Django-Unchained-©-2012-Sony-Pictures

Django Unchained oder das Problem mit dem Dialog

Hat Tarantino sein Gespür für gute Dialoge verloren? Schon klar, die Gespräche unterhalten immer noch, aber haben sie nach wie vor die gleiche Brillanz seiner früheren Werke? Auf den ersten Blick könnte man sich dazu verleiten lassen mit einem begeisterten ja zu antworten, doch bei genauerem hinsehen, muss man leider feststellen, dass er sich nicht mal mehr an seine eigene „Regel“, was Dialoge betrifft, hält…

Aber zuerst möchte ich eines klar stellen: Mir hat Django Unchained (zur Kritik) verdammt gut gefallen. Ich mag den Film wirklich und finde sogar, dass es einer seiner besten seit langem ist. Ja, der Film hat Längen. Ja, er ist mir ein bisschen zu sauber für einen echten Western. Und ja, Tarantino muss manchmal einfach übertreiben. Aber das alles macht nichts. Django Unchained schafft es, sich einer wichtigen Thematik auf unterhaltsame Weise anzunähern und sie dem Publikum zu zeigen. Mit Action, Blut, markanten Szenen und Sprüchen gelingt es Tarantino gerade in seinem neuesten Film überraschend gut, die blutige und grausame Geschichte amerikanischer Sklaverei in so etwas wie eine moderne Fabel zu verpacken.

Doch darum soll es hier gar nicht gehen, denn trotz meiner Begeisterung für den Film, gibt es etwas, was mich dennoch daran stört. Ein Phänomen, das sich seit geraumer Zeit durch das Medium der bewegten Bilder zieht, zeigt Figuren, die dem Zuschauer ihre Handlungen und Beweggründe erklären. Anstatt es einfach zu tun, erzählen sie uns vorher, warum sie es tun und oftmals danach noch einmal, warum sie es getan haben. Es gibt zwar weitaus schlimmere Vertreter dieses zeitgenössischen Problems des Kinos als Django Unchained, aber gerade von einem Tarantino erwartet man sich so etwas nicht.

Er selbst hat einmal über seine Dialoge gesagt, dass sie deswegen so gut funktionieren, weil die Figuren nie über die Handlung reden, nie etwas erklären. Sein großes Können lag darin, seine Charaktere zu schildern, indem sie über scheinbar ganz banale Sachen reden, aber dadurch gleichzeitig extrem viel über sich selbst aussagen. Wer sie sind, was sie machen, warum sie es machen, etc. Man denke nur an die Eröffnung von Reservoir Dogs: Oberflächlich sprechen sie über den Song Like a Virgin und danach über Trinkgelder. Unter dieser Schicht zeigen die Figuren aber, was für einen Charakter sie haben. Gleiches bei Pulp Fiction. Das war Tarantinos große Regel für Dialoge. Niemals das offensichtliche Aussprechen. Niemals über etwas reden, das die Figuren ohnehin wissen. Sie niemals etwas sagen lassen, nur damit der Zuschauer es hört.

Leider verstößt Tarantino gegen seine eigene Regel. An sich kein Problem, wenn es dazu beitragen würde, seine Filme noch besser zu machen. Tut es nur leider nicht. Er begibt sich damit genau in jene von Banalitäten bestimmte Region hinab, wo wir Filme sehen, die uns scheinbar für dumm verkaufen. Wir bekommen Dialoge aufgetischt, die so offensichtlich nur für unsere Ohren bestimmt sind. Es werden Dinge ausgesprochen und erklärt, die niemals gesagt werden müssten. Wir können eins und eins zusammen zählen. Wir verstehen schon, was da vor sich geht. Zeigen, nicht sagen. Immer wieder tappen Filmemacher (u.a. auch Martin Scorsese mit Shutter Island oder zuletzt Spielberg mit Lincoln) in diese Falle und halten uns für unmündige Kinder, denen alles vorgekaut und bis ins Detail erklärt werden muss, weil wir sonst ja zu dumm sind um der Handlung zu folgen.

Mit Django Unchained ist Tarantino (nicht zum ersten Mal) in diese Falle getappt. Und gerade bei ihm tut es besonders weh. Er, der früher so einmalige Dialoge geschrieben hat, die uns gleichzeitig die Charaktere offenbart haben und Expositionen geliefert haben, die so unsichtbar waren, dass man fast meinen könnte, er hätte sowas nicht nötig. Bis zu Death Proof ist ihm das auch gelungen. Seitdem hat er es nicht mehr geschafft, sich aus dieser Falle zu befreien. Was schade ist, denn gerade jemand, der selbst so Filmbesessen ist, wie er, und so ein begeisterter Zuschauer ist, sollte wissen, wie weh es tut, wenn man für Dumm verkauft wird. Es ist ein Schlag ins Gesicht.

Aber immerhin macht es Tarantino immer noch besser als einige seiner Kollegen. Zumindest sind seine Dialoge immer noch interessant, witzig und gut geschrieben. Er versetzt einem diesen Tiefschlag und man verzeiht ihm trotzdem, weil Tarantino immer noch um Längen besser ist, als einige andere Filmemacher. Daher habe ich noch Hoffnung für ihn. Daher glaube ich, dass Tarantino wieder zu seiner alten Form zurückfinden kann. Daher freue ich mich noch immer über jeden neuen Quentin Tarantino Film. Weil, das muss man ihm lassen, er in seinem kleinen Finger mehr Talent und Gespür und Originalität besitzt, als viele andere amerikanische Filmemacher der Gegenwart.

Trotzdem muss ich leider sagen, dass gerade dieser Aspekt mich an Django Unchained wieder mal sehr gestört hat. Was ein großartiger Streifen, praktisch seine Rückkehr zu einstiger Größe, hätte werden können, ist zwar zu einem unterhaltsamen und wirklich geilen Film geworden, aber nicht das Meisterwerk, das zumindest ich persönlich mir davon erhofft habe. Aber vielleicht geht es ja nur mir so?




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