Interview mit Other Lives
Other Lives, die melancholische Indierockband rund um Frontmann und Sänger Jesse Tabish, veröffentlichten dieser Tage ihr zweites Album, genannt Rituals. pressplay hat mit der Band gesprochen.
pressplay hat vorab in das Album hineingehört und die Band kurz nachdem sie ihren Weg aus den Staaten tourbedingt nach Europa angetreten sind, zum Interview getroffen. Jesse hat uns von guten Filmen, noch besseren Filmtiteln und seine eigentlich furchtbar (aber schöne!) romantische Ader erzählt.
pressplay: Hi Jesse, also, wie geht es euch? Ihr tourt gerade, richtig?
Jesse: Richtig, irre, eigentlich schon seit April. Wir haben nie wirklich Halt gemacht, schön langsam wird’s eine lange Zeit… Aber uns geht’s sehr gut. Ich persönlich bin sehr gern auf Tour unterwegs, auf Konzerten und Festivals zu spielen, ist einfach das Größte.
Und jetzt geht die Festivalsaison ja so richtig los, bzw. sie hat schon begonnen. Primavera Festival in Barcelona, jetzt kürzlich das Glastonbury in UK…
Jesse: Ja, großartig. Am Primavera haben wir vor drei – oder waren es vier? – Jahren einmal gespielt, es war unglaublich. Die Location als auch die Stimmung dort sind unbezahlbar.
Welchen Gig auf der bisherigen Tour würdest du als den besten bezeichnen?
Jesse: Das ist eine knifflige Frage, aber ich würde mich glaube ich für da Rock Werchter in Belgien entscheiden.
Wir unterhalten uns heute ja zum ersten Mal, deshalb eine Frage right from the beginning: Ihr habt früher ja eigentlich „Kunek“ geheißen. Was bedeutete dieser Name bzw. wieso die Änderung?
Jesse: Genau, begonnen haben wir eigentlich als „Kunek“. Da steckt eigentlich nicht wirklich eine sehr spannende Geschichte dahinter, es war so, dass ein Bandkollege an einem Kinderbuch gearbeitet hat, dessen Hauptcharakter „Kunek“ getauft wurde. Es erschien uns in dem Moment passend, diesen auch für die Band zu übernehmen. Als sich die Bandstruktur aber dann geändert hat, wollten wir das auch namentlich festmachen und änderten ihn zu „Other Lives“. Eine Art Neustart quasi.
Und hinter diesem steckt schon eine spannende Geschichte?
Jesse: Ja, wirklich. Beziehungsweise spannend, ich finde sie jedenfalls gut (lacht). Kennst du den Film „Das Leben der anderen“? (Anm. d. Red.: natürlich kennen und lieben wir diesen Film. August Diehl ist ein Genius) Ich liebe ihn. Er ist großartig gemacht und gespielt, aber unabhängig davon hat mich einfach schon immer der Titel angesprochen. Er ist einerseits so subtil und verrät wenig, lässt aber dadurch andererseits auch wieder vollsten Entfaltungsfreiraum für die eigene Interpretation. Ich finde, dass das auch sehr gut mit unserer Musik, beziehungsweise der Idee, wie wir unsere Musik machen und zeigen wollen, einhergeht.
Eigentlich habt ihr als Instrumentalband begonnen, ist das richtig?
Jesse: Ja, das stimmt. Es haben sich dann aber im Aufnahmeprozess beziehungsweise. im gesamten Schaffungsprozess die Worte, unter anderem die Vocals, eingeschlichen. Das war auch keine bewusste Entscheidung, sie waren plötzlich einfach da und gehörten untrennbar zum rein instrumentalen Geschehen dazu.
Hierzulande seid ihr immer noch eher eine Art Geheimtipp, wo ihr in den USA in bekannten Fernsehserien wie „Grey’s Anatomy“ gefeatured werdet. Was hältst du davon?
Jesse: Ehrlich gesagt, ist mir das mehr oder weniger egal. Die Einordnung in Mainstream oder eben Nicht-Mainstream – bzw. dem daran gemessenen Erfolg ist mir nur zweitrangig wichtig. Was mir am Herzen liegt, ist, unsere Musik so vielen Menschen wie möglich zugänglich und vielleicht sogar verständlich zu machen, auf welche Art und Weise das passiert, liegt meist ohnehin nicht in der Hand der Musiker. Ich freue mich vor allem, wenn die Leute zu unseren Shows kommen. Live das zu transportieren, was man mit seiner Kunst ausdrücken möchte, ist eigentlich ein Geschenk. Wobei ich dazusagen muss, dass wir schon relativ stur sind bei dem, was wir machen. Es ist dann nicht immer einfach, sich mainstreamkonform zu verhalten, wenn man in eine Richtung geht, die vielleicht nicht überall Anklang findet. Aber dafür ist das Resultat authentisch – auch wenn die Zuhörer etwas Geduld brauchen (lacht).
Wer ist die beste Band der Welt, jetzt im Moment?
Jesse: Ich glaube, es ist immer noch Radiohead.
Gründe dafür? Ihr habt gemeinsam getourt, richtig?
Jesse: Weil Radiohead es als einzige – oder als einzige erfolgreich – schaffen, einen gewissen Grad an Intellektualität und gleichzeitig Emotionalität zu verbinden. Das gelingt wenigen so gut. Genau, dadurch kamen wir natürlich in den Genuss, uns ihre Shows ausreichend anzusehen. Wir konnten es gar nicht glauben, als wir gefragt wurden, ob wir ihren support act spielen wollen – es war eine wunderbare Erfahrung.
Mit welchem Musiker/welcher Band würdest du noch gerne auf Tour gehen wollen?
Jesse: Neil Young, definitiv.
Nun zum neuen Album: wie unterscheidet es sich – in Grundzügen- vom Vorgängeralbum?
Jesse: Was mir und auch dem Rest der Band ein wichtiges Anliegen war, war vor allem das Streben danach, den Sound breit aufzufächern. Man könnte fast sagen, zwischen Folk und Experimental haben fast alles ausprobiert und versucht, es auf dieser Platte zu vereinen.
Es klingt nicht mehr ganz so melancholisch wie das vorige Album, war das eine bewusste Entscheidung?
Jesse: Ja, war es schon. Wir wollten den Grimm, den doom sozusagen, abschütteln. Melancholie ist schön, aber ich wollte es auf jeden Fall heller, vom gesamten Klangbild aber auch von den Vocals her, gestalten. Abgesehen davon kommt hier jetzt meine romantische Ader durch: Ich habe geheiratet. Ich denke, dass auch das einen wesentlichen Einfluss auf mein Musikschaffen gehabt hat.
So, wie sieht euer Plan für 2015 aus?
Jesse: Wir werden die Europatour in ungefähr drei Wochen abschließen, dann geht es erst einmal verdienterweise ab nach Hause. Zwei Monate nehmen wir uns dann frei – aber dann geht es im Herbst schon wieder los. Wir werden auch wieder nach Europa zurückkommen.
Ihr habt schon einmal in Wien gespielt. Irgendwelche besonderen Ereignisse, die euch da in den Kopf schießen?
Jesse: Wir hatten damals das Glück, in Wien drei Tage freizuhaben. Deshalb konnten wir auch wirklich einmal ein bisschen etwas von der Stadt sehen. Am meisten hat mich der Zoo beeindruckt… dieser ganz berühmte… wie hieß er noch einmal?
Schönbrunn, baby.
Jesse: Ja, genau, das muss es gewesen sein. Entschuldige, ich kann das nicht aussprechen.
Ich vergebe dir. Viel Spaß auf Tour, wir sehen uns am 18. 7. im Wiener WUK. Merci beaucoup!