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Die Einsamkeit als ständiger Begleiter Teil 2: All is Locke

Nach Alfonso Cuaróns Gravity geht es weiter mit All is Lost von J.C. Chandor, der, im Gegensatz zu Cuarón, davor erst einen Spielfilm gemacht hat und mit All is Lost ein komplett konträres Werk zu seinem Debüt Der große Crash realisiert hat. Während sein Erstling eher einem groß angelegten Ensemble-Film glich, beschränkt er sich in All is Lost auf einen einzelnen Protagonisten und setzt dieses Konzept sogar noch konsequenter und gelungener um als der viel erfahrenere Cuarón. Was auch daran liegt, dass Chandor auf unnötigen “Balast” verzichtet und sich weder mit plumpen Expositionen noch billigen (Selbst)Gesprächen aufhält. Überraschenderweise geht diese Reduzierung gewohnter dramaturgischer Standards nicht mit einem Verlust an Spannung einher, sorgt jedoch auch nicht für zusätzliche Komplexität der Hauptfigur. Viel mehr scheint Chandor ein anderes Konzept zu verfolgen.

Bereits ein Blick in das knapp über 30-seitige Drehbuch gibt einen ersten Einblick worum es dem Filmemacher geht. Der Protagonist erhält nicht einmal einen Namen, sondern wird schlicht und einfach mit Our Man bezeichnet (auch auf imdb wird er unter diesem Rollennamen geführt). Der nächste Aspekt: keine Dialoge. Our Man redet nicht mit sich selber, dem Meer, einem Volleyball oder Fischen, wozu auch? Er würde ja doch keine Antwort erhalten. Er ist komplett auf sich alleine gestellt. Weshalb das Drehbuch nur seine Handlungen schildert, sachlich und nüchtern, als würde jemand sein Schicksal akribisch dokumentieren.

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Mit beinahe stoischer Miene kämpft Robert Redford, in einer seiner beeindruckendsten schauspielerischen Leistungen, verzweifelt gegen das Meer an, welches ihm mit ebenso stoischer Gelassenheit nach dem Leben trachtet. Auch Chandor gelingt es dabei sein Drama in beeindruckende Bilder zu verpacken und spannend zu inszenieren. Gleichzeitig lässt er seinen einsamen Protagonisten bewusst von einer tragischen Vorgeschichte unbelastet (sie wird nur ansatzweise angedeutet), wodurch er zu einer Projektionsebene für den Zuschauer wird, der seine eigenen Emotionen und Gedanken frei in die Figur interpretieren kann. Ob sie zutreffen oder nicht, bleibt dahingestellt und daher bestenfalls vage.

Genau hier liegt das Problem bei All is Lost begraben. So spannend und involvierend das Geschehen auch sein mag, es kratzt ähnlich wie Gravity nur an der Oberfläche. Im Falle von Chandors Drama wird dem Zuschauer eine komplexe Figur verweigert und der Filmemacher zieht sich aus der Misere, indem er die Hauptfigur wie ein unbeschriebenes Blatt belässt. Nichts tieferschürfend Emotionales, keine inneren Konflikte, das Drama ist einzig und alleine auf den äußeren Kampf mit der feindlichen Umgebung reduziert, die wiederum, streng genommen, nichts anderes als eine dramaturgisch simple Checkliste darstellt.

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Man wirft den Protagonisten in eine schwierige Situation, lässt sie ihn meistern, danach wird es noch schwieriger. So steigert sich das Drama bei All is Lost lediglich durch die äußere Verschärfung eines tödlichen Konflikts. Dabei ist wohl kaum zu bezweifeln, dass auch Our Man Angst empfindet, sich Gedanken macht und natürlich auch über das Sterben nachdenkt. Doch diese Gefühle und Gedanken wurden nicht visualisiert (und zum Glück auch nicht über eine dauernd laufende Voice-Over trivialisiert), sondern darf sich der Zuschauer, wo die meisten wohl selbst nie in einer derartigen Situation waren, alleine zurecht legen.

All is Lost schildert einen zwar durchwegs spannenden Überlebenskampf, lässt aber den Zuschauer, in Bezug auf den einsamen Protagonisten, unbefriedigt zurück. Chandor bietet nichts annähernd greifbares um mehr mit Our Man zu empfinden, der sich im Angesicht des Todes befindet, das Publikum dann aber doch erschreckend kalt lässt. Somit ist All is Lost (genau wie Gravity), obwohl es sich um ein Ein-Personen-Drama handelt, keine Charakterstudie dieser Figur, sondern ein unterhaltsames Überlebens-Abenteuer, das genau so gut mit mehr Figuren funktioniert hätte. Wenn aber ein Film seinen Fokus (und somit auch den des Zuschauers) auf nur eine Figur reduziert, dann sollte dieser Charakter dem Publikum auch etwas zu bieten haben.

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Aber sowohl Ryan Stone als auch Redfords Figur sind somit auf ihren rein äußerlichen (und spannenden) Konflikt reduziert. Vielschichtige, komplexe Charaktere, die den Zuschauer auf eine Reise in das Innenleben ihrer Gedanken und Gefühle mitnehmen, lediglich nach außen gespiegelt durch die lebensgefährlichen Umgebungen, sind in beiden Filmen nicht vorhanden (lediglich Steven Knight schlug mit Locke einen konträren Weg ein). Allerdings gelingt es Chandor mit All is Lost durchaus die Einsamkeit seines Protagonisten darzustellen oder zumindest dessen mögliches Vorhandensein anzudeuten. Er ist eine isolierte Persönlichkeit, die sich vermutlich auch im “normalen” Leben wie ein gestrandeter fühlt und von allen Mitmenschen distanziert ist. Ob es jedoch mehr als nur eine Vermutung ist und es sich bei Our Man tatsächlich um eine einsame, aus menschlicher Gesellschaft ausgestoßene Gestalt handelt, bleibt bestenfalls vage und dadurch in seinen kompletten tragischen Auswirkungen nicht greifbar und irrelevant.

Nächste Woche folgt der Abschluss mit Teil 3: No Turning Back




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