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Die Brut

Liebe Filmfreaks, willkommen zurück in der Tonne! Diesmal werfen wir einen Blick auf einen wirklich großen Autorenfilmer. Auch wenn diese Kolumne sich meist in den filmischen Gefilden Sex, Gewalt und gute Laune bewegt, müssen wir ab und zu auch mal in ernstere Ecken abbiegen. Wer würde sich dafür besser eignen als der große Misanthrop der Horrorfilmlandschaft, der dunkle Graf des cineastischen Unspaß – David Cronenberg. Vorhang auf für …

Die Brut

OT: The Brood, Kanada, 1979, Regie und Drehbuch: David Cronenberg, Mit: Oliver Reed, Art Hindle, Samantha Eggar u.a.

Nola Carveth (Samantha Eggar) befindet sich in Behandlung beim zwielichtigen Psychiater Dr. Raglan (Oliver Reed), dem Erfinder der Methode „Psychoplasmatik“.  Nolas Ehemann Frank (Art Hindle) vermutet, dass die Behandlung nichts Gutes bringt und versucht die gemeinsame Tochter Candice von Muttern fernzuhalten. Die drastische Methode von Dr. Raglan führt dazu, dass sich Nolas Zorn physisch manifestiert. Und zwar in Form fieser kleiner Kreaturen, die nun mehr alles und jeden attackieren von denen Nola sich bedroht oder verletzt fühlt.

Mit Die Brut findet David Cronenbergs filmische Frühphase ihren vorläufigen Höhepunkt und darf noch heute zu seinen interessantesten Werken zählen. Cronenbergs regelmäßiger Kameramann Mark Irwin fasst dessen Schaffen mit folgendem Statement ziemlich interessant zusammen: „Möglicherweise ist die Summe seiner Werke eindrucksvoller als jeder einzelne Film.“ Besonders eben die Frühphase betreffend kann man sich dieser These durchaus anschließen. Wirkt doch jeder Film wie die logische Weiterführung aus dem vorangehenden Werk. Gewisse Motive werden immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Cronenbergs Werk wurde oftmals der Stempel „Body Horror“ aufgedrückt, da sich der Regisseur und Autor immer wieder mit Körpern, deren Verschmelzungen (sexuell wie splatter-artig), Ausformungen oder Auswüchsen befasst. Das begann mit Parasiten-Mörder (Shivers, 1975), ging weiter über das eigenwillige und höchst gelungene Remake Die Fliege (The Fly, 1986), bis hin zur Verschmelzung von Mensch und Metall in der skandalösen J.G. Ballard-Verfilmung Crash (Crash, 1996).

Die Brut ist ein ernsthafter und freud- und hoffnungsloser Horrorfilm. Ruhig inszeniert und hervorragend gespielt, geizte er zur damaligen Zeit nicht mit Schock- und Ekelszenen, die den Regisseur ins Visier von so mancher Zensurbehörde brachte. In Deutschland verbrachte der Film sage und schreibe 30 Jahre auf dem Index der jugendgefährdenden Medien. Bei heutiger Ansicht wirken die Effekte natürlich arg überholt und teilweise sogar lächerlich. Doch umweht den Film eine trostlose und grausame Atmosphäre (wie so viele andere Werke Cronenbergs) der man sich schwerlich entziehen kann. Laut Eigenaussage Cronenbergs handelt es sich bei Die Brut um den autobiografischsten Film des Regisseurs. Seine erste Frau verließ ihn kurz zuvor um sich einer obskuren Sekte anzuschließen und es entflammte ein Sorgerechtstreit um die gemeinsame Tochter. So erlebte er es dann als grausame Befriedigung, zumindest dem filmischen Alter Ego seiner Frau regelrecht den Hals umzudrehen. Manchmal ist Kunst eben doch der bessere Katalysator.

Der inzwischen verstorbene amerikanische Kritiker-Papst Roger Ebert hasste den Film seinerzeit dermaßen, dass er sich zu folgenden Zeilen hinreißen ließ: „Disgusting in ways that are not entertaining. Are there really people who want to see reprehensible trash like this? I guess so. It’s in its second week.“ Es darf davon ausgegangen werden, dass Ebert seine Meinung in späteren Jahren revidiert hat – wurde er doch schließlich noch ein großer Fan Cronenbergs. Der war einfach, wie so viele Genies, seiner Zeit Jahre voraus.

In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal und bleibt seltsam!