Ruiner
Ein brutaler Twin-Stick-Shooter mit enigmatischen Hauptcharakter, verworrener Storyline und noch dazu von Devolver Digital veröffentlicht? Klingt nach Hotline Miami, darf sich jedoch in Form von Ruiner seinen eigenen Ruf verdienen. Das Entwicklerstudio Reikon Games hat mit ihrem Debüt das grundlegende Konzept vom Indie-Hit mehr oder minder übernommen und in ein gänzlich neues, faszinierendes Setting transferiert. Man schreibt das Jahr 2091: Ein komplett vernetzter Protagonist befindet sich auf der Suche nach seinem entführten Bruder, eine weiblicher Hacker leitet den rachsüchtigen und ohne Hemmungen agierenden Soziopath (Stichwort: „Kill Boss“) durch verschiedene Abschnitt der Cyberpunk-Metropole namens Rengkok.
Aus einer schrägen Vogelperspektive gilt es die Spielfigur durch düstere und zumeist industriell angehauchte Level der Marke Shadowrun zu steuern, an jeder Ecke lauern dort deformierte Freaks, technologisch aufgewertete Meta-Menschen, schwerbewaffnete Konzern-Killer und mordlüsterne Maschinen. Schnelles Gameplay mit Nah- und Fernkampfwaffen, eine überaus blutige Inszenierung und eine Rahmenhandlung rund um Fremdsteuerung und Selbstfindung lassen Verweise zu den beiden exzellenten Hotline Miami-Teilen zu, dank der überaus stilbewussten Optik und diversen Tweaks im Spielablauf kann sich Ruiner aber von diesen Klassiker durchaus abheben.
So nimmt das grundsätzlich einfache Gameplay andere Ansätze an, um den Spieler (nach längerer Eingewöhnungsphase) zu einer todbringenden Kampfmaschine werden zu lassen: Bewegung spielt hier zwar auch die zentrale Rolle, eine Riege von Spezialattacken und aufwertbaren Fähigkeiten lassen den Fokus auf zielgerichtete Aktionen gleiten, während bei Hotline Miami hauptsächlich schnelle Reaktion und Vorplanung federführend war.
Von zuschaltbarer Slow-Motion über ein Energieschild, das Kugel zurückschleudert, einem überlebenswichtigen Kurzsprint bis hin zum Berserker-Modus kann in Ruiner der Hauptcharakter mittels klassischem RPG-Levelsystem aufgewertet und eine Anpassung an den jeweils bevorzugten Spielrhythmus durchgeführt werden. Dank gutem Gamedesign kommt fast jede neue Fähigkeit im Spielverlauf zum Zug, die Nützlichkeit der unterschiedlichen Upgrades kommt über die jederzeit veränderbare, also flexible Verteilung der Erfahrungspunkte besonders gut zur Geltung.
Eine kompetente Mischung aus Action und strategischem Vorgehen fordert den Spieler in jedem Spielabschnitt: Welche Waffenwahl gilt es bei der nahenden Gegnerschaar zu nutzen, welche Fähigkeit ist besonders (oder auch: einzig und allein) wirksam bei Mini- und Endbossen – Überlegungen, die mit einem überschaubaren Maß an Trail-&-Error anzustellen sind. Nach und nach werden neue Level über eine Hubwelt freigeschalten – diese wurde zwar hübsch dem Cyberpunk-Schema nach ausgestaltet, ist letztlich aber nur eine Sammlung von statischen Objekten und Figuren unterschiedlicher Wichtigkeit. Auch die dort befindlichen Charaktere haben abseits einer netter Optik kaum Tiefgang (mit einer Ausnahme, die im Spielverlauf an Relevanz gewinnt).
Ruiner überrascht mit ausgewogenem, niemals unfairem Gameplay und Tiefgang, was vor allem Freunde von stylischen Twin Stick-Shootern gefallen wird. Cyberpunk-Fans werden sich beim ersten Anblick sehr Zuhause fühlen, leider vermag die anfangs vielversprechende Storyline im weiteren Spielverlauf kaum mitzureißen. Dank großartiger optischer Aufbereitung und einem netten Soundtrack macht der Titel so von Anfang bis zum Ende immerhin grafisch und spielerisch einiges her, zu große Erwartungen sollte man in Ruiner aber dennoch nicht setzen. Ein netter Shooter mit viel Potential für zwischendurch, der leider viel zu schnell wieder vergessen und wohl niemanden zu einem zweiten Durchspielen bringen wird.
Plattform: PS4 (Version getestet), Xbox One, PC, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 26.09.2017, ruinergame.com