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Paul Thomas Anderson – Fatalismus und Reflexion

Die Leidenschaft zum Filmemachen hat sich bei Paul Thomas Anderson früh bemerkbar gemacht. Mit Videoaufnahmen hat er seine ersten Erfahrungen gemacht. Mühsam mit Videorekordern zusammen geschnitten, zählt Anderson zu jener VHS-Generation, zu der sich auch Tarantino oder Aronofsky einreihen.

Während Andersons Filmdebüt Sydney (oder auch oft mit Hard Eight betitelt) zwar durchwegs lobende Kritiken einheimste, zog es aber nicht dermaßen viel Aufmerksamkeit auf sich wie etwa Pi oder Reservoir Dogs es einst taten. Der erste Spielfilm von Paul Thomas Anderson war ruhiger, leiser und kam beinahe unscheinbar daher. Dennoch war eines immanent: dieser junge Mann wusste, was er tat. Erst mit seinem Nachfolgefilm etablierte sich der Autor und Regisseur Anderson endgültig als ein junger, aufstrebender Filmemacher, den es im Auge zu behalten galt. Boogie Nights mit Mark Wahlberg, Julianne Moore, Burt Reynolds, Heather Graham, Philip Seymour Hoffman und noch zahlreichen anderen hochkarätigen Charakterdarstellern beinhaltete alle wesentlichen Komponenten, die zu Markenzeichen von Paul Thomas Anderson werden sollten.

Gewissenhaft ausgearbeitete Drehbücher, stilsichere Regie und Darsteller, die zur Höchstform auflaufen. Gleichzeitig zeigt sich hier auch sein Faible für zerrüttete Figuren, die den Zuschauer selten zur Identifikation einladen, geschweige denn das Gefühl von Empathie aufkommen lassen. Im Zentrum seiner Geschichten stehen lebensechte Charaktere, die nie einfach und oberflächlich sind und die alle ihre eigenen Geschichten haben. So überbordend und dominant die Figuren sind, so minimal gestaltet er seine Handlungen. Der Plot seiner Filme ist auf das notwendigste reduziert und wird ausschließlich von den Figuren voran getrieben, auch wenn es oft den Anschein des Zufalls erweckt, als würde das Schicksal sie durch das Leben jagen und sein gnadenloses Spiel mit ihnen treiben.

Mit Magnolia treibt Paul Thomas Anderson dieses Konzept konsequent weiter und breitet seinen Ensemblestreifen zu epischer Bandbreite aus. Während der Plot fast bis zur Banalität vereinfacht wird, sind die Figuren jedoch derart mit komplexen Eigenschaften behaftet, dass es einem gar nicht auffällt, wie sie sich immer tiefer in ihr Verderben verstricken und gerade durch ihre Taten das Handlungsgerüst aufbauen. Während man in seinem vorigen Film noch zumindest ein paar sympathische Figuren finden konnte, fällt es in Magnolia zunehmend schwerer etwas für die Figuren an sich zu empfinden. Man empfindet Trauer, Mitleid, Zorn oder Freude in dem Ausmaß, wie es die Handelnden erdulden oder erfahren. Die Emotionen werden nicht direkt durch die Figuren wahrgenommen, sondern als Reaktion und Reflexion auf das detailgenaue Beobachten ihres Lebens.

Punch-Drunk Love wirkt auf den ersten Blick wie ein extremer Stilbruch in seiner Schaffensphase. Kein großes Ensemble an Charakterdarstellern, kein episches Format und in der Hauptrolle mit Adam Sandler nicht unbedingt ein Schauspieler besetzt, der durch anspruchsvolle darstellerische Leistungen und vielschichtige Figuren bekannt ist (von dessen Filmen Anderson allerdings ein großer Fan ist). Stattdessen wieder ein ruhiger, leiser Film (ähnlich wie Sydney) mit der Fokussierung auf eine zentrale Hauptfigur. Dennoch sind essentielle Anderson’sche Komponenten enthalten. Im Verlauf des Films wird Schicht für Schicht das Innenleben des Protagonisten offen gelegt, sein Leben und sein Handeln bedingt die Geschichte. Wieder bleibt dem Zuschauer nichts weiter übrig als zuzuschauen, denn auch Barry Egan (Sandler, der übrigens eine grandiose Leistung abliefert) lädt nicht zur Identifikation ein, was jedoch nicht verhindert, dass wir wie gebannt seinem Treiben folgen. Wie auch schon zuvor, bleibt das Ende relativ offen. Hier wird aber ein weiterer wichtiger Aspekt Andersons offensichtlich: Es zählt der Moment. Am Ende ist Egan glücklich und auch wenn die Zukunft für ihn ungewiss ist, freut man sich als Zuschauer dennoch mit ihm, einfach weil man erkennt, dass wirklich nur der Augenblick von Bedeutung ist. Egal welche Augenblicke. Es wirkt fast, als gäbe es im filmischen Universum des P.T.A. keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern nur die Gegenwart.

Dennoch begibt er sich mit There Will Be Blood in die brutale, gierige Vergangenheit der amerikanischen Geschichte zurück. Daniel Plainview’s Werdegang, sein Aufstieg und Fall, sind leicht als Metapher auf das Amerika der Gegenwart zu lesen. Während er sich also wieder einem zentralen Protagonisten widmet, kann das Format in dem er diese überlebensgroße Gestalt ins Bild rückt ohne weiteres als episch bezeichnet werden. There Will Be Blood ist nicht nur Metapher, sondern auch eine Charakterstudie über Aufstieg und Fall eines selbstzerstörerischen Menschen. Wie ein neugieriger Voyeur beobachten wir das Paradebeispiel eines Mannes, dessen Taten den Film in eine fatalistische Spirale katapultieren, aus dem es für (fast) niemanden, der in sein Gravitationsfeld gerät ein entkommen gibt, am allerwenigsten für den Zuschauer. Denn obwohl wir wissen, dass es für ihn keine Erlösung und keinen positiven Ausgang geben kann, bleiben wir dennoch gefesselt von seinem Auf- und Abstieg.

Während Anderson schon immer ein Filmemacher war, der großartige Drehbücher schrieb, ist er vor allem seit There Will Be Blood auch ein Filmemacher geworden, der denkwürdige, sich ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennende Bilder erschafft. Mit The Master (zur Kritik), der dieses Jahr ins Kino gekommen ist, zeigt er zudem einmal mehr, dass er einer der wenigen jungen Filmemacher ist, der bisher noch keinen „schlechten“ Film gemacht hat. Er beweist sich als überaus kluger Regisseur, für den immer das Gesamt- und Kunstwerk Film im Vordergrund steht. Er inszeniert sich nicht selbst, keine Einstellung dient dem Selbstzweck sich als Regisseur zu beweihräuchern, sondern jedes einzelne Bild, jede Einstellung, jede Szene ist bis ins Detail durchkomponiert, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, um den Film an sich so gelungen wie möglich zu machen. Kameraeinstellungen passen perfekt zu den Figuren und ihr Innenleben, die Musik ist genau auf die Aufnahmen abgestimmt. Dennoch hat man nie das Gefühl, dass seine Streifen unnatürlich und gekünstelt sind. Sie erzeugen einen natürlich Fluss, als hätten diese Figuren und Geschichten auf gar keine andere Art und Weise dargestellt werden können. Man darf gespannt sein, was Paul Thomas Anderson mit einem Roman wie Inherent Vice anstellt, den er als nächstes verfilmen will und für sein Drehbuch sogar den Segen von Thomas Pynchon höchst persönlich bekommen hat.




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