Jahrescharts der Redaktion 2014: Filme – Teil 1!
Am Ende jeden Jahres heißt es auch in der pressplay Filmredaktion: Resümee ziehen. Unterhaltsam und vernichtend widmen wir uns den High- und Lowlights des vergangenen Jahres mit keiner simplen Bestenliste, sondern ungewöhnlich wie immer.
Kein Mensch kennt sich bei der Übersetzung aus Award
2014 gab es gleich eine handvoll Filme, die scheinbar in einem sehr absurden Konkurrenzkampf miteinander standen. Nämlich welcher von ihnen den verwirrendsten deutschen Titel erhält. Wer kann es einem verübeln, wenn man verzweifelt nach der genialen Horrorkomödie What we do in the Shadows sucht und im Kino nur den eigenartigen Titel 5 Zimmer Küche Sarg findet, der so gar nichts mit dem Originaltitel gemein hat. Wer weiß noch, ob man sich am Edge of Tomorrow befindet, wenn es doch eigentlich um Live Die Repeat geht? Macht man nun einen A Walk Among the Tombstones oder heißt es Ruhet in Frieden? Sind das wirklich die gleichen Filme oder handelt es sich im Vergleich zum gesuchten Actionthriller mit Liam Neeson, beim letzteren doch um ein neues Arthous-Sozialdrama? Before I go to sleep ist zwar ohnehin kein herausragender Film, dass einem der Titel Ich darf nicht schlafen aber erst recht vom Kinobesuch fern hält, sollte die Verantwortlichen nicht wundern. Sehr schlimm hat es auch das ruhige Meisterwerk Cavalry getroffen, der bei uns den langweiligen Titel Am Sonntag bist du tot erhalten hat. Verwirrend und oftmals der Grund, wieso man einen eigentlich guten Film im Kino einfach verpasst hat: schreckliche und vollkommen fehlgeleitete deutsche Titel. Vielleicht sollten sich die Verleiher (oder wer immer für die Titel verantwortlich ist) die Filme, die sie da übersetzen auch mal anschauen!
Pflichtfilm Award
Pflichtfilm? Ja, diese Werke muss man einfach gesehen haben und die Gründe dafür könnten wohl nicht unterschiedlicher sein. So vermag Spike Jones (Being John Malkovich, Adaption) mit seiner dezenten, aber famosen Zukunftsvision in Her den Hardcore-SciFi-Fan fast ein Statement zur Reduktionen entgegen bringen. Das sowohl die körperlose Scarlett Johansson als auch der zutiefst sympatische Joaquin Phoenix Meisterleistungen vollbringen, rundet den Gesamteindruck weiter ab. Aber auch in Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance) trifft eine perfekt abgestimmte Besetzung auf technisch eindrucksvolle Elemente: Kameramann Emmanuel Lubezki erweckt hier den Eindruck, das der Film gänzlich ohne Schnitt abläuft und damit alle Haupt- und Nebenstränge der Handlung unmittelbar sowie hautnah für den Zuseher erlebbar gemacht werden. Ganz großes Kino. Narrative und visuelle Brutalität erwartet den Zuseher bei Whiplash, allerdings anders als erwartet: Wie man einen Musikfilm (!) einerseits unterhaltsam, bedrohlich, spannenden und voll manischer Energie gestalten kann, zeigt der erst 29 jährige Regisseur Damien Chazelle. Pflichtfilme allesamt, schlicht und einfach.
Extrem reduziert, total begeistert Award
Dieses Jahr gab es einige Filme, die eindrucksvoll bewiesen haben, dass Minimalismus modern und beliebt ist. Wer jedoch nicht ganz ohne Action und dem Kampf auf Leben und Tod auskommt, der kann sich mit Robert Redford in All is Lost hinaus aufs Meer begeben und sehen wie spannend ein „beinahe-Stummfilm“ sein kann. Als angenehmer Kontrast zum bombastischen Spektakelfilm, bietet sich zum Beispiel der ruhige, aber ungemein humorvolle Alexander Payne Film Nebraska an. Eine einfache Geschichte, die mit viel Herz und ohne Kitsch, mit viel Witz und ohne billigen Scherzen punktet. Wem das immer noch zu wenig minimalistisch ist, der hat letztlich die Qual der Wahl zwischen dem mysteriösen Sci-Fi Drama Under the Skin, in dem eine Außerirdische versucht die Menschheit zu verstehen, und der vereinnahmenden One-Man Show von Tom Hardy in Locke, in dem ein Mann versucht seine Menschlichkeit wieder herzustellen. Gerade in letzterem Film beschränkt sich das Setting auf das Innere eines Autos, die handelnden Figuren (die man auch tatsächlich zu Gesicht bekommt) auf einen Mann und, am erstaunlichsten, die Geschichte auf einen nur allzu menschlichen Ausrutscher bzw. Fehler. Klingt langweilig, ist es aber nicht! Und noch reduzierter als das, geht fast nicht.
Mehr ist nicht unbedingt besser Award
Ja, wir haben es verstanden: Noah hat eine Mission und geht dabei über Leichen, komme was wolle. Menschheit dumm, Strafe notwendig. Das der Wahnsinn am Ende dann vielleicht bei Regisseur Darren Aronofsky etwas auf Hauptdarsteller Russell Crowe übergeschwappt ist (oder umgekehrt), war nicht sonderlich hilfreich für den weiteren Handlungsverlauf (die Herr der Ringe-Kampfszenen mit den Stein-Wächtern blenden wir gleich sowieso aus). Ebenfalls übertrieben hat mal wieder Christopher Nolan, der in Interstellar wohl auch einige (nach Ende des Films übrigens dank Extrem-Soundkulisse taub gewordene) Zuseher im Raum-Zeit-Erklärungs-Wirrwarr verloren hat. Unverständlich bleibt auch der schon fast fahrlässige Einsatz eines Schauspieler-Staraufgebotes in Monuments Men: Da hat man Stars wie Bill Murray, John Goodman und Cate Blanchett am Start, gibt ihnen aber einerseits wenig zu tun und legt ihnen andererseits auch noch unbeholfene Dialogzeilen in den Mund. Gähnen und Verwunderung über verschenktes Potential. Das eine Anreicherung von Stars, optischen Reizüberflutungen und noch mehr ineinander verwobenen Storylines nicht ausreichen, um ein akzeptables Ganzes zu schaffen, dürfte auch Sin City 2: A Dame to Kill for gezeigt haben. Oftmals könnte man meinen, das die Regisseure Robert Rodriguez und Frank Miller nur mal austesten wollen, wie weit sie das Publikum und die Schauspieler an ihre Grenzen führen können.
Actionfilme, auf die auch Schwarzenegger stolz wäre Award
Wir gehen jetzt einfach mal davon aus, dass noch jeder weiß, das Arnold Schwarzenegger einmal für knallharte und hervorragenden Actionfilme bekannt war, nur so als Verweis auf den Titel dieser Kategorie. In diesem Sinne: Besonders gute Action, aber auch gute schauspielerische Leistung und eine interessante Story konnte etwa Edge of Tomorrow bieten, in dem Tom Cruise gleichzeitig ein armseliges Würstel als auch ein Bad-Ass der Sonderklasse sein durfte. Darüber hinaus: Emily Blunt als „Full Metal Bitch“? Großartig. Eier aus Stahl hat wohl auch der Robocop im Remake von Robocop, Robocop, vorzuweisen (oder eher: doch nicht?): Der Film steht der Vorlage in Sachen interessanter Handlung wohl in nichts nach und wer sich über den Mangel an Blut tatsächlich aufregen kann, sollte einfach mal kurz darüber nachdenken, ob den der rote Saft allein wirklich als Qualitäts- oder Begeisterungsfaktor gelten kann. Oder besser: An den Anfang des Films denken. Apropos Filmbeginn: Man nehme Jason Bourne, spritze ihm ein Quentchen Superserum, berate ihn in Sachen Outfit etwas schlechter und voilà: Willkommen bei der Infiltrationssequenz von Captain America: The Winter Soldier. Mächtiger Einstieg in einen unerwartet gelungenen Superhelden-Film, oder? Was noch fehlt ist – natürlich – The Raid 2. Zwei Verweise dazu: Charaktere namens „Baseball Bat Man“ und „Hammer Girl“. Dieses Video. Holy Shit.
Ryan ‚Work hard, look nice‘ Gosling Award
Jedes Jahr gibt es den ein oder anderen fleißigen Ryan Gosling in Hollywood. Dieses Jahr ist es zwar nicht “The Man himself”, dafür aber gleich zwei andere eifrige Kollegen. Matthew McConaughey hat sich in den letzten Jahren nicht nur neu definiert und gleich einen Oscar eingeheimst, sondern drei Filme (Dallas Buyers Club, The Wolf of Wall Street und Interstellar) und eine TV-Serie (True Detective) auf die Öffentlichkeit losgelassen, um auch wirklich jeden stets daran zu erinnern, dass wirklich niemand so unverständlich nuschelt wie er. Auch Scarlett Johansson ist sicherlich nicht langweilig gewesen. Mit der wohl beeindruckendsten Bandbreite des Jahres, reichend von Alien über künstliche Intelligenz zu übertriebener Intelligenz bis hin zu Geheimagentin (Under the Skin, Her, Chef, Captain America: Return of the First Avenger und Lucy) war bei ihr fast alles vertreten und sie hat nicht ein einziges mal enttäuscht. Und wer denkt, dass sie nur hübsch anzusehen ist, der braucht sich nur von ihrer “Performance” in Her eines besseren belehren lassen.
Oh you Creepy Bastard… Award
Je länger man hinschaut, desto mehr Gänsehaut kommt auf. Man würde es ihnen nicht auf den ersten Blick ansehen, aber die Tiefen der menschlichen Seele kommen bei diesen Schauspielern ausnahmsweise an die Oberfläche – sodass man sich schütteln muss um sie wieder los zu werden. Wenigstens kommen Michael Fassbenders Figur Edwin Epps in 12 Years a Slave und Jennifers Lawrence‘ Figur in Serena aus der Vergangenheit und könnten heute nicht mehr so offensichtlich operieren. Im Gegensatz zu Jake Gyllenhaals Lou Bloom als rücksichtsloser Fernsehproduzent, der in Nightcrawler durch seine Realitätsnähe faszinierend und abstoßend zugleich ist. Doch wer unbestreitbar die Latte am höchsten legt, ist dieses Jahr Rosamund Pike: Ihre Darstellung der Amy Dunne in Gone Girl ist auf allen Ebenen herausragend, creepy- und unterhaltsam.
Netter Versuch, trotzdem gescheitert Award
Die Vorfreude war groß, als bekannt wurde, dass Terry Gilliam mit The Zero Theorem einen neuen Sci-Fi Film in die Kinos bringen wird, nachdem sich seine Don Quixote-Verfilmung scheinbar zu einer unendlichen Geschichte verlaufen hat. Ähnliches galt für das groß angekündigte Godzilla-Remake, noch dazu mit Monster-Regisseur Gareth Edwards hinter der Kamera. In beiden Fällen stellte sich rasch die Ernüchterung ein, kaum dass die Filme angefangen haben. Beim einen kennt man sich nicht aus, beim anderen wird eigenartig geschnitten; einerseits gibt es nur dümmliche menschliche Figuren, andererseits nur Charaktere, die einem kalt lassen; am Ende ist man nur enttäuscht, weil Stärken durchscheinen, aber von den negativen Seiten erdrückt werden, wie Godzilla unter dem Over-Acting von Christoph Waltz. Auch Transcendence klang auf dem Papier interessanter, als er dann letztlich war. Eine nette Idee und tolles Ensemble alleine reicht halt nicht aus und das Depp-Net wird niemals so bedrohlich sein wie Skynet. Ein neues Werk von Christopher Nolan in diese Kategorie aufzunehmen ist zwar fast schon witzlos, weil seine Filme ohnehin immer als große Offenbarungen und besten Filme aller Zeiten bis zum Ende aller Zeiten gehyped werden, doch mit Interstellar sind mittlerweile auch einigen der härtesten Nolan-Jünger (berechtigte) Zweifel an ihrem filmischen Messias gekommen – er ist halt kein Stanley Kubrick und Interstellar selbst in seinem kühnsten Fiction-Science-Wirrwarr kein 2001: Odyssee im Weltraum.
Fatality! Award
Kann man von schockierende Charaktertoden zu viel haben? Im gewissen Sinne schon – die Dosis spielte schon immer eine wichtige Rolle bei der Unterscheidung zwischen Vergnügen und Elend. Tom Cruise witzelt und stirbt sich durch Edge of Tomorrow, wieder und wieder und wieder – Da werden Fans und Hater des Schauspielers wohl erstmalig auf dem gleichen Level absolut zufrieden sein. Die Kämpfe in The Raid 2 sind derart faszinierend in ihrer Brutalität, das auch nach gefühlten Stunden jede neue Konfrontation immer noch spannend ist. Herausragend ist allerdings X-Men: Zukunft ist Vergangenheit: Mit welcher Leichtigkeit hier Regisseur Bryan Singer fast alle relevanten Mutanten überaus nachdrücklich den Garaus macht, grenzt schon fast an Fahrlässigkeit. Zu sehen, wie Colossus von zwei Sentinels zerrissen wird, bleibt da sicherlich im Gedächtnis.
Full Metal Jacket-Drill Sergant Award
Wer mag ihn nicht? Den sadistischen, tyrannischen Drill Sergeant, der einem schon früh morgens mit lieblichen Beschimpfungen weckt und einem stets das Gefühl gibt, nichts weiter als ein erbärmlicher Niemand zu sein. Na hoffentlich kennt niemand so jemanden in Wirklichkeit. R. Lee Ermey hat diese Figur in Full Metal Jacket nicht nur unsterblich gemacht, sondern auch auf die Spitze getrieben. Aber dieses Jahr hat J.K. Simmons in Whiplash eine andere Art des Drill Sergeant dargestellt. Nicht mehr in der Armee oder bei den Marines, sondern im mehr oder weniger alltäglichen Umfeld einer Musikschule, könnte seine Figur des Fletcher ein direkter Nachfahre von Ermeys brutalem Sergeant sein. Auch Emily Blunt geht in Edge of Tomorrow nicht gerade zimperlich mit Tom Cruise um, aber wer kann es ihr verübeln? Immerhin sehen sich ihre Soldaten einem Krieg gegen Außerirdische gegenüber, da ist eine harte Ausbildung wichtig. Zwei grandiose Leistungen, die einerseits Angst machen, von denen man andererseits aber seine Augen nicht abwenden kann.
Teil zwei unserer Jahrescharts aus der Filmredaktion folgt am 28.12.2014!