Rakede-(c)-Lupi-Spuma

Interview mit Rakede

Nach fast drei Jahren Wartezeit erscheint das zweite Rakede-Album Es geht mir gut! (Sehr, sehr gut. Sehr gut!). Sänger und Texter Julian, auch bekannt als Triebwerk 1, hat sich Zeit genommen, um mit pressplay über Entstehungsprozesse und Inspirationsmosaike zu sprechen und erzählt, warum man der österreichischen Musikszene gerne auch mal den Bauch pinseln darf.

pressplay: Euer neues Album erscheint am 24. November – wir sind schon sehr gespannt, was uns erwartet. Bekanntlich ist ja das Zweite immer das Schwerste: Man muss die Erwartungen der Fans erfüllen, beweisen, dass man seinem Stil treu bleiben kann, aber trotzdem irgendwie was Neues reinbringen. Wie war der Schaffungsprozess dieses Projekts für euch?

Triebwerk 1: Ja es stimmt, es gab tatsächlich ein „Schreibe-Loch“ zwischen den zwei Alben, dementsprechend war es schon schwer, anfangs wieder rein zu kommen. Denn man hat schon irgendwo einen Erwartungsdruck, dass man etwas machen muss, das zu dem passt, was vorher da war. Aber sich darüber den Kopf zu zerbrechen, bringt einen überhaupt nicht weiter. Man muss wirklich den Hintern hochbekommen, sich an den Schreibtisch setzten und einfach mal anfangen, mit den Ideen, die man hat.

Also habt ihr einfach alle Ideen aufgeschrieben und daraus ist dann ein Album entstanden?

Wenn man einfach mal alles nimmt, was einem in die Hände fällt, passt es vielleicht anfangs nicht zusammen, aber man kann am Ende zumindest sagen, okay, jetzt haben wir mal fix acht, neun, zehn fertige Stücke auf dem Album und können dann aus den restlichen Songs auswählen, ob wir lieber noch eine Ballade mit reinnehmen oder doch lieber was Lautes. Zumindest wenn man „Rakede“ heißt, kann man sich diesen Luxus schon mal erlauben (lacht). Wir entscheiden dann meistens danach, was am Besten dazu passt, aber normalerweise nehmen wir einfach alles, was sich uns in den Weg wirft. Das ist so unser Ding! (lacht)

Schon eine sehr spezielle Herangehensweise, die ihr da habt…

Klar, es gibt natürlich auch ganz andere Ansätze. Zum Beispiel Samy Deluxe, mit dem wir ja viel zusammengearbeitet haben, der ist da anders. Der ballert dann meistens immer erst mal raus: Material, Material, Material und dann überlegt er sich, wie man das sinnvoll zusammenstellen kann. Das ist bei uns eigentlich überhaupt nicht so.

Mit Samy Deluxe habt ihr ja hauptsächlich für euer erstes Album zusammengearbeitet. Auch auf der Komm unter meinen Schirm (EP) gab es Features – ist das neue Album erstmalig ein reines Rakede-Solo-Projekt?

Das könnte man fast sagen, ja – allerdings haben wir auch auf diesem Album wieder einen Feature-Track gemacht. Flo Mega hat einen Song mitgesungen, aber man kann schon sagen, dass es ein ziemlich reines, pures „Rakede“ Album geworden ist. Das war eigentlich nicht der Plan, das ist mehr so passiert. Ich hab zeitweise sogar darüber nachgedacht, mir Hilfe beim Texten zu holen – war dann aber irgendwo doch zu dickköpfig und hab mir selbst gesagt „du schaffst das schon!“. Also kam es schlussendlich nie dazu, weil wir’s auch nicht gebraucht haben. Flo Mega wollten wir allerdings unbedingt dabei haben, weil wir für dieses Album auf jeden Fall ein bisschen weg vom Rap und stattdessen mehr Gesang dabei haben wollten.

Und dafür war Flo Mega der perfekte Mann?

Im deutschsprachigen Raum gibt es ja leider gar nicht so viele, die für unsere Stilistik infrage kommen. Wir haben zwar nichts gegen Indie, aber der Track, der für das Feature ausgewählt wurde, war einfach mehr so ein Groove-Song. Und da gibt es im deutschsprachigen Raum einfach wenige, die nicht glauben, dass die Erde eine Scheibe ist – um eine kleine Anspielung in Richtung Xavier Naidoo zu machen. An den wären wir aber wahrscheinlich gar nicht rangekommen. Den Flo kennen wir schon super lange, daher hat sich das gut ergeben. Ansonsten fanden wir es diesmal nicht nötig, noch wen anderen ins Boot zu holen.

Du hast gesagt weg vom Rap, stattdessen mehr Gesang. Die ersten beiden Singles hören sich aber schon durchaus danach an, als ob ihr eurem Stil treu geblieben wärt – zieht sich das übers ganze Album durch, sodass man sich bei jedem Song denkt „Ja, das ist die Rakede“, oder habt ihr auch ein paar Überraschungseier reingepackt?

Also ehrlich gesagt haben wir es so wahrgenommen, als wäre „Nimmst du mich mit“ schon ein relativ großes Überraschungsei. Natürlich sind es immer die gleichen Gehirne, die dahinter sind, daher entsteht natürlich eine Verwandtheit zwischen dem ersten und dem zweiten Album. Aber wir fanden den Song, für „Rakede“-Verhältnisse eigentlich schon relativ weit aus dem Fenster gelehnt. Er ist relativ poppig, die Reggea Note ist eigentlich gar nicht drinnen, klar, es ist natürlich auch ein Hauch HipHop dabei… Aber ehrlich gesagt haben wir da schon mit einer größeren Schockwelle gerechnet – bis jetzt sind aber alle ganz lieb. (lacht)

Nova Rock 2015 Rakede © pressplay, Patrick Steiner (9)

Man muss aber schon sagen, dass „Nimmst du mich mit“ stark an die Single vom ersten Album „Jetzt gehst du weg“ erinnert, vor allem auch wegen den ähnlichen Lyric-Videos der beiden Songs. Ist das nicht der Part II der Geschichte? „Jetzt gehst du weg, nimmst du mich mit“?

Jaja, na klar, wir haben deswegen auch lange überlegt, ob wir einen anderen Titel nehmen. Jetzt gehst du weg, nimmst du mich mit, also das geht ja auch wenn man die beiden Wörter vertauscht – nimmst du mich weg, jetzt gehst du mit, so irgendwie. (lacht) Ich hatte da selber beim Arbeiten auch echt viele Versprecher drinnen. Aber wir haben einfach keinen anderen Titel gefunden, der dafür in Frage kam und irgendwie geht es ja auch genau darum. Tatsächlich ist es aber kein unbedingt gewollter Zusammenhang. Es ist natürlich klar, dass der Eindruck entstehen kann. Es sind zwei Balladen, wir haben wieder unsere Freunde von Rocket and Wink gebeten, das Video zu machen, weil wir den Text bei diesem Song wieder sehr wichtig fanden und dass das sich dann so gut einreiht hat uns im Endeffekt wenig gestört – wir fanden das sogar eher fast gut. Wäre nur blöd, wenn man sagt, dass es langweilig wird, weil „Rakede“ immer dasselbe ist – dann müsste man natürlich nochmal drüber nachdenken. (lacht)

Bei der ersten Single vom neuen Album „Dein schönster Tag in meinem Leben“ zeigt ihr euch in einer schnellen, fetzigen Nummer wieder mal von eurer gesellschaftskritischen Seite – was würdest du sagen, ist die Kernaussage eures Albums?

Puh, das ist schwer, da bin ich gerade ein bisschen überfragt. (lacht) Es ist natürlich wieder sehr weit gestreut, stilistisch wie inhaltlich. Wir versuchen immer, uns auf einem Album nicht zu viel zu wiederholen. Ich weiß auch gar nicht, ob das immer so gut ist, manchmal hört man sich ja auch eine Depri-Band an, weil man grad nur Bock auf Depri-Mukke hat und dann ist meistens auch das ganze Album so gehalten. Wir wechseln uns da eigentlich lieber ab mit den guten und schlechten Empfindungen, schnellen und langsamen Liedern, Balladeskem und Groovigem.

Und wie schaut’s inhaltlich aus? Viel Gesellschaftskritik wie bei der ersten Single und wie man’s von euch aus der Vergangenheit kennt?

Ja, es gibt sie irgendwie schon – deswegen ja auch der Titel des Albums Es geht mir gut, es gibt ja auch einen gleichnamigen Song. Der nimmt schon sehr diese Neuzeit-Hedonisten aufs Korn. Es ist natürlich alles sehr ironisch – da isst ja auch jemanden seinen eigenen Kopf auf dem Plattencover. Ich finde das Wort „gesellschaftskritisch“ ist immer ein bisschen weit und hochtrabend – aber klar, da sind schon ein paar bissige Sprüche dabei! Aber ich würde sagen, das Album bewegt sich inhaltlich irgendwo zwischen ein paar bissigen Bemerkungen über den Makrokosmos, also unser globales und gesellschaftliches Zusammenleben, es ist aber auch teilweise ganz nach innen gekehrt. Es geht auch mal nur um Liebe. Gar nicht für „alle“, sondern nur für den, der es gerade empfindet.

Ab Dezember geht ihr wieder auf Tour – auch nach Österreich kommt ihr für fünf Konzerte. Worauf freut ihr euch bei der Tour denn am meisten, abgesehen von wenig Schlaf, viel Party und endlosen Autofahrten?

(lacht) Ich glaube, wir freuen uns tatsächlich am meisten auf die Musik mit den Leuten zusammen, denn man macht sie ja irgendwo auch für Andere. Klar, macht man sie auch für sich und ich glaube, auch wenn mir überhaupt niemand zuhören würde, würde ich es trotzdem nicht lassen. Aber gerade bei Konzerten, wo die Leute wirklich nur für die „Rakede“ kommen oder auch nicht, aber mit offenen Ohren dabei sind und sich begeistern lassen – das ist einfach immer was Tolles.

Also Publikumsnähe ist euch sehr wichtig?

Klar, wir trinken natürlich auch gern Bier (lacht) aber da könnten wir ja auch nur in die Kneipe gehen, dafür müssten wir ja keine Musik machen. Insofern freuen wir uns wirklich am meisten auf den Kern des Ganzen, also unsere Musik mit den Leuten laut hörbar zu machen.

Ihr wart in den letzten Jahren auch öfter mal auf Festivals in Österreich. Szene Open Air, Frequency – jetzt spielt ihr fast die Hälfte der Tour in Österreich. Darf man darauf hoffen, dass ihr auch nach der Tour oft bei uns zu Gast sein werdet?

Es ist sind über die Jahre schon einige Shows in Österreich zusammengekommen und es waren immer sehr gute Erinnerungen und tolle Eindrücke! Ich muss den Österreichern auch in vielerlei Hinsicht den Bauch pinseln (lacht) – nicht nur, weil wir es leichter haben in Österreich, sondern weil ich auch immer den Eindruck habe, dass die mutigeren Bands, also stilistisch oder politisch, aus Österreich kommen – nicht immer, aber oft. Und auch beim Radio merkt man das stark. Wenn man jetzt FM4 mit großen deutschen Radiosendern vergleicht, dann legen die doch immer wieder ein Stück Eigensinn an den Tag. Das trauen sich viele deutsche Radiosender nicht, weil sie Angst haben auszusterben und auf Konsens mit der größtmöglichen Masse aus sind, sodass überall die gleichen 25 Songs laufen. Das ist in Österreich schon anders, da sehe ich schon ein bisschen den Pioniergeist an jeder Ecke und das finde ich echt super.

Nova Rock 2015 Rakede © pressplay, Patrick Steiner (2)

Habt ihr auch eine Österreichische Lieblingsband?

Hm, von allem wahrscheinlich ein bisschen. Der Affe hatWanda’s Bologna total abgefeiert und ich kann mit Bilderbuch immer wieder was anfangen. Eine Lieblingsband glaub ich jetzt nicht, aber man hört überall mal gern hin und baut sich dann so seine kleinen Inspirationsmosaike.

Es gibt für euch also auch nicht DIE Inspiration oder DAS große Vorbild?

Nein. Ich habe diesen ultimativen „Held“ generell nicht. Auch international. Es ist von jedem immer ein kleines Stück – am meisten beeindruckt hat mich in der Vergangenheit aber wahrscheinlich Frank Ocean und dann wiederrum, ist David Bowie ein Wahnsinnskünstler für mich. In meiner Kindheit habe ich sehr viel Queen gehört, das ist bis heute auch irgendwie geblieben, auch wenn’s nicht mehr so oft ist – weil man das ganze Zeug natürlich inzwischen durchhat. Insofern ist die Inspiration ein einziges großes Stückwerk. Man besteht ja alleine schon mal aus tausenden heißen Tipps und das bin ja nur ich, da kommt ja dann noch der Affe dazu (lacht).

Euer Albumrelease ist bereits in wenigen Tagen. Wie wichtig ist euch denn tatsächlich die Meinung eurer Fans und Kritiker? Lest ihr, was die Leute über euch schreiben

Also ich kann dir garantieren, dass der Affe es lesen wird. Der hat das zumindest früher immer gemacht (lacht). Vielleicht ist es inzwischen nicht mehr ganz so schlimm, aber man bekommt schon viel mit, was Leute sagen. Ich glaub sogar, dass es Künstler gibt, die wegen einem YouTube-Kommentar gewisse Lieder nicht mehr weiterschreiben. Genau aus diesem Grund halte ich mich eigentlich davon fern. Es ist immer so eine Mischung aus „ich kann es lesen“ und „es ist mir egal“ und, dass ich mir gewisse Sachen auch einfach ersparen kann, wenn ich nicht im Internet groß nach Rezensionen suche. Aber wenn ich mal über eine stolpere, muss ich versuchen, mir das nicht zu nahe gehen zu lassen.

Rakede-(c)-Lupi-Spuma_2

Rezensionen müssen ja nicht immer nur negativ sein…

Ja, aber es heißt doch so schön „man darf ihnen nicht glauben, wenn sie sagen, dass man gut ist, denn dann müsste man ihnen auch glauben, wenn sie sagen, dass man scheiße ist!“ (lacht) Ich hab auch mit Maxim, dem Songwriter und Sänger mal drüber gesprochen und der meinte, dass er eigentlich alles an Kritik zulässt, immer und von jedem. Es tut zwar weh, aber manchmal kommt man nach zwei Wochen drauf, das es Unsinn ist und dann ist’s einem egal. Und manchmal ist man nach zwei Wochen einfach ein bisschen schlauer, weil vielleicht doch irgendwas Wahres dran war. Wir leben aber auch in einer Zeit voller Hasskommentare – wenn Leute sich unterhalb der Gürtellinie aufhalten, muss man es sowieso ausblenden, weil es da meistens mehr um persönlichen Frust, als um irgendwas Anderes geht. (lacht)

Was sind denn schöne Dinge, auf die du dich in nächster Zeit freust?

Auf jeden Fall freuen wir uns auf unser Albumrelease und das wir auf Tour kommen. Und, ganz wichtig, dass wir weiterschreiben. Ich sitze schon wieder an neuen Sachen und die Leute sollen wissen, dass das jetzt erst mal auch nicht aufhört. Wenn man drei Jahre für ein Album braucht, dann beginnen die Leute ab dem zweiten Jahr zu zweifeln, ob da überhaupt noch was kommt. Diesmal muss keiner zweifeln – es geht weiter!




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