10 Komiker in ungewohnten (aber ausgezeichneten) Rollen
Es ist fast schon ein Muss, zumindest eine ernsthafte Rolle gespielt zu haben, wenn man als ehemaliger (Stand-Up)-Comedian im Filmbusiness wirklich Fuß fassen will. Wir haben ein Liste mit den zehn besten, markantesten und unerwartetsten Performances zusammengestellt, in denen namhafte Komiker ihr dramatisches Talent beweisen – und uns damit tatsächlich überzeugt haben.
10. Robin Williams in Insomnia
Eigentlich kaum zu glauben, das ein Vollblut-Comedian wie Robin Williams, der mit Rollen wie etwa in Hook, Jumanji, Mrs. Doubtfire und Good Morning, Vietnam der breiten Öffentlichkeit wirklich namhaft geworden ist, für einen reinrassigen Thriller unter der Regie (gerade!) von Christopher Nolan überhaupt angedacht wurde. Klar, der Schauspieler konnte mit ausgezeichneten Leistungen in Dead Poets Society und Good Will Hunting sein Können in ernsthafteren Rollen eindrucksvoll unter Beweis stellen, auch schon in One Hour Photo war zu sehen, das sich hinter der sympathischen Fassade wohl auch gut das personifizierte Böse verstecken lässt. Als methodisch arbeitender und überaus hinterlistiger Mörder im 2002 erschienen Insomnia zeigt Williams aber, das er sich auch hinter der starken Performance einer schauspielerischen Größe der Marke Al Pacino keineswegs zu verstecken braucht.
9. Jim Carrey in Eternal Sunshine of the Spotless Mind
Das „Gummigesicht“ Hollywoods – schon dieser wenig schmeichelhafte Titel ist wohl ein Indikator dafür, das Ernsthaftigkeit und Tiefgang nicht unbedingt im Repertoire eines Schauspielers vorzufinden sein muss. Jim Carrey’s Durchbruch gelang – passenderweise – mit seinem absurd-humorvollen Auftritt in The Mask, und, ebenfalls nicht zu vergessen, den daraufhin prägenden Rollen in Dumb & Dumber sowie Ace Ventura. Wohl für jeden überraschend kamen im Anschluss an diese Hits tatsächlich ernsthaftere Rollen, die das Spektrum Carreys erweitern sollten: Gefangen in der TV-Kunstwelt The Truman Show oder mit der Öffentlichkeit spielend als Andy Kaufman im unterschätzten Man on the Moon etablierte sich der Schauspieler tatsächlich als ein solcher. Im 2004 erschienen und wohl schon aufgrund seines fantastischen Titels sehenswerten Sci-Fi-Drama Eternal Sunshine of the Spotless Mind des französischen Regisseurs Michel Gondry induziert Carreys Performance weniger Lachen, als vielmehr Mitleid: Nach einer Trennung entschließt sich sein emotional gebrochener Charakter, die vorangegangene Beziehung zu vergessen – mittels Löschung aus seiner Erinnerung. Ein faszinierendes Werk durch und durch, das durch die mitreißende Performance von Jim Carrey in Sachen Emotionalität intensiviert wird und zurecht als zeitloser Klassiker gilt.
8. Adam Sandler in Punch-Drunk Love
Richtig: Adam Sandler, der Schauspieler, der erst kürzlich der Öffentlichkeit mitteilte, das die meisten der Filme, in denen er seit 2004 mitwirkte, wenig mehr als gut bezahlte Urlaube sind, hat tatsächlich auch eine ernstzunehmende Rolle in seiner Filmographie. Bedenkt man, das sich der Komiker zumeist als unbeherrschtes, unverantwortliches, infantiles, erwachsenes Kind in Hollywood einen Namen machen konnte – man denke an seine Auftritte in Airheads, Billy Madison, Big Daddy, The Waterboy, Little Nicky – ist es umso verblüffender, das ein Regie-Schwergewicht wie Paul Thomas Anderson (There will be Blood, The Master) mit diesem hauptberuflichem Kindskopf gearbeitet hat. Besser noch: GUT gearbeitet hat, den der 2002 veröffentlichte Punch-Drunk Love spielt mit den Stärken Sandlers, ohne jemals den Gedanken an dessen schauspielerische Vergangenheit aufkommen zu lassen. Sicher, in der Rolle des emotional eingeschränkten und psychologisch gestörten Hauptcharakters finden sich Element vorangegangener Rollen des Schauspielers – aber angesichts der von Regisseur Anderson mitgebrachten Qualitäten (neben Regie auch Drehbuch) zeigt sich hier eindrucksvoll, was in Theorie und Praxis aus Adam Sandler in Sachen darstellerischer Vielschichtigkeit rauszuholen ist.
7. Eddie Murphy in 48 Hrs.
Eine vergleichsweise umgekehrte Richtung bei der Rollenauswahl geht wohl der Schauspieler Eddie Murphy: Heutzutage kaum noch direkt vor der Kamera (er spricht den Esel im Shrek-Franchise) oder ohne Fat-Suit (The Nutty Professor, Norbit) anzutreffen, feierte er seinen Hollywood-Einstand im knallharten Buddy-Movie Thriller 48 Hrs. von Regielegende Walter Hill. Zusammen mit Nick Nolte lieferte sich der Comedian auch einen teils wortwörtlichen Schlagabtausch, der zugleich das Subgenre der Buddy-Movies – in dem zwei ungleiche Charaktere aufeinanderprallen – begründete. Nach einigen legendären Auftritten, vor allem als überdrehter Beverly Hills Cop, legte sich Murphy aber schließlich eher auf seichtere Rollen im Comedy-Fach fest, einige Ausreißer wie etwa in Dreamgirls konnten allerdings nicht darüber hinweg täuschen, das seine interessantesten Performances schon fast wieder vergessen sind.
6. Will Ferrell in Stranger than Fiction
Als einer der wenigen Komiker dieser Auflistung kann Will Ferrell auch heute noch in seinem – vermutlich – favorisiertem Genre große Erfolge und vor allem Kultstatus genießen. Mit kleineren und größeren Rollen in Anchorman, Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby, Step Brothers und The Other Guys zeigt Ferrell, das komödiantisches Talent durch seine Adern fließt. Ganz im Stile von „Do what you do best“ sind ernsthafte Performances in seiner Filmographie genauso spärlich gesät wie die absolute Ausnahme, weswegen der 2006 erschienen Stranger Than Fiction zusätzlich hervorzuheben ist. Nicht nur für Ferrell stellt seine Rolle als fiktive Romanfigur, die sich ihrer selbst in der realen Welt langsam bewusst wird, ein Novum dar, sondern auch für den deutsche Regisseur Marc Forster, der eigentlich für Filme der Marke Monster’s Ball und (später) Quantum of Solace Bekanntheit erlangen sollte. In Kombination konnten beide allerdings einen großartigen Erfolg mit dem surrealen, überaus unterhaltsamen Drama erzielen.
5. Bill Murray in Lost in Translation
Damals in den 70er Jahren war Bill Murray Teil der legendären und originalen Saturday Night Live Comedy-Show mit Dan Aykroyd, Gilda Radner und John Belushi. Heute ist er längst eine lebende Legende. Nicht nur Dank seines zynischen, trockenen Humors, mit dem er Filme wie Caddyshack, Stripes und Ghostbusters zu Kult-Klassikern gemacht hat, sondern auch durch seine andere, ernstere – oder sollte man sagen verbitterte – Seite. Groundhog Day markiert dabei in gewisser Weise den Übergang seiner Schaffensphase, die jedoch erst mit dem grandiosen Lost in Translation komplett vollzogen wurde. Humorvoll, aber doch melancholisch. Sarkasmus, aber mit viel Trauer. Während in den 70er und 80er Jahren seine Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Ivan Reitman und Harold Ramis ihren humoristischen Zenit gefunden hat, war es in späteren Jahren vor allem Wes Anderson (und auch Jim Jarmusch), unter dessen Regie er neue Ausdrucksmittel offenbarte. Streng genommen spielt er zumeist zynische (Lost in Translation), misanthropische (Broken Flowers) Egomanen (The Life Aquatic with Steve Zissou), mit denen man eigentlich niemals in Berührung kommen möchte, wenn er da nicht doch stets das menschliche in diesen Figuren finden würde und sie mit einem unverwechselbaren Charme zum Leben erweckt.
4. Steve Carrell in Little Miss Sunshine
Steve Carrell gilt gemeinhin als einer der witzigsten Comedians der vergangenen Jahrzehnte. Was absolut nachvollziehbar ist, bedenkt man, das er sich mit seinen humorigen Einsätzen in der schrägen TV-Serie The Office und davor als Fake-News Korrespondent in der Daily Show zum Kultstatus empor gearbeitet hat. In Hollywood gelang ihm dem Auftritt in Bruce Almighty (später sollte er die Hauptrolle von Jim Carrey in der Fortsetzung Evan Almighty übernehmen), aber vor allem mit dem Judd Apatow-Überraschungserfolg von The 40 Year Old Virgin der Sprung auf die große Leinwand. Mit der 2006 erschienenen US-Südstaaten-Indie-Tragikomödie Little Miss Sunshine sollte Carrell auch sein Talent in einer vergleichsweise ernsthafteren Rollen beweisen (auch wenn der Film nicht mit satirischen Elementen geizt) – das der Film dann auch gleich zwei Oscars gewann und zudem für den Film des Jahres nominiert war, spricht natürlich für sich.
3. Takeshi Kitano in Hana-Bi
In seiner Heimat Japan ist Takeshi Kitano eine Kultfigur, der seine Popularität der TV-Show Takeshi’s Castle verdankt. Eine skurril-surreale und enorm amüsante Sendung, die seine Teilnehmer diverse Aufgaben erfüllen lässt, um Count Takeshi vom Thron zu stürzen. Takeshi selbst überzeugt in der Show vor allem durch seinen beinahe sadistischen Humor, mit dem er seine Kontrahenten, einem Herrscher gleich, von oben herab betrachtet und nicht nur physisch, sondern auch verbal versucht fertig zu machen. Durch seinen Charm nimmt man es ihm aber nie übel, denn es dient alles zur Unterhaltung der Zuschauer. Aber das ist nur eine Seite, des enorm talentierten Takeshi Kitano. International (aber auch in seiner Heimat) sorgt er vor allem für intensive Dramen und Thriller für Aufsehen. Hana-bi ist dabei sicherlich ein Highlight seines Schaffens (aber nicht das Einzige!). Ein Drama mit gewaltsamen Ausbrüchen, und emotional aufwühlend durch seine minimalistische Darstellung (nicht nur Takeshi selbst, auch die übrige Besetzung). In seinem Filmschaffen konzentriert sich Kitano (im Gegensatz zu den anderen Einträgen in dieser Liste) nicht ausschließlich auf sein Schauspiel, sondern zeichnet auch oftmals als Drehbuchautor und Regisseur verantwortlich. Ohne Zweifel einer der Vielseitigsten Komödianten und gleichzeitig einer der beeindruckendsten Filmemacher Japans.
2. Jamie Foxx in Ray und Collateral
Ja, tatsächlich: Der Texaner Eric Marlon Bishop, besser bekannt als Jamie Foxx, hat seine eindrucksvolle Karriere als Stand-Up Comedian in Los Angeles gestartet (er imitierte dabei etwa Ronald Reagan). 1996 folgte sogar eine eigene Sitcom namens Jamie Foxx Show, die ganze fünf Staffeln lang bis 2001 in den USA ausgestrahlt wurde. Damit nicht genug: Auch musikalisch machte sich das Multitalent einen Namen, was wohl in weiterer Folge auch seinen Einsatz im preisgekrönten Drama Ray erklärt. Wohl unnötig zu erwähnen, das Foxx für seinen Auftritt mit einem Oscar und Golden Globe für die beste Hauptrolle prämiert wurde. Ebenfalls nicht zu vergessen ist sein Auftritt neben einem ungewohnt brutalen Tom Cruise in Michael Manns unterschätztem Thriller-Meisterstück Collateral (ebenso wie Ray übrigens auch 2004 erschienen), der ihm dann auch noch eine Oscar-Nominierung für den besten Nebendarsteller brachte. Auch der weitere Verlauf seiner bisheringe Karriere sollte mit einigen denkwürdigen Performances gespickt sein (man denke dabei etwa an Django Unchained) – es bleibt abzuwarten, ob Jamie Foxx zur Abwechslung mal mit einem rein auf Komödie ausgelegten Werk mal zu seinen Wurzeln zurückkehrt (Nein, White House Down zählt nicht.)
1. Michael Keaton in Batman
Michael Keaton ist eigentlich weder der berühmteste, erfolgreichste noch profilierteste Komödiant auf dieser Liste. Dennoch hat er sich seinen Platz in dieser Riege verdient. Wieso? Wegen dem abrupten Genrewechsel, den er vollzogen und gemeistert hat. Tim Burton war in den 80er Jahren noch ein aufstrebender Filmemacher, dem es erlaubt wurde ein Comic auf die Leinwand zu bringen. Zu einer Zeit, als man sich davon weder finanziellen Erfolg, geschweige denn eine komplette Franchise, inkl. Reboot, Remake und Reimagining erwartet hat. Schwer genug also, dieses Biest mit dem einfachen Titel Batman zu stemmen. Noch dazu, wenn man den Produzenten ernsthaft vorschlägt einen Komödianten wie Michael Keaton die Hauptrollen zu geben und das neben einem Star wie Jack Nicholson, einer lebenden Legende. Tim Burton bekam seinen Wunsch und der Aufschrei war groß (ähnlich dem rund um Ben Affleck als neuer Batman). Niemand hatte Erwartungen, das Projekt war schon vorher zum Scheitern verurteilt. Aber Michael Keaton brachte alle Kritiker zum verstummen und lieferte eine Leistung ab, die zurecht auch heute noch zu einer der besten Darstellungen des dunklen Ritters zählt. Vergessen war der Komödiant Michael Keaton und geboren war eine ganze Film-Franchise und Genre, die es ohne ihm (und natürlich Burton und Nicholson) heute in dieser Form womöglich nicht geben würde.
Christoph Stachowetz und Marco Rauch