekommen? Wie war dein Eindruck nach der Jury-Diskussion am Festival?
Was ich natürlich auch verraten kann ist, dass diese Szene einen recht hohen „Fremdschäm-Charakter“ hat. Obwohl die Figur auf viele Zuschauer/innen vielleicht „negativ“ wirken wird, war es mir schon wichtig, ihre Beweggründe nachvollziehbar zu machen: Sie befreit sich mit einem, zugegebenermaßen wilden, Rundumschlag aus einem Trugbild, das sie über Jahre hinweg selbst aufrechterhalten hat. Die beiden Nachbarn, die gerade erst in die Siedlung gezogen sind und mit dem ganzen eigentlich gar nichts zu tun haben, sind dabei ein Kollateralschaden. Mein Eindruck auf der Premiere am Festival der Nationen war auf jeden Fall, dass dieses Konzept wunderbar aufgegangen ist.
Wie geht es weiter? Was ist dein nächstes Projekt?
Ich arbeite schon seit längerem an meinem Langfilmdebüt. Heute habe ich erfahren, dass mein Treatment zur Drehbuchklausur am Filmfestival Kitzbühel eingeladen wurde! Also … ich würde sagen: Das kommt als nächstes! Ich glaube, dass mir viele Filmschaffende zustimmen werden, wenn ich sage, dass sich Förderungseinreichungen – gerade bei Langfilmen – oft dehnen wie Kaugummi. Für die „Überbrückungsphase“ haben wir bei indiepool (Verein, Anm.) auch kleinere Projekte auf der Liste, die möglich wären. Es bleibt jedenfalls spannend!
Vielen Dank für das Interview.
Als zusätzliche Anmerkung sei hier noch erwähnt, dass der Kurzfilm Nebenan als nächstes auf dem SOHO Int. Film Festival in New York läuft und darüber freuen wir uns natürlich auch sehr.
Wir uns auch.